Tichys Einblick
Protest der Bauern und Spediteure

„Aus Berlin kommt außer heißer Luft nichts!“

Auch in München Proteste. Auf der Theresienwiese fuhren 1.800 LKW auf, um gegen die Ampel-Politik zu demonstrieren. Auch an markigen Worten ließ man es nicht mangeln: Die Bürger sind wütend.

Tichys Einblick / Noemi Johler

Auf der Theresienwiese konnte sich am 12.01.2024 die Mama Bavaria ein Spektakel ansehen, das München so noch nicht gesehen hat – und es war kein Oktoberfest. In Hülle und Fülle erschienen laut Veranstalter 3.500 Unterstützer des Transportlogistikgewerbes mit bis zu 1.800 Lkw. Die Leute demonstrieren gegen die Politik der Ampel-Regierung und wollen endlich gehört werden.

Der Protest der Landwirte, Handwerker und Spediteure rollt weiter durch Deutschland. Bereits im Spätsommer des letzten Jahres haben in Wiesbaden, Osnabrück und weiteren Städten Spediteure gegen die Lkw-Mauterhöhung am 01.12.2023 demonstriert. Wegen der fehlenden Reaktion der Ampel-Regierung und motiviert durch die Bauernproteste hat der Landesverband bayrischer Transport- und Logistikunternehmen (LBT) e.V. und der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung Süd (BGL) e.V. die Demonstration auf der Theresienwiese initiiert. Sie haben auch die Proteste der Landwirte im Dezember unterstützt, weswegen unter anderem einige Traktoren zwischen den Trucks und Kranen auf der Theresienwiese anzutreffen waren. Auf dem Weg zur Kundgebung unter der Bavaria konnten allerlei Schilder, die ihren Unmut gegen die Ampel-Politik ausdrückten, bestaunt werden. Dieser Unmut zeichnet sich jedoch zu diesem Moment noch nicht auf den Gesichtern der Menschen aus. Sie sind freundlich und haben ein fröhliches Beisammensein. Das ändert sich mit dem Beginn der Kundgebung um 11:30 Uhr. Kein gutes Haar wurde der Bundesregierung auf der Bühne, wie auch im Publikum gelassen.

„Sinnbild für die Unverschämtheit und Arroganz der Bundesregierung“

LBT-Vizepräsident Christian Huber unterstrich, dass diese Demonstration nicht mit denen der „Letzten Generation“ gleichzusetzen sei. Dieser Protest sei „fair, demokratisch und respektvoll“ und soll zum Ausdruck bringen, dass es den Betrieben „reicht“ und dass es „so nicht weitergeht“. Er verlangte die Rücknahme der Lkw-Mauterhöhung, welche mit der CO2-Abgabe auf den Diesel eine Doppelbelastung für Unternehmen darstelle und zudem an den Endverbraucher weitergegeben werde. Die Lkw-Mauterhöhung, welche die Umlagerung auf Schiene mitfinanzieren soll, tituliert er als „Sinnbild für die Unverschämtheit und Arroganz der Bundesregierung“. Doch damit hat er noch nicht mit der Bundesregierung abgeschlossen. Dass ein Drittel der Fahrleistung bis 2030 im Straßengüterverkehr elektrisch sein soll, ist ein Ziel der Klimawende – über dieses können die Protestierende nur lachen. Im Jahr 2024 sind „weniger als 0,06 Prozent“ Lkws auf den Straßen elektrisch und somit mautfrei. Huber fügt hinzu, dass ein E-Lkw das Dreifache kostet und die Förderungen von bis zu 80 Prozent bereits ausgeschöpft sind.

Was die Versprechungen der Politik gelten, erfahren die Bürger immer wieder an anderer Stelle. Wer der Aufforderung zum CO2-Sparen gefolgt ist und einen Diesel-PKW fährt, der kann möglicherweise nicht in die Innenstädte fahren, mangels Umweltplakette. Alte Benzin-Stinker haben dieses Problem nicht. Ähnliches müssen Bürger erleben, die ihre Heizung von Öl auf Gas umgestellt haben; Nun sollen sie wieder umstellen auf Wärmepumpe. LKW, die mit Erdgas fahren, mussten bisher keine Luftverschmutzungs-Maut bezahlen, die Diesel-LKW betrifft. Damit sollten Logistikunternehmen zum Wechsel motiviert werden: Auch das ist seit dem 01.01. vorbei. Die Unternehmen haben nun die vollen Mautkosten und höhere Anschaffungskosten zu tragen.

„Wenn man sich vorstellt, wie viele in der Bundesregierung arbeiten – mehr oder weniger“

Die nachfolgenden Redner der Kundgebung haben mit ihrer Kritik an der Ampel-Politik viel Beifall und Zustimmung erhalten. Und auch der ein oder andere Witz auf Kosten der verfehlten Politik der Bundesregierung brachte die Demonstrierenden zum Lachen. „Wenn man sich vorstellt, wie viele in der Bundesregierung arbeiten – mehr oder weniger“. Doch es wurde auch ernsthaft an die Bevölkerung appelliert, dass sich die „Grundeinstellung ändern muss – ansonsten kann es keine erfolgreiche Zukunft geben“. Stefan Böhme, Präsident des Verbands der Bayerischen Entsorgungsunternehmen, fügte hinzu, dass Deutschland einen „Bürokratie-Tsunami“ erleidet und Berlin endlich bessere Politik machen sollte. „Deutschland hat kein Einnahmeproblem, sondern ein Ausgabenproblem – und vielleicht sollte man [Bundesregierung] mal an sich selber sparen“ so Böhme. Mit einem letzten Seitenhieb verlässt er die Bühne: „Macht bessere Politik – für den Müll sind wir zuständig!“.

„Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt“

Unter den acht Rednern befanden sich auch drei Vertreter der Bayrischen Staatsregierung. Der Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU), welcher die Politik der Ampel-Regierung aufs höchste kritisiert, war als Stellvertretung von Markus Söder angereist. Auch er erntete – wenn auch verhaltenen – Applaus aus dem Publikum. Bernreiter verurteilte die Entscheidungen der Regierung als ideologisch und forderte Entscheidungen anhand von Fakten. „Die Pippi-Langstrumpf-Politik ‚Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt‘ hat hier nichts zu suchen.“ Jedoch konnte man im Publikum den ein oder anderen misstrauischen Blick in Richtung Bühne beobachten. Unter CSU-Verkehrsministern wurden LKW-Maut, CO2-Preise und ähnliche Belastungen erst eingeführt. Dass Bernreiter nicht ausgebut wird – ist es vergesslichkeit der Demonstranten oder Bayrischer Pragmatismus? Die CSU kann doch immer wieder in Bayern bei den Wählern punkten, obwohl Markus Söder in Berlin die Politik von Angela Merkel mittrug und sogar übertrumpfte. Eine Kehrtwende in der Migrationspolitik forcierte er nicht, aber er drohte 2011 mit seinem Rücktritt, sollte Merkel nicht sofort den finalen Atomausstieg beschließen. Das Ergebnis ist bekannt.

„Verkehrswende wird zum Verkehrsende“

Der nächste Vertreter der Bayrischen Staatsregierung wurde gefeiert wie ein Rockstar. „Hubsii“ grölt es aus der Menge und der stellvertretende Ministerpräsident von Bayern, Hubert Aiwanger von den Freien Wählern, betritt die Bühne. Unter tosendem Applaus regnet es weiter Kritik an der Ampel-Politik. Aiwanger befürwortet die Umstellung auf Wasserstoff-Technologie, aber aus Berlin kommt da „außer heißer Luft“ nichts. Die Bundesregierung habe „mit einer Erbse den Esel überladen. Es kommt immer wieder eine dazu, aber irgendwann geht auch der größte Lastesel in die Knie und sagt ‚Leck mich am Arsch, ich mag nimmer.“

Buhrufe, Pfiffe und Hupkonzert

Mit dem nächsten Auftritt wechselte die Stimmung plötzlich. Buhrufe, Pfiffe und ein Hupkonzert begleitet die kurze Rede des Grünen-Politikers Dieter Janecek, stellvertretendes Mitglied im Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages. Pünktlich zu dessen Auftritt fahren weitere Traktoren auf die Theresienwiese. LBT-Hauptgeschäftsführer Stephan Doppelhammer versuchte die Menge zu beruhigen und bat um eine demokratische Demonstration – doch das Publikum ließ sich nicht besänftigen und auch der Hinweis „Wir haben eine Klimakrise“ konnte die Wut nicht zum Schweigen bringen.

„Wir haben keine andere Wahl“

Auch Johann Ettengruber lässt sich mit zehn seiner Trucks auf der Theresienwiese blicken. Das ist das erste Mal in seinem Leben, dass er an einer Demonstration teilnimmt. Doch der Unmut über die Politik der Bundesregierung hat ihn schließlich dazu bewogen. Als stolzer Unternehmer, der den Betrieb von seinem Vater übernommen hat und seit 40 Jahren im Geschäft ist, steht er vor einer unsicheren Zukunft. Seine 21-jährige Tochter hat ihre Ausbildung bei der MAN Truck & Bus Deutschland GmbH abgeschlossen und möchte gerne in seine Fußstapfen treten. Doch Ettengruber zögert: „Mit der Politik der Bundesregierung hat man keine Planungssicherheit für die Zukunft“. Außerdem gibt es kaum noch jemanden, der diesen Job macht, „ein Lkw-Führerschein kostet 8000 Euro. Eine Investition, die sich heutzutage kaum jemand leisten kann.“ Ettengruber kann nicht mehr garantieren, dass seine Mitarbeiter einen sicheren Arbeitsplatz behalten. „Wir sprechen hier von Familienvätern, die ihren Arbeitsplatz verlieren“, betont er.

Die Politik wird von Ettengruber und anderen Transportunternehmen für ihre Entscheidungen kritisiert, die möglicherweise das Aus für viele Betriebe bedeuten könnten. „Wir müssen uns mit einer enormen Bürokratie auseinandersetzen. Diese Statistiken kann genauso gut ein Lehrling ausfüllen, da sie niemand kontrolliert. Aber wenn wir diese Bürokratie nicht mitmachen, erhalten wir Strafandrohungen.“ erklärt er frustriert.

Ein weiterer Demonstrant gesellt sich dazu und bringt es auf den Punkt: „Wir haben keine andere Wahl. Die Kosten müssen wir an den Endverbraucher weitergeben. Ansonsten gehen wir pleite.“ Auf Nachfrage, ob die Medienberichterstattung ihre Sicht korrekt darstellt, kommt ein klares „Nein!“ Ähnlich sehen es auch andere Teilnehmer „Wir demonstrieren demokratisch und wir haben das Gefühl, dass auch die Polizei hinter uns steht.“ betonen sie nachdrücklich.

Nach der Kundgebung beginnt die Karawane sich von Neuem zu formieren. Es geht weiter und das werden noch lange nicht die letzten Bilder von ihnen sein. Auf der nächsten Demonstration am 18.01.2024 werden Landwirte, Spediteure und Handwerker vereint nach Berlin rollen. Diesmal nicht mit der Unterstützung der Bavaria, aber allen voran die Siegesgöttin Victoria mit ihrem Streitwagen.