Tichys Einblick
Zum Tod von Prinz Philip

Antiautoritärer Geist an der Seite der Queen: Keiner war wie der Herzog von Edinburgh

Der Prinzgemahl der britischen Königin war derjenige, der dem steifen Ritual die Prise Pfeffer hinzufügte. Sie verliert mit dem heute kurz vor seinem 100. Geburtstag Verstorbenen eine Stütze. Die Briten und der Rest der Welt verlieren mit Prinz Philip einen großen politisch Unkorrekten.

IMAGO / ZUMA Wire

Ich hätte gern an seinem hundertsten Geburtstag am 10. Juni das Glas auf ihn gehoben. Wie Millionen andere Menschen auch. Vielleicht hat er sich deshalb vorzeitig aus dem Staub gemacht, der Duke of Edinburgh, das würde zu ihm passen. Mit Adoration konnte er wenig anfangen, zumal sie seiner Frau gebührte. 

Was nun? Was ist die Queen ohne ihn? Er war ihr treuester Diener, der Mann an ihrer Seite, der wohl am besten wusste, was die Krone für sie bedeutete: eine Bürde. Ein Klotz am Bein. Eine fordernde Pflicht, die sie ergeben absolvierte. Er war derjenige, der dem steifen Ritual die Prise Pfeffer hinzufügte, die eine jahrhundertealte Inszenierung braucht, er war der weltliche Anker, der Mann, der kein Fettnäpfchen ausließ, mal aus bübischem Spaß am Spiel, mal durchaus maliziös. Dabei war das eine Kunst, die Übung erforderte: „Dontopedalogy is the science of opening your mouth and putting your foot in it, which I’ve practised for many years.“ 

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Es ist nicht überliefert, ob Bundeskanzler Helmut Kohl es komisch fand, als der Duke 1997 „Guten Tag, Herr Reichskanzler“ zu ihm sagte. Der geschichtskundige Kanzler könnte honoriert haben, dass der Prince offenbar über historische Bildung verfügte. Seine Antwort bei einem Bankett, als man ihm deutschen Wein rühmte – „I don’t care what kind it is, just get me a beer“ – wiederum wäre bei der Begrüßung von Gerhard Schröder genau die richtige Ansprache gewesen, der war kein Historiker.

Philips Sottisen lockerten das höfische Schauspiel auf, das war die Brücke zum Volk, das harte Kost und Monty Python gewohnt ist. 

Der Duke verstand etwas von britischem Humor – dabei war er gar kein geborener Brite. Und standesgemäß war er auch nicht, der Prinz aus Griechenland, ein Habenichts, ohne Heimat und Königreich. Ein Wikinger, mit dänischem Vater und deutscher Mutter. Elizabeths Mutter bedachte ihn mit dem Epitaph „Hunne“ – so nannte man die Deutschen, wenn man unfreundlich sein wollte. Egal. Elizabeth setzte ihren Willen durch, die beiden heirateten 1947 und hätten gewiss mehr als vier gute und unbeschwerte Jahre miteinander gehabt, wenn nicht Edward VIII. die Krone der Liebe zu einer geschiedenen Amerikanerin geopfert hätte. Elizabeth hat ihm nie verziehen, dass deshalb ihr Vater das ungeliebte Amt des Königs übernehmen musste, George VI., der schon 1952 starb und damit die Regentschaft seiner Tochter überließ. 

Das junge Paar hatte sich das Leben gewiss anders vorgestellt. Schon als 13jährige soll sich Elizabeth in Philip verliebt haben, einen verdammt gutaussehenden Marineoffizier, der eine große Karriere vor sich hatte, die er nun, als Queen’s Consort, beenden musste. Seither ging er zwei Schritte hinter seiner Frau. 

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74 Jahre Ehe und Pflichterfüllung unter erschwerten Bedingungen, das muss man schon durchhalten. Allen Verächtern der erblichen Monarchie sei an dieser Stelle zugerufen: Sie verbindet die Gegenwart mit der Vergangenheit. Die Erblichkeit hat zwar nicht notwendigerweise auch die Befähigung zur Folge, wie man hier und da beobachten kann, doch ihr großer Vorteil ist genau das: Die Postenbesetzung ist wenigstens kein Spielball der Politik, wo man gern verdiente Parteigenossen auf der Karriereleiter nach oben fallen lässt. Die royale Rolle verlangt weit mehr „Haltung“ als ein moralisierender Grüßaugust aufbringen muss, der sich Bundespräsident nennt. Ich fürchte, der materielle Reichtum ist nicht für alles eine Entschädigung. 

Man kann getrost mutmaßen, dass seine Rolle als enfant terrible für den Duke ein Ausgleich war für den Verzicht auf eigene Ziele. Man kann ebenfalls mutmaßen, dass die Queen das Spiel stets mitspielte: Philip unterlief das Statuarische, das sie sich auferlegt hatte, er war der antiautoritäre Geist, der Kobold, der die Inszenierung immer wieder durchbrach. Auch fremde Völker haben seine feinfühlige Art zu schätzen gelernt: „Wenn es vier Beine hat und kein Stuhl ist, zwei Flügel hat und fliegt, aber kein Flugzeug ist, wenn es schwimmt, ohne ein U-Boot zu sein, werden die Kantonesen es essen.“ Sein Wort zu Kannibalismus? Eine prima Lösung für das Problem der Überbevölkerung.

Ich habe vor einigen Jahren zwei Stuhlreihen hinter der Queen gesessen, bei „Trooping the Color“, einer alljährlichen Aufführung der königlichen Household Division zu Ehren ihres Geburtstags. Prince Philip war leider nicht dabei, nur eine gut aufgelegte Queen, die zwischen zwei Herren mit Schwanenfedern am Helm saß und sich königlich amüsierte. Wer Bilder von ihr und ihrem Mann aus den letzten Jahren in Erinnerung hat, ahnt, dass beide über dieselben Witze lachen konnten. Und zwar gerade über die schlechten.

Godspeed, Philip, Duke of Edinburgh. 

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