Tichys Einblick

Nach Votum für Mitglieder-Entscheidung: „Team-Lösung“ in der CDU wahrscheinlich

Diesmal soll das Parteivolk bestimmen, wer neuer Vorsitzender wird. Das macht die Lage nicht einfacher: am wahrscheinlichsten ist, dass niemand allein die Last schultern will.

IMAGO / Emmanuele Contini

Nach dem deutlichen Votum der CDU-Kreisvorsitzenden am Samstag, die Mitglieder über die künftige Parteiführung entscheiden zu lassen, führen nach Informationen von TE alle Aspiranten auf eine Führungsposition zurzeit Gespräche und sondieren ihre Chancen. Diejenigen, auf denen die größte Hoffnung vieler Mitglieder für einen Wiederaufstieg der Partei liegt – Friedrich Merz und der Vorsitzender der Unions-Mittelstandsvereinigung Carsten Linnemann – haben sich allerdings noch nicht entschieden, ob sie für den Vorsitz antreten.

Im Fall von Merz, der bisher schon zweimal bei dem Versuch scheiterte, den Parteivorsitz zu übernehmen, spricht vor allem die kühle Reaktion auf dem Deutschlandtag der „Jungen Union“ gegen einen erfolgreichen dritten Versuch: Die meisten Delegierten machten deutlich, dass sie den 65-jährigen Politiker zwar schätzen, sich aber einen Jüngeren an der Parteispitze wünschen. Denn derjenige, der es jetzt an die Parteispitze schafft, sollte in spätestens vier Jahren möglichst auch als Kanzlerkandidat antreten können. Sollte Merz trotzdem noch einmal kandidieren und sich durchsetzen – er gehört in den Umfragen nach wie vor zu den Aussichtsreichen in der CDU – dann wäre er von vornherein ein Interimsvorsitzender mit der Aufgabe, die Chancen für einen anderen Kandidaten bis zur nächsten Bundestagswahl zu verbessern. Bisher gibt es nur einen anderen Politiker, dem Merz inhaltlich so nahesteht, dass er ihn unterstützen würde: Carsten Linnemann.

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Eine Partei im Wachkoma
Nach der Einschätzung von Unionspolitikern wird Norbert Röttgen mit großer Sicherheit kandidieren. Auch Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus gehört zum Kreis der möglichen Kandidaten. Kaum Chancen werden dagegen Noch-Gesundheitsminister Jens Spahn zugerechnet. Grund ist der dramatische Ansehensverlust des Politikers in Partei und Öffentlichkeit, nicht zuletzt durch die Affäre um die Maskenbeschaffung durch sein Ministerium, verbunden mit der Bevorzugung bestimmter Lieferanten. Nach einer Umfrage von Civey vom 28. Oktober würden es nur 6,3 Prozent der Befragten auf jeden Fall und 8,9 Prozent „eher“ begrüßen, wenn Spahn den Parteivorsitz übernimmt – 53,8 Prozent stimmten allerdings mit „auf keinen Fall“ ab, weitere 16,5 Prozent mit „eher nein“.

Als sehr unwahrscheinlich gilt es allerdings, dass Partei- und Fraktionsvorsitz in eine Hand fallen – obwohl diese Lösung strategisch für die zerrüttete Partei die beste wäre, um wenigstens in der Rolle des Oppositionsführers wieder Schlagkraft zu gewinnen. „Am wahrscheinlichsten ist eine Teamlösung“, meint einer der möglichen Kandidaten. Diejenigen, die sich zur Kandidatur um den Vorsitz entschließen, würden also wahrscheinlich auch mit einem Besetzungsvorschlag für den künftigen Generalsekretärsposten in den parteiinternen Wahlkampf ziehen.

Am kommenden Dienstag will der CDU-Bundesvorstand das Prozedere der Vorsitzenden-Kür festlegen. Danach müssen alle möglichen Kandidaten aus der Deckung kommen – entweder mit einer eigenen Bewerbung – oder als Unterstützer.

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