Tichys Einblick
Zehntausende auf den Straßen

Montags-Spaziergänger buhen Merz, Wüst, Söder & Co. aus

Am Montag beteiligten sich wieder Zehntausende an den „Spaziergängen“. Bei einem Wahlkampfauftritt in Olpe schlug Wüst, Söder und Merz die Wut der Demonstranten entgegen - sie reagieren gereizt. Kurz vor der Wahl in NRW ist die Stimmung angespannt.

IMAGO / Kay-Helge Hercher

Auch diesen Montag beteiligten sich Zehntausende an „Montagsspaziergängen“. Die Teilnehmerzahlen dürften die zweite Woche in Folge wieder gestiegen sein.
In Nürnberg versammelten sich letzte Woche nach Angaben der Initiative „Team Menschenrechte Nürnberg“ um die 2.000 Personen. Diese Woche dürften ähnlich viele Bürger an der Demonstration „für Grundrechte, Frieden, Freiheit, Demokratie und Zusammenhalt gegen Faschismus und Ausgrenzung“ teilgenommen haben. Die Kritik an der Corona-Politik dominiert nach wie vor das Demonstrationsgeschehen. Ein Versammlungsteilnehmer plakatierte: „Nur in einer zutiefst kranken Gesellschaft müssen Ungeimpfte beweisen, dass sie gesund sind“.

Auch der Krieg in der Ukraine spielt bei den Protesten eine immer größere Rolle. „Wer Frieden will, liefert keine Waffen“ stand auf einem Transparent. Der Protest bildete ein breites politisches Spektrum ab. Es waren Fahnen der „Freien Linken“ und der „echten Antifa“ zu sehen.

Unter dem Motto „Frieden ist Freiheit – Unterfranken steht auf“ riefen die „Freiheitsboten Würzburg“ und die Initiative „Eltern stehen auf“ am 1. Mai zum Protest in Würzburg auf. Rund 1.500 Bürger folgten dem Aufruf. Die Demonstranten forderten „das Ende aller Corona-Maßnahmen“, „die Abschaffung der Impfpflicht“ und „die Wiederherstellung aller Grundrechte“. In der Innenstadt zelebrierten die Teilnehmer lautstark den isländischen „Huh“-Ruf. Oliver Oppawsky, Sprecher der „Freiheitsboten“, erklärt im Gespräch mit dem BR, dass es trotzt des Scheiterns der allgemeinen Impfpflicht keine Entwarnung gebe. Im Herbst, so befürchtet er, könne das Spiel von vorne losgehen. Mitglieder der Grünen Jugend, der Jusos, der Antifa und der „Omas gegen rechts“ wollten sich Verschwörungstheorien und Antisemitismus entgegenstellen und organisierten einen Gegenprotest.

Um die 1.000 Teilnehmer dürften sich in Köln versammelt haben. Polizeiangaben liegen jedoch nicht vor. In Gera nahmen nach Teilnehmerangaben knapp 2.000 und damit mehr als am vergangenen Wochenende an dem Protest teil. Die Demonstranten versammelten sich hinter dem Slogan „Miteinanderstadt Gera“.

Bei den Demonstrationen in Ostdeutschland spielte der Ukraine-Krieg eine wesentlich größere Rolle als in den alten Bundesländern. Neben zahlreichen Thüringen-, und Deutschland-Flaggen waren an diesem Montag vermehrt Russland-Fahnen zu sehen. In Einem Tunnel sangen einige der Versammlungsteilnehmer sogar „Die Internationale“.

In Chemnitz wurde der „Spaziergang“ letzte Woche verboten, stattgefunden hatte er aber trotzdem. Diesen Montag soll es dann zu Polizeischikanen gekommen sein. Ein Video zeigt Rangeleien und Schubsereien. In einem weiteren Video auf dem Telegramkanal der „Freien Sachsen“, ist ein Mann in einem Hinterhof zu sehen, der umringt von Beamten minutenlang auf dem Boden liegt. Zuvor soll er von der Polizei in diesen Hinterhof verschleppt worden sein. Das sächsische Innenministerium erklärte vor einigen Wochen, dass von den Corona-Demonstranten eine geringe Gewaltbereitschaft ausgehe. In den allermeisten Fällen würden Anzeigen nur wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz aufgenommen. Die genauen Vorgänge in Chemnitz sind jedoch nicht bekannt.

Diesen Montag haben in Bautzen nach Teilnehmerangaben 1.500 Bürger an dem Demonstrationsaufzug teilgenommen. Auch hier haben sich somit mehr Personen als vergangene Woche an dem Protest beteiligt. Vergangenen Freitag wurde der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer bei der Feier zum 800. Jubiläum der Cunewalder Dorfkirche (Nähe Bautzen) mit einem Trillerpfeifenkonzert empfangen.

Kretschmer ist aber bei weitem nicht der einzige Verantwortungsträger, dem die Wut der Bürger entgegenschlägt. Öffentliche Auftritte von Spitzenpolitikern werden von massiven Protesten begleitet. Im Netz ist oft zu lesen, dass viele Politiker nun ernten würden, was sie gesät haben. Viele Bürger fühlen sich von der Regierung ignoriert und haben das Vertrauen in das politische Personal völlig verloren. Nach zahlreichen Windungen in der Corona-Politik, der ewigen Debatte um die Impfpflicht und der Ausgrenzung durch die 2G-Regel, werden Rücktritte gefordert.

Am 2. Mai schlug dann einem Unions-Trio bestehend aus Hendrik Wüst, Friedrich Merz und Markus Söder bei einem Wahlkampfauftritt in Olpe der Protest der Bürger entgegen. Demonstranten plakatierten: „Ihr seid keine Volksvertreter“ oder „keine digitale ID“. „Zur Demokratie gehört auch Meinungsfreiheit !?!“ war auf einem anderen Transparent zu lesen. Die Demonstranten skandierten den isländische „Huh“-Ruf und „Lügner“.

NRW-Ministerpräsident Wüst ging auf die Gegendemonstranten nicht weiter ein und bemerkte lediglich, dass zur Demokratie auch die Meinungsfreiheit gehöre. Zu seiner künftigen Corona-Politik erklärte er: „Was immer im Herbst oder Winter mit Corona passiert, die Schulen müssen offenbleiben. Wir dürfen nie wieder die Schulen schließen und die Kneipen geöffnet lassen – das ist auch eine Lehre aus der Pandemie.“
Friedrich Merz geht dafür umso mehr auf die Demonstranten los. „Vielleicht kommen Sie mal auf den Gedanken, Ihren Kehlkopf aus- und Ihren Kopf anzuschalten“, entgegnet er den Protestierenden. Und weiter: „In Moskau wären Sie längst von der Sicherheitspolizei abgeführt worden“. Als es kurzfristig zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen Demonstranten und Zuhörern kommt, entgegnet Merz: „Sehen Sie. Das ist genau die Konsequenz dessen, was wir hier erleben: Der rhetorischen Gewalt, der Art und Weise wie hier demonstriert und geschrien wird, folgt die gewalttätige Auseinandersetzung mit denen, die anderer Meinung sind.“

Markus Söder sagt: „Wer viel redet, ist ein Redner, wer viel läuft, ein Läufer, wer viel fährt, ein Fahrer.“ Später fordert er: „Seien Sie still und lassen Sie die anderen ordentlich zuhören. Das gehört zum Anstand in der Demokratie dazu.“ Dann spottet der bayrische Ministerpräsident, dass die Demonstranten eigentlich von der Arbeit und nicht von der Demo erschöpft sein sollten.

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