Tichys Einblick
Völlig abgehoben: Kanzleramt über den Wolken

Milliardenpreis für neue Politikertransporter der Flugbereitschaft

Die Regierungsflieger vom Typ A350, die nach der Pannenserie der Flugbereitschaft bestellt wurden, sind abwegig teuer. Dafür greift der Bundestag tief in die Taschen der Steuerzahler. Die Presse hat daran nichts auszusetzen. Es ginge viel günstiger.

Heiko Maas

imago images / photothek

Die sparsame schwäbische Hausfrau hat den Platz am Kabinettstisch von Kanzlerin Merkel längst verlassen, sollte sie überhaupt jemals dort gesessen haben. Seit Covid-19 darf sowieso nicht mehr gespart werden, das könnte ja die Wirtschaftsleistung schmälern. Vom ausgeglichenen Haushalt ist die Bundesregierung so weit entfernt wie lange nicht. Die schwarze Null ist Geschichte, eine vorübergehende Episode – gespeist aus ehedem sprudelnden Steuereinnahmen. Künftigen Generationen hinterlassen wir eine schwer versalzene Suppe.

Nun holen den arg gebeutelten Steuerzahler zudem Entscheidungen ein, die in Zeiten des vermeintlichen Überflusses getroffen wurden. Von drei bestellten A350-Regierungsfliegern steht inzwischen der erste vor der Auslieferung. Zwei weitere sollen 2022 folgen. Das Neueste und Modernste war und ist anscheinend gerade gut genug; hochglanzpoliert und ein paar Prozent umweltfreundlicher als die beiden Vorgängermodelle Airbus A340, die nach bald 20 Jahren bei der Flugbereitschaft der Bundeswehr ausgemustert werden.

Passagierflugzeuge mit Goldstandard

Eine Pannenserie wurde zum Anlass genommen, den Flugzeugpark der Flugbereitschaft schrittweise zu erneuern. Der verpasste G20-Gipfel in Buenos Aires gab den letzten Anstoß; die Kanzlerin konnte im November 2018 wegen einer Flugzeugpanne ihren Platz im Kreis der Mächtigen nicht einnehmen. Den Kauf der neuen Maschinen billigte der Bundestag im April 2019, es wurde gleich richtig zugeschlagen. Der Finanzierungsbedarf für die drei Airbus A350 der Flugbereitschaft beträgt rund 1,2 Milliarden Euro. Enthalten sind in den eintausendzweihundert Millionen die Beschaffung der Flugzeuge, die Ausrüstung samt Kabinen und sogar ein Raketenabwehrsystem. 

Es mutet höchst befremdlich an, worüber in zahlreichen Medien in diesem Zusammenhang berichtet wird. Ist es die Milliardenausgabe für drei nobelste Politiktransporter, oder das anderweitige Fehlen des Geldes in Anbetracht der Haushaltslage? Weit gefehlt. Die Welt schwärmt beispielsweise in der Titelzeile von einem neuen „Styleguide“ – in den Merkels Regierungsflieger umlackiert werden soll.

Die Medien vernebeln

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Ausführlich wird berichtet, dass die zwei weiteren A350 von Anfang an in leicht geänderter Optik geliefert werden sollen, als wäre dies die Meldung des Tages. Detailgenau wird hervorgehoben, dass die Änderungen am Erscheinungsbild der deutschen Airbus-Regierungsflieger weniger radikal ausfallen würden als an den neuen Air Force One-Dampfern des US-Präsidenten. Diese erhalten demnach eine Lackierung in weiss, rot und blau statt der bisher hellblauen Farbe. Bestimmt hoch interessante Informationen für deutsche Leser! Nachdem auch noch verkündet wird, dass die beiden US-Präsidentenflugzeuge einen Preis von 3,9 Milliarden US-Dollar haben und damit noch teurer sind als die deutschen Politikerschleudern wird klar, was der Zweck des Artikels ist: Regierungspropaganda in Reinkultur. Es werden nicht die 400 Millionen Euro für ein deutsches Regierungsflugzeug problematisiert, sondern die noch höheren Ausgaben der Amerikaner. Sich zum Sprachrohr der Mächtigen machen, anstatt deren Maßlosigkeit zu kritisieren. Ein merkwürdiges Selbstverständnis. Vielleicht spekuliert die Journalie aber auch auf noble Ausflüge über den Globus in Begleitung von Regierungsdelegationen. Dabei dürfen üblicherweise handverlesene Berichterstatter mit an Bord. Nach welchen Kriterien die wohl ausgewählt werden?

Es gäbe aber noch ganz andere Lösungsmöglichkeiten, Politikerflüge zu organisieren, und zwar zu einem Bruchteil der Kosten. Anstatt die strukturellen Probleme mit sündteurem neuem Fluggerät zu überdecken, könnte man diese Aufgabe denen anvertrauen, deren tägliches Geschäft der Personentransport ist: einer zivilen Fluggesellschaft.

Das Problem

Eine Rückblende: Das wirtschaftsstärkste Land Europas leistete sich in den letzten Jahren weltweit wirkende Peinlichkeiten dergestalt, dass Kanzlerin, Bundespräsident und Minister infolge von reihenweise ausfallenden Flugzeugen der Flugbereitschaft nur mit tagelangen Verzögerungen ans Ziel gebracht werden konnten. Ursachen waren teils Ausfälle von Flugzeugkomponenten, oder auch mal Nager, die sich in Afrika an Bord geschlichen hatten und den Geschmack von Kabelbäumen testeten. Die Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung, wie sie in Langform heißt, hat nicht den Flugzeugpark einer großen Fluggesellschaft, um von jetzt auf gleich eine defekte Maschine ersetzen zu können. In einigen Fällen wurde vorbeugend eine zweite Maschine samt Besatzung mitgeschickt, um befürchteten Ausfällen vorzubeugen. Der Irrsinn wurde damit auf die Spitze getrieben, Geld und Umweltbelastung spielen allen Bekundungen zum Trotz offensichtlich keine Rolle.

Ein Grundproblem ist, dass die Bundeswehrflieger nicht die Flugstunden aufzuweisen haben, wie Flugzeuge ziviler Fluggesellschaften im Dauereinsatz. Diese sind oft mehrmals täglich in der Luft. Zumindest galt dies, bevor das Virus zugeschlagen hat, es wird auch wieder so kommen. Dafür sorgt allein schon der Konkurrenzdruck auf diesem Sektor. Und Flugzeuge, die nicht oder nur wenig fliegen, haben höhere Ausfallraten, sie sind pro Flugstunde nicht zuletzt entsprechend teurer. Autobesitzer wissen davon ein Lied zu singen: ein wenig bewegtes Fahrzeug bleibt eher mal liegen als ein regelmäßig gefahrenes.

Neue Flugzeuge oder neuer Lösungsansatz?

Was also tun, um die zweifellos vorhandenen Probleme zu lösen? Mehr und noch teurere Flugzeuge anschaffen, noch mehr Besatzungen ausbilden und vorhalten für den Fall des Falles? Es gibt einen besseren Weg:

Eine konsequente Lösung wäre, die eigene Flugbereitschaft aufzugeben und den Lufttransport von Politikern einer zivilen Fluggesellschaft zu übertragen. Deren Flieger sind in der Zivilluftfahrt im Dauereinsatz bewährt, wenn nicht werden sie ausgetauscht. Damit wären alle geschilderten Probleme mit einem Schlag so klein, wie sie überall gelegentlich auftreten können. Technik hat bekanntlich so ihre Tücken. Der Flugzeugpark z.B. der Lufthansa wie auch die Verfügbarkeit von fliegendem Personal wären groß genug, um bei Ausfällen Reserven nachschieben zu können. Sie beherrscht genau das aus dem FF, was die Flugbereitschaft immer wieder vor nur schwer lösbare Aufgaben stellt. Das Potential ziviler Fluggesellschaften wird auch nach der Pandemie groß genug sein, um derartige Aufgabe mit zu erledigen.

Deutsche und Franzosen im Clinch
Dem neuen Kampfflugzeug droht der Strömungsabriss schon vor dem ersten Start
Ein Bereitstellungsvertrag mit einer Fluggesellschaft böte mit einem Schlag eine Lösung, ohne dass milliardenschwere Investitionen getätigt werden müssten. Für eine Kanzlermaschine mit besonderer Ausstattung müsste man einen Weg der Finanzierung finden. Warum sollte diese Maschine aber nicht auch von Wirtschaftsbossen angemietet werden können? Die Sicherheitsprobleme, die dies zweifellos aufwerfen würde, wären lösbar. Aber was ist mit dem Prestige und der Aufschrift BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND auf dem Rumpf der Maschinen? Womöglich käme diese Frage nicht sehr überzeugend aus der Ecke, die deutsche Sportler international mit „GERMANY“ auf der Brust auflaufen lassen. Würde diese Frage ernsthaft Flugzeugbauern gestellt, gäbe es binnen kurzem eine Lösung.

Die Vorteile für Politikerreisen wie auch zivile Truppentransporte, die die Flugbereitschaft mit durchführt, wären immens:

  • Es stünde stets modernes Fluggerät zur Verfügung.
  • Bei Ausfällen wären Ersatzmaschinen und Besatzungen je nach vertraglicher Regelung verfügbar.
  • Dem Steuerzahler könnten Milliardenausgaben erspart werden für neue Maschinen wie auch für technisches und fliegendes Personal der Luftwaffe.
Lufthansa als Alternative

Für militärische Truppen- und Materialtransporte in Einsatzgebiete steht weiterhin der A400M zur Verfügung. Vom heutigen Portfolio der Flugbereitschaft müssten lediglich die rein militärisch benötigten Teile wie medizinische Flugrettung und Luftbetankung in der Luftwaffe verbleiben. Ein entsprechender Vorschlag liegt jedenfalls seit dem letzten Jahr auf dem Tisch. Siehe Nicht einmal bedingt abwehrbereit – Die Bundeswehr zwischen Elitetruppe und Reformruine, FinanzBuch Verlag 2019

Wie wahrscheinlich eine derartige Lösung ist? Wir leben in einem Land, in dem sich die Alternativlosigkeiten scheinbar endlos aneinanderreihen. Dem ist aber nicht so. Selbstverständlich könnte man diesen Weg gehen, der beispielsweise der Lufthansa in diesen schwierigen Zeiten ein weiteres Standbein verschaffen würde. Immerhin ist der Staat schon mal mit Milliarden eingestiegen. Das politische Berlin scheint aber inzwischen abgehoben wie die Führung manches Dritte-Welt-Landes. Und Teile der Medien bellen wie Schoßhündchen, anstatt ihrer eigentlichen Aufgabe nachzukommen. Wie dem auch sei, die sparsame schwäbische Hausfrau wird am Kabinettstisch künftig Platz nehmen müssen. Dafür werden allein die Folgen der Pandemie sorgen.

Anzeige