Tichys Einblick
"Bürgernähe" für 0,7 Millionen Euro

Nicht nur ein neuer Adler: Bundesverfassungsgericht vervielfacht seine Öffentlichkeitsarbeit

Der neue Adler als Hoheitszeichen ist nur die auffälligste Spitze der gesteigerten Ausgaben des Bundesverfassungsgerichts. Das Gericht wird allein die Aufwendungen für seine Selbstdarstellung mehr als verdreifachen.

Der alte Bundesadler des Bundesverfassungsgerichts

IMAGO / Political-Moments
Das Bundesverfassungsgericht erhebt den Anspruch, „den Bürgerinnen und Bürgern die Tätigkeit des Gerichts noch näher zu bringen und ihnen den Zugang zum Gericht sowie seinen Entscheidungen und sonstigen Tätigkeiten weiter zu erleichtern“. Diesen Zweck verfolge es, so das Gericht in einer Pressemitteilung, „mit einem neuen Erscheinungsbild“.

Das auffälligste daran ist ein umgestalteter Adler als Hoheitszeichen. Wie und warum der diesem Zweck dienen soll, bleibt allerdings schleierhaft. Der bisherige entsprach weitestgehend dem Bundesadler der meisten anderen Bundesbehörden (erster hatte fünf, letzterer sechs Federn pro Schwinge). Er ziert schon seit der Weimarer Republik (1928) Millionen Ausweise und Dokumente – und zeigte, im Gegensatz zur „fetten Henne“ des Bundestages die strenge Würde, die ein staatliches Hoheitszeichen zu zeigen hat. Der neue des Verfassungsgerichts ist nun auch nicht radikal anders (weiterhin fünf Federn) und ähnelt durchaus dem alten.

Der neue Adler des Bundesverfassungsgerichts, Screenshot/bundesverfassungsgericht.de

Klar: Jede Website muss ab und an renoviert werden, und „ein modernes, klares und besonders gut lesbares Schriftbild“ sollte sowieso selbstverständlich sein. Bei journalistischen oder sonstigen kommerziellen Angebote ist das ein Gebot des Wettbewerbs. Aber in welchem Wettbewerb steht das Bundesverfassungsgericht?  Warum braucht ein Verfassungsgericht ein „corporate design“ (so die Pressemitteilung), obwohl es bekanntlich kein Unternehmen ist, das irgendetwas verkauft und auch keine politische Vereinigung oder Partei, die um Unterstützung von Wählern werben müsste. Oder wollen die Richter etwa in eine Art Wettbewerb mit Bundestag und Bundesregierung eintreten, weil Journalisten nicht oft genug aus Karlsruhe berichten? 

Das neue Erscheinungsbild habe den Zweck, „die Bürgernähe der Tätigkeit des Gerichts noch weiter zu erhöhen“. Aber was soll das wohl konkret bedeuten? Soll der neue Adler mit dem geschlossenen Schnabel etwa die Bürger und Institutionen Deutschlands dazu animieren, mehr Beschwerden und Klagen einzureichen? Oder weniger? Oder nimmt man sich vielleicht einfach ein Beispiel an den Bundesministerien, die die Lust an der Beschäftigung von Öffentlichkeitsarbeitern (also nach höherem Verdienst suchenden Journalisten) für sich entdeckt haben?

Das Gericht, das den Bürgern dank des neuen Erscheinungsbildes noch näher kommen zu wollen behauptet, bemüht übrigens, wie die Welt berichtet, seit Amtsantritt des Merkel-Vertrauten Stephan Harbarth als Präsident eine wachsende Schar von privaten Anwälten, um Presseauskunftsklagen abzuwenden. Da wäre also schon mal eine günstige Möglichkeit, mehr Nähe zuzulassen und dabei noch Geld zu sparen. Man tut lieber das Gegenteil und bedient sich aus der Bundeskasse: Wie die Welt auf eine Anfrage hin erfuhr, „sind bislang Kosten in Höhe von 9.894,39 Euro entstanden“, die Gesamtkosten für die Konzeption und Entwicklung eines neuen Erscheinungsbilds belaufen sich auf 84.622 Euro. 

Allerdings ist das nur die Spitze eines Eisberges an Öffentlichkeitsarbeit, den sich das Gericht in diesem Jahr auf Steuerzahlerkosten gönnt. Der Bundesrechnungshof schreibt: „Eine deutliche Ausgabensteigerung erwartet das Bundesverfassungsgericht bei den Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit (Kapitel 1911 Titel 542 01). Im Haushalt 2023 sind hierfür Ausgaben von 0,7 Mio. Euro enthalten, 0,5 Mio. Euro mehr als im Haushalt 2022. Auf der Grundlage eines im Jahr 2020 erarbeiteten neuen Gundsatzkonzeptes (sic) plant das Bundesverfassungsgericht, seine Medienpräsenz zu erweitern. Neben den zu überarbeitenden Informationsfilmen sollen Kurzfilme auf verschiedenen Internet-Plattformen und bei Besucherführungen und Veranstaltungen präsentiert werden. Außerdem soll die Homepage des Bundesverfassungsgerichts überarbeitet werden. Im Haushalt 2022 sind für die Umsetzung der geplanten Projekte Verpflichtungsermächtigungen von rund 0,7 Mio. Euro veranschlagt.“ 

Wenn das Gericht den Bürgern wirklich etwas Gutes tun wollte, könnte es mit den anderen Bundesbehörden weniger durch teure Äußerlichkeiten als vielmehr durch Sparsamkeit konkurrieren. Aber daran gibt es in Karlsruhe offenkundig kein Interesse: Der Haushaltsplan des Bundesverfassungsgerichts für 2023 ist im Vergleich zum Vorjahr um 12,8 Prozent auf 40,5 Millionen gestiegen. Für 2023 sind dort 40,5 Millionen Euro eingestellt – ein Plus von 12,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 

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