Tichys Einblick
EU-Sanktionen

Wem schadet das Öl-Embargo gegen Russland am meisten?

Dass der Druck auf Russland durch das Teil-Ölembargo der EU steigt, ist keineswegs sicher. Im Augenblick kassiert Russland deutlich mehr aufgrund der insgesamt gestiegenen Gas- und Ölpreise.

Verbindung der Druzhba-Pipeline in der Raffinerie der MOL-Gruppe im ungarischen Szazhalombatta

IMAGO / Xinhua

Es soll eine Keule sein, die den Kreml mächtig beeindruckt. Mehr als zwei Drittel der russischen Öl-Lieferungen in die EU sollen künftig von einem Einfuhrverbot betroffen sein. Die EU-Staaten haben sich auf einen Kompromiss in Sache Öl-Embargo gegen Russland geeinigt.

»Dies deckt sofort mehr als zwei Drittel der Ölimporte aus Russland ab und schneidet eine große Finanzierungsquelle für seine Kriegsmaschinerie ab«, so EU-Ratspräsident Charles Michel in einem Tweet. »Maximaler Druck auf Russland, den Krieg zu beenden.«

Vorerst sollen nur russische Öl-Lieferungen, die über den Seeweg laufen, verboten werden, nicht aber jene Öl-Lieferungen, die durch Pipelines fliessen. Das Öl fliesst also erst einmal weiterhin durch die Druschba-Leitung, „Freundschaft“.

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Dieser Kompromiss ist vor allem auf Drängen Ungarns zustande gekommen, das in sehr hohem Masse von russischem Öl abhängig ist. Die deutschen und polnischen Vertreter sollen in Brüssel betont haben, das sie nicht von der Ausnahme für dieses Öl profitieren wollen. Was das für die Raffinerien in Ostdeutschland und Polen im Einzelnen heißt, die auch an dieser Pipeline hängen, wurde noch nicht deutlich gesagt.

Die Sanktionen würden den Kauf von Rohöl und Erdölerzeugnissen aus Russland, die auf dem Seeweg in die Mitgliedstaaten geliefert werden, verbieten, aber eine Ausnahme für Rohöl aus Pipelines erlauben, so Michel. Damit würde die EU Russland von einer riesigen Finanzierungsquelle für seine Kriegsmaschinerie abschneiden, betont Michel stolz über die gefundene Lösung.

Wie hoch der Druck tatsächlich ist und auf wen er ausgeübt wird, wird sich noch herausstellen. Im Augenblick kassiert Russland deutlich mehr aufgrund der insgesamt gestiegenen Gas- und Ölpreise.

Ferner fließen die Ölströme bereits seit einigen Wochen verstärkt nach China, Indien und auch in die Türkei. Diese Mengen gleichen jene aus, die aufgrund des europäischen Embargos künftig entfallen. Diese Länder profitieren zudem von den relativ günstigeren Preisen, zu denen Russland jetzt Öl verkaufen muss. Allerdings sind die Transportwege noch kompliziert, Russland chartert verstärkt griechische Öltanker.

Der Warenwert russischer Ölexporte nach China belief sich bereits im Jahr 2020 nach Angaben von Statista auf rund 24 Milliarden US-Dollar – so viel, wie die gesamten Ölimporte von Deutschland, den Niederlanden, Polen und Italien aus Russland. In diesem Jahr befanden sich sechs EU-Staaten unter den Top 10 der größten Exportländer für russisches Öl. Diese Staaten müssen jetzt ihr Öl über andere Quellen beziehen etwa durch die Adria-Pipeline. 

»Je nach Fortschritt dieser Entwicklung«, zu diesem Schluss kommt Statista, »könnte ein Öl-Embargo der EU also weniger Einfluss auf den russischen Staatshaushalt haben als erhofft.«

Wenn die Folgen eines Embargos für diejenigen, die das Embargo aussprechen, größer sind als für das adressierte Land, wäre es nicht verkehrt, den Sinn des Embargos zu hinterfragen, und nicht ganz dumm erscheint der Gedanke, vorher Alternativen durchzuspielen. Vor allem erscheint die Strategie der deutschen Grünen und CDU, sämtliche eigene Energiequellen zu zerstören und auszuschalten und nur noch auf Gasimporte ausgerechnet noch aus einem verfemten Land zu setzen, als nicht besonders »hilfreich«. Wenn dann noch ein Robert Habeck, der derzeit den Chefsessel des Bundeswirtschaftsministeriums besetzt, noch groß tönt, Deutschland habe seine Hausaufgaben gemacht und sei bereit für ein Ölembargo, ginge das – nunja – im Landtag zu Kiel vielleicht noch als Geplapper unter. In Berlin hätte derlei wagemutiger Unsinn für den politischen Tod gesorgt. Früher.

Nach einer – allerdings 32 Jahre alten – amerikanischen Studie verfehlten 65 Prozent der untersuchten 120 Sanktionen zwischen 1914 und 1990 ihren Zweck. Nur 34 Prozent waren erfolgreich. 

 

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