Tichys Einblick
Netzwerkdurchsetzungsgesetz

Die Netz-Denunzianten blühen auf

In Deutschland steigt die Zahl der Denunziationen über soziale Netzwerke sprunghaft. Es sind nur „wenige Personen“, aber die tun es immer öfter. Offenbar sehen sich einige Nutzer als eine Art Netz-Hilfs-Polizei.

In diesem Jahr sind die Beschwerden über angeblich rechtswidrige Inhalte in sozialen Netzwerken sprunghaft angestiegen. Das zeigen aktuelle Daten des Bundesamtes für Justiz (BfJ), die dem Handelsblatt vorliegen. Demnach verzeichnete das Amt mit Stand zum 12. Dezember 2022 einen Eingang von 1.513 Beschwerden.

„Hierbei handelt es sich um die seit dem Inkrafttreten des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) am 1. Oktober 2017 höchste Anzahl an beim BfJ eingegangenen Meldungen“, teilte die Behörde mit. Im Vergleich zum Vorjahr haben sich die Beschwerden fast verfünffacht: 2021 gingen insgesamt nur 319 Beschwerden zu rechtswidrigen Inhalten beim Bundesamt ein. Auch bei Twitter, das Ende Oktober von Unternehmer und Milliardär Elon Musk übernommen wurde, ist laut BfJ ein „erhöhtes Meldeaufkommen“ zu verzeichnen.

Die entscheidende Erklärung zum Verständnis liefert das Amt auch: Nach „hiesiger“ Einschätzung sei die Verfünffachung der Beschwerden im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass „wenige Einzelpersonen zahlreiche Einzelbeschwerden“ eingelegt haben. Naheliegend ist also die Vermutung, dass diejenigen, die von Kritikern bisweilen als „#Twitterpolizei“ verstanden werden, angesichts des Eigentümerwechsels bei Twitter und der damit einhergehenden veränderten Unternehmenspolitik den Druck auf dessen neuen Eigentümer erhöhen wollen. Viele Nutzer, die politisch eher in der Mitte des Spektrums und rechts davon einzuordnen sind, berichten über eine Zunahme ihrer Follower-Zahlen seit Musks Übernahme. Womöglich ist dort eben tatsächlich ein sogenannter Shadow-Ban, also eine implizite Reichweitendrosselung für bestimmte Ansichten, aufgehoben worden.

Dazu passt, dass die Vorsitzende des Digitalausschusses im Bundestag, die Grünen-Abgeordnete Tabea Rößner, die Explosion der Denunziationen für eine gute Nachricht hält: „Das NetzDG funktioniert und wird angewandt, auch wenn die erhöhten Zahlen auf den ersten Blick unerfreulich erscheinen“, sagte Rößner dem Handelsblatt. Die Behörde selbst machte ähnlich diplomatisch klar, was sie von Musk hält: „Das BfJ überwacht die möglichen Auswirkungen der aktuellen Unternehmensentwicklung bei Twitter auf das dortige Beschwerdemanagement.“

(Mit Material von dts)

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