Tichys Einblick
Viele Möglichkeiten gibt's nicht

Österreich: Wer mit wem nach der Wahl?

SPÖ und FPÖ hoffen, dass sich mit einem möglichst späten Wahltermin der schlechte Beigeschmack verflüchtigt, den ihre Abwahlaktion gegen Sebastian Kurz bei vielen Österreichern erzeugt hat - darunter einem Viertel der SPÖ-Anhänger.

Beate Meinl-Reisinger begründet ihre Ablehnung des Misstrauensantrages.

imago images / Zeitungsfoto.at

»Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger hält die Übergangsregierung unter Kanzlerin Brigitte Bierlein für den Ausdruck eines „rot-schwarz-blauen Kartells“. Sie sei damit „eine typisch österreichische Regierung“ – meldete derstandard.at.

»Die neue Übergangs-Regierung ist ein mehr schlecht als recht zusammengeflicktes Sammelsurium aus roten und schwarzen Spitzenbeamten, das an die übelsten Zeiten des Proporzes erinnert. Sprich: Für jeden Schwarzen gibt es einen Roten – und zum Drüberstreuen noch einen blauen Wehrsportler« – schloss oe.24.at an.

Wo die Obfrau der Neos recht hat, hat sie recht. Indirekt erinnert sie damit an das einzige Erbe der von Jörg Haider, FPÖ, mit Wolfgang Schüssel, ÖVP, gezimmerten Koalition Anfang 2000. Die FPÖ kämpfte nicht für die Abschaffung des lähmenden Proporzes von Schwarz und Rot, sondern erkämpfte sich ihre Beteiligung an den Posten und Pfründen der Parteien in der Politik und der von ihr beeinflussten Strukturen in Staat, Wirtschaft, Gesellschaft und nicht zuletzt im Staatssender ORF. Im ORF ist heute mit Norbert Steger jener FPÖ-Bundesobmann Vorsitzender des Stiftungsrates, den Haider als Obmann verdrängte.

Nach den Neuwahlen zum Nationalrat werde Sebastian Kurz nichts anderes übrig bleiben als wieder eine Koalition mit der FPÖ, meint Hans Winkler, langjähriger Leiter der Wiener Redaktion der „Kleinen Zeitung“, und kundiger Beobachter der Politik in Österreich in einem sehr interessanten Artikel für Die Presse, dessen Resümee so lautet:

»Der Ex-Kanzler kann auch nicht glauben, dass er mit Neos und Grünen irgendetwas von der Reformpolitik würde fortsetzen können, die er mit den Freiheitlichen begonnen hat und die er, wie er sagt, für seine eigentliche Aufgabe in der Politik hält. Er muss also den Mut haben, wieder eine Koalition mit den Freiheitlichen zu suchen, in der er höchstwahrscheinlich gestärkt wäre. Und die FPÖ muss bis dahin glaubwürdige Schritte zu ihrer weiteren Läuterung gemacht haben.«

Das ist eine mögliche Option. Ich schließe aber auch eine andere nicht aus. Die mit den Grünen halte ich für unwahrscheinlich. Obwohl die österreichischen Grünen mit den deutschen nicht vergleichbar sind, ihre Schnittmengen bei den Wählern mit der SPÖ sind sehr groß. Was die Grünen bei der EU-Wahl von den Roten wieder zurückholten, können sie auch ebenso schnell wieder verlieren.

Eine Koalition mit den Neos ist denkbarer. Mit ihnen hat die Neue Volkspartei von Sebastian Kurz konstruktive Schnittmengen in der Bildungspolitik, in der Wirtschafts- und Sozialpolitik, aber auch in der Politikreform Richtung mehr Dezentralisierung: Da haben Kurz und Meinl-Reisinger Verbündete in den Bundesländern und den Gemeinden. Die Einwanderungsfrage könnten Neue Volkspartei und Neos durchaus einvernehmlich gestalten. In dieser Frage sind die Positionen der österreichischen Parteien mit Ausnahme der Grünen näher beieinander, als das in den deutschen Medien und ihrer Öffentlichkeit gesehen wird.

Die Neos und die Neue Volkspartei könnten auch bald die einzigen zwischen dem Rheintal und der Kleinen Puszta sein, die sich der Klimareligion nicht verschreiben, nachdem der neue Bundesobmann der FPÖ, Norbert Hofer „die Blauen grün machen will“.

»Die FPÖ hat sich auf den 29. September als „Wunschtermin“ für die Nationalratswahl im Herbst 2019 festgelegt. „Der Vorteil dieses Wahltermins: Der Sommer wird vom Wahlkampf nicht gestört. Vier Wochen Intensiv-Wahlkampf ab September bieten allen Parteien noch ausreichend Zeit, um mit ihren Botschaften an die Wählerinnen und Wähler heranzutreten“, erkläre die Parteispitze am Dienstag via Aussendung« – war auf derstandard.at und ähnlich anderswo zu lesen.

Beide, SPÖ und FPÖ hoffen, dass sich mit einem möglichst späten Wahltermin der schlechte Beigeschmack verflüchtigt oder er zumindest abebbt, den ihre Abwahlaktion gegen Sebastian Kurz bei sehr vielen Österreichern erzeugt hat – darunter einem Viertel der SPÖ-Anhänger. Dass diese Rechnung aufgeht, bezweifle ich.