Tichys Einblick
Interview TE 01-2020

Ökonom Schnabl: Nullzinspolitik wird politische Verwerfungen auslösen

Die Debatte um Null- und Negativzinsen geht über die Frage hinaus, was geschieht, wenn Schuldner belohnt und Sparer bestraft werden. Der Leipziger Wirtschaftswissenschaftler Gunther Schnabl zeigt, dass sie auch das Wirtschaftswachstum hemmen und zu großen Fehlallokationen führen.

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Die Fortsetzung der Nullzinspolitik der EZB wird künftig nach Meinung des Ökonomen Gunther Schnabl nicht nur die Einkommen der Deutschen nach unten treiben, sondern zu erheblichen politischen Verwerfungen führen. Der Leiter des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität Leipzig sagte dem Monatsmagazin Tichys Einblick: „Bleibt der Null- oder gar Negativzins, dann werden wir politische Konflikte ernten, die unsere Demokratie bedrohen. Denn dann müssen viele Menschen stetige Kaufkraftverluste hinnehmen, während andere von der Vermögenspreisinflation profitieren.“ Die jetzige Zinspolitik bestrafe die Menschen, die Vorsorge betreiben und untergrabe die Wachstumsdynamik der Wirtschaft. „Ein langsamer Zinsanstieg würde die Unternehmen zwingen, die Produktivität wieder zu steigern. Die Staaten müssten Ausgaben und Verschuldung konsolidieren. Wir würden auf einen positiven Wachstumspfad zurückkehren, der auch wieder nachhaltig steigende Reallöhne für alle möglich machen würde.“

Die ganze Entwicklung werde dadurch kaschiert, dass die offizielle Inflationsrate den wahren Preisanstieg nicht mehr abbilde, weil beispielsweise Energie und Nahrungsmittel ebenso wenig enthalten sind wie explodierende Immobilienpreise. Der aktuelle Preisindex bilde „vielleicht 30 Prozent unseres Konsums ab“, so Schnabl. „Die EZB erodiert mit ihrer Politik die Kaufkraft der Menschen.“ Die Nullzinspolitik habe die Produktivitätsgewinne unserer deutschen Volkswirtschaft „gegen oder gar unter null reduziert“, erklärt der Ökonom. Das schlage auch auf die Einkommen durch. „Wo es keine Produktivitätsgewinne gibt, kann im Schnitt auch nichts mehr verteilt werden.“ Dies werde das politische System der Bundesrepublik destabilisieren. „Immer mehr Bürger spüren einen Wohlstandsverlust, sehen sich als Verlierer. Das führt dann unweigerlich zu einer gesellschaftlichen Polarisierung, die sich auch in der Ablehnung etablierter Parteien ausdrückt.“


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