Tichys Einblick
Republik der Kommissare

Notfallpläne bei Strom-Blackout für drei Tage – und dann?

Noch eine Merkel-Kommission zur Energieversorgung: Nach der "Ethik-Kommission" jetzt eine "Kohle-Kommission" - Träume sollen Technik ersetzen, Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit spielen für die Funktionäre des guten Glaubens keine Rolle.

© Sean Gallup/Getty Images

Nun soll eine Kommission den Kohleausstieg planen, hat das Bundeskabinett beschlossen. Im schönsten Neusprech heißt sie „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, denn sie soll neue Arbeitsplätze für die Beschäftigten in den west- wie ostdeutschen Braunkohlerevieren suchen. Es geht je nach Rechnung um 19.000 direkt im Braunkohletagebau Beschäftigte, um Braun- und Steinkohlekraftwerke und Logistik – an die 75.000 Arbeitsplätze sollen es sein.

Das Hauptproblem wird versteckt und hat keine Stimme

Wie immer, wenn aus zusammengeschusterten Absprachen von Parteien Gesetze werden, geht es wild durcheinander. Denn vom Ende der Kohle zu reden ist verlockend und vielversprechend; wer wünschte sich nicht die Lösung aller ökologischen, wirtschaftlichen und technischen Probleme per Kabinettsbeschluss? Wie in der guten, alten Planwirtschaft der DDR wird einfach festgelegt, wie die Zukunft läuft, zackzack? Dabei geht es nicht um einige zehntausend Arbeitsplätze, so schwierig es für die Beschäftigten vor allem in Brandenburg und Sachsen-Anhalt werden wird: Dort fehlen industrielle Kerne für neue Beschäftigungsangebote. Klar, jetzt werden 1,5 Milliarden bereit gestellt. Das Geld kommt ja in Merkel-Land vom Staat, unendlich. Es muss gar nicht verdient oder erwirtschaftet werden.

Es geht um Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit

Aber beim Kohleausstieg geht es tatsächlich um die Zukunft der Energieversorgung – und letztlich um den Industriestandort Deutschland. Der Ausstieg aus der Kernenergie ist noch nicht bewältigt, da soll jetzt die zweite Säule der Energieversorgung fallen. Denn Erneuerbare Energien haben bislang nicht die großen Hoffnungen erfüllt, die in sie gesetzt wurden: In Spitzenzeiten ist ihre Stromproduktion sehr hoch, oft sogar zu hoch – aber eben nur dann. In den kalten und gleichzeitige windarmen Wintermonaten steht dieses Land ohne die konventionellen Kraftwerke buchstäblich still. Daran ändert sich auch nichts, wenn die Zahl der Windkrafträder verdreifacht werden sollte und der letzte freie Höhenzug in den Mittelgebirgen so verspiegelt wird wie die Weite Sachsen-Anhalts oder die Küste: Längst sind es lebenstote Zonen der Energieprofitmacher. Denn nur ihre Geldschneiderei ist sicher – nicht die Stromproduktion: Wenn Windräder stehen, stehen alle. Dazu kommt ein Phänomen, dass die neuen Ideologen immer wieder zum Staunen bringt: In der Nacht weht der Wind schwächer und Solar fällt aus, obwohl die Ideologen von Grünen und CU schon mehrfach Petitionen an die Sonne geschickt haben, sie möge auch Nachts scheinen. So kommt es zu einer Weisheit, die aus dem Kölner Karneval stammt aber den Umzug nach Berlin nicht geschafft hat: „Dreimal Null ist Null ist Null, das lernt man schon beim Kajes in de Schull.“ Berlin aber lernt nichts. Verdreifachen der Windstromerzeugung erzeugt Spitzenstrom, den keiner braucht und keinen Strom, wenn man ihn braucht. Chemische Speichermedien und Großbatterien gibt es in den benötigten Mengen nicht, denn der Strom müsste im wind- und sonnenreichen Sommer für den Winter gespeichert werden. Das funktioniert einfach nicht. Weil es bisher keiner kann. Und niemand weiß, ob und wenn wann es wer können wird.

Die Pleite der Energiewende

So schließt die Kohlekomission an den Fehlern der Energiewende an: Herkömmliche Energiespeicher, also Speicherseen und Wasserkraftwerke gibt es auch nicht von der Stange zu bestellen; die projektierten Pumpspeicherwerke wurden allesamt nicht gebaut. Die Energieversorgung der Zukunft soll letztlich durch russisches Gas sichergestellt werden. Deutschland wird endgültig zur Energieprovinz von Wladimir Putins Gnaden. Billig wird das nicht. Denn wenn es funktionieren soll, müssten an die Stelle der heutigen Kohlekraftwerke Gaskraftwerke stehen. Es baut aber niemand solche Kraftwerke; zu willkürlich sind politische Entscheidungen seit Angela Merkels Energiewende. So entstehen in Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen derzeit riesige Parks von Diesel-Generatoren, statt energieeffizienter Gaskraftwerke. Diesel und die passenden Motoren sind billiger; dass sie höhere Abgase ausstoßen – wenn juckt das? Grüne Theorie scheitert nicht zum erstmal an der Realität. So wandern Dieselmotoren von den Straßen in die Stromerzeugung.

Teure Purzelbäume
Entschädigung für Atomkraftwerke
Auch die Netze, die den Wind aus den Offshoreparks der Nordsee nach Süden transportieren sollen, gibt es nicht. Sie werden teuer gebaut –  erst in vielen Jahren sollen sie bereit stehen. Sie belasten zumdem die Bevölkerung unter den Millionenspannungen und in der Nähe der Umspannwerke. Wird Strom transportiert, geht viel verloren. Deshalb standen in der Vergangenheit Kraftwerke dezentral in der Nähe der Verbrauchszentren. Zukünftig wird die Stromversorgung zentralisiert: Auf wenige Übergangspunkte von den Windkraftwerken in der See an die Landkabel und auf wenige Transportstrecken. Die Störanfälligkeit nimmt dramatisch zu, da das feinmaschige Netz durch Nord-Süd-Trassen ersetzt wird. Und es geht um Milliardenbeträge.
Rohstoff der Industrie

Bereits heute liegt Deutschland an der Spitze der Energiepreise. Aber Energie ist heute der wichtigste Rohstoff der Industrie. Sollen die Privatkunden über Zuschläge auf ihre Stromrechnung die Industrie noch weiter entlasten? Das wird nicht funktionieren. Und dann ist da noch das Thema Versorgungssicherheit. So paradox es klingt – in den vergangenen beiden Jahren wurde der Blackout in Deutschland durch zwei Kernkraftwerke vermieden, erklären unabhängige Fachleute. Das Kernkraftwerk Grohnde verschob seine vorgeschriebene Wartung um zwei Wochen, um am Netz zu bleiben; und ausgerechnet das umstrittene Uralt-Kernkraftwerk in Fessenheim in Frankreich lieferte Not-Strom für Deutschland, das seine Stilllegung einfordert.

Stromausfall ante portas
Verschollen im energiepolitischen Dreieck
An ihre Stelle sollen zukünftig, so die Bundesnetzagentur, uralte Ölkraftwerke die Versorgung garantieren. Abgesehen davon, dass es ökologischer Wahnsinn ist, wertvolles Öl in Kraftwerken zu verheizen – diese Kraftwerke stehen seit 40 Jahren still. Die hochsensiblen Anlagen und das Material der riesigen Kessel werden durch Temperaturunterschiede spröde und buchstäblich mürbe, die erfahrenen Bedienmannschaften sind längst in Rente. Niemand kann sicherstellen, dass jemals wieder Strom produzieren können. Das ist wirklich die Reserve für das allerletzte Gefecht. Dafür werden funktionsfähige Anlagen stillgelegt?

Mehr noch: Alle diese Anlagen in Kern- und Kohlekraftwerken mit dem Todeskreuz   haben Generationen mit riesigen, über 100 Tonnen schweren Schwungrädern. Fällt die sie antreibende Dampfturbine aus, laufen diese Schwungräder weiter und sorgen für kurze Zeit für Stabilität im Netz – eine wertvolle Zeitreserve, bis andere Kraftwerke anfahren und Stromeinspeisen können. Das waren bevorzugt Kernkraftwerke, die auf Knopfdruck ihre Stromproduktion variieren können; mit Kohle geht es schon langsamer. Gaskraftwerke sind noch schneller – aber es gibt sie nicht. Windkraftwerke können das nicht, sie bleiben einfach stehen und zwar sofort. Sie können nicht einmal nach einem Blackout Strom liefern – sie brauchen ihrerseits Strom, um überhaupt in den Wind zu kommen. Jetzt sollen sie mit Batterien und Dieselmotoren nachgerüstet werden: Ohne Diesel kein Windstrom – ein Witz. Statt Atom jetzt also Diesel.

Republik der Kommissare

Fachleute sind entsetzt. Aber in Deutschland entscheiden Kommissionen und Kommissare. In der Kohlekomission sitzen 24 Vertreter, davon zunächst Abgesandte von grünen Anti-Kohle-Bürgerinitiativen aus den Revieren, deren Lebensziel nicht Sachlichkeit, sondern Stilllegung der Tagebaue ist. Dazu kommen Umweltgruppen, jede Menge Politiker und ein paar Vertreter von Gewerkschaften und Wirtschaft. Damit ist vorgezeichnet was passiert; man kennt das aus der „Ehtikkommission“ zur Beendigung der Kernenergie: Viel Traum, noch mehr Moral, kaum Sachverstand. In den Medien werden die radikalsten Pläne gefeiert werden – den Ton hat der Grünen-Toni Hofreiter schon vorgesehen: Ohne Kohleausstieg versinkt Norddeutschland bis weit nach Niedersachsen im Meer.

Teurer Fehler
Noch mehr Milliarden für die Energiewende
Kohle, steht heute für rund 36 Prozent der Stromerzeugung und demnächst, wenn die letzten Kernkraftwerke vom Netz gehen, für 100 Prozent der gesicherten Grundlast – also den Strom, der produziert wird, wenn der Wind steht und die Sonne sich hinter Wolken oder gar dem Horizont versteckt, was sie sich bekanntlich nicht ausreden läßt.

Die Notfallpläne der Behörden für den Blackout allerdings reichen gerade für drei Tage. Dann sind die Tanks der Notstrom-Diesel leer, und Deutschland torkelt in die Steinzeit. Aber Deutschland ist glücklich. Denn eine weitere Merkel-Kommission hat entschieden, dass es auch ohne Strom gehen kann. Planwirtschaft pur eben, man kennt das ja.