Tichys Einblick
Niedersachsen-Wahl und ein Verlierer:

Den Zurückruderer Friedrich Merz will niemand sehen

Rot-Grün gewinnt in Niedersachsen. Trotz der schlechten Bilanz von Rot-Grün plus Anhang im Bund. Doch die CDU kann davon nicht profitieren. Auch weil niemand das Zurückrudern ihres Vorsitzenden Friedrich Merz sehen will.

IMAGO / Emmanuele Contini

28 Prozent. Das ist momentan das Maß aller Dinge. Darüber kommt die CDU im Bund in den Umfragen nicht hinaus. Da kann die Republik Robert Habeck (Grüne) zuschauen, wie der Minister anhand der „Gasumlage“ öffentlich Wirtschaft lernt. Oder Kanzler OIaf Scholz (SPD) behaupten, er könne sich an Details nicht erinnern, wenn es um seine mögliche Verstrickung in einen Steuerskandal geht. Oder die FDP das Ende aller Corona-Maßnahmen versprechen und die „strengsten Regeln in Europa“ einführen. Alles egal. Über 28 Prozent kommt die CDU in Umfragen derzeit nicht hinaus.

Prognose um 18 Uhr:
Rot-Grün gewinnt Wahl in Niedersachsen
Und da ist dann noch die CSU mit im Boot, die ihre Schwesternpartei leicht nach oben zieht. Ohne sie reicht es nicht mal zu 28 Prozent. So wie laut der zweiten Hochrechnung in Niedersachsen. Auch wenn das Ergebnis noch schlechter gewesen wäre, wenn sich Friedrich Merz nicht so stark im niedersächsischen Wahlkampf engagiert hätte. Das sagt zumindest Carsten Linnemann im ZDF. Er ist stellvertretender Parteivorsitzender und kann jeden Bekanntheitsgrad gebrauchen – deswegen nimmt er die undankbare Aufgabe an, die Niederlage öffentlich zu erklären.

Etwa 6 Prozentpunkte verloren. Ausgehend von einem historisch mittelmäßigen Ergebnis holt die CDU in Niedersachsen um die 28 Prozent. Um das einzuordnen: Vor knapp 20 Jahren schaffte die CDU unter Christian Wulff noch 48,3 Prozent, 1982 waren es unter Ernst Albrecht sogar 50,7 Prozent. Seine Tochter Ursula von der Leyen (CDU) ist Präsident der Europäischen Kommission. Aber das war im Wahlkampf kein Faktor.

Der Kandidat war ein Faktor. Ein negativer Faktor für die CDU. Bernd Althusmann kam im wichtigen persönlichen Vergleich nur auf 26 Prozent Unterstützung der Wähler, sein Kontrahent und Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) auf 55 Prozent. Ein Unterschied von knapp 30 Prozent in der Umfrage ist nur schwer aufzuholen. Althusmann war Wirtschaftsminister. Das kann ein Nachteil sein, weil ein Kandidat als Regierungsmitglied Beißhemmungen hat. Das kann aber auch ein Vorteil sein: Anke Rehlinger (SPD) hat es in diesem Frühjahr aus dem gleichen Amt heraus in die saarländische Staatskanzlei geschafft. Bundesweit dürfte der Name Althusmann nicht mehr oft fallen, wenn die Woche vorbei ist. Als Landesvorsitzender der CDU tritt er nicht mehr an.

Hat also Linnemann recht? Wäre das Ergebnis schlechter ausgefallen, hätte sich Merz weniger engagiert? Fakt ist, dass ein Wahlkampf mit Landesthemen wenig Sinn macht, wenn ein Kandidat so unpopulär ist wie Althusmann. Deswegen war es grundsätzlich richtig, auf Bundesthemen zu setzen. Zumal es im Bund derzeit um nicht mehr und nicht weniger als die Überlebensfähigkeit der deutschen Wirtschaft geht. Ein Heimspiel für die CDU. Das Heimspiel für die CDU.

Er wird es nicht
Friedrich Merz hat sich schon selbst verschlissen
Früher. Unter Helmut Kohl. Oder Konrad Adenauer. Und natürlich unter Ludwig Erhard. Doch Friedrich Merz? Eigentlich ist der Blackrock-Mann dafür wie gebaut. War er nicht der Mann, der Steuererklärungen wollte, die auf einen Bierdeckel passen? Ein aktuelles Thema. Immer noch. In 16 Jahren Angela Merkel (CDU) hat der bürokratische Aufwand für Unternehmen massiv zugenommen. Wer in Deutschland einen Betrieb eröffnet, dem erklärt die Verwaltung unmittelbar danach den Papierkrieg. Doch Merz will von diesem Thema nichts mehr wissen. Merz segelt nur mit dem Wind. Liegt ein Thema nicht im Trend, greift der CDU-Chef es nicht auf.

Im September hatte die CDU ihren Parteitag: Ukraine-Krieg. Inflation. Versorgungs-Unsicherheit. Das alles stand im Raum. Und was macht Merz als Thema zum Schwerpunkt? Eine Frauenquote. Ein parteiinternes Thema. Am Ende kommt eine Lösung raus, die so kompliziert ist, dass sie auf keinen Bierdeckel passt. Bevor die CDU künftig Kandidaten aufstellt, muss sie ausgiebig prüfen, ob deren Geschlechtsteile für das Amt geeignet sind.

Den Grünen zugetane Medien wie ARD, ZDF und Süddeutsche Zeitung schenkten Merz für die Quote ein wenig Wärme – vergaßen kurz, dass er für sie sonst der politische Antichrist ist. Doch Wärme ist teuer geworden in Deutschland. Merz zahlt mit 28 Prozent, über die er nicht hinauskommt. Egal wie schlecht die Rot-Grüne-Anhängsel-Regierung im Bundestag performt: Die CDU kann davon kaum profitieren.

Kommt es zum Schwur, rudert Merz so schnell zurück, dass ihm jeder Olympiasieg sicher wäre. Wenn diese Sportart irgendwer sehen wollte. Ein Treffen mit einem konservativen, jüdischen Journalisten, das grüne Journalisten und ARD-Politiker kritisieren? Sagt er ab. Kritik an zu wenig geprüften Sozialleistungen für Ukraine-Flüchtlinge, die grüne Journalisten und ARD-Politiker kritisieren. Nimmt er zurück, entschuldigt sich halbherzig für verletzte Gefühle.

Merz setzt nur so viele Signale gegen die Ampel, dass sie unter dem Radar der Grünen und ihres journalistischen Arms durchgehen. So will er Kanzler werden. Am liebsten an der Seite der Grünen. Doch das wird nur klappen, wenn er eine Konstellation findet, in der 28 Prozent dafür reichen. Im nächsten Jahr wird in Bremen und Bayern gewählt. Echte Gewinnerwahlen werden das nicht für Merz. In Bremen ist für die CDU kaum etwas zu holen. Und in Bayern wäre ein Scheitern auch ein Scheitern Merz‘ – aber ein Erfolg ausschließlich ein Erfolg von Ministerpräsident Markus Söder (CSU).

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