Tichys Einblick
Corona-Debatte

Merkel im Bundestag: Einschüchterung und Angstmache statt Konzepten

Wenn es stimmt, wie Merkel sagt, dass der Kollaps des Gesundheitssystems drohe, dann müssen sofort Ideen her, wie man reagieren wird, wenn die getroffenen Maßnahmen nicht wirken. Doch leider Fehlanzeige!

picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Der 1989 von Terroristen ermordete Deutsche Bank-Chef Alfred Herrhausen prägte einen für alle Zeiten gültigen Satz: „Die größten Probleme entstehen immer dann, wenn ein Gedanke nicht konsequent zu Ende gedacht wurde“. Diesen nicht so seltenen Fehler begeht gerade die Frau, die zwar nicht die mächtigste der Welt ist, wie manche bar jeder Kenntnis behaupten, aber mit Sicherheit die Mächtigste dieser Republik. Gebetsmühlenartig hat Bundeskanzlerin Merkel auch jetzt wieder in ihrer Regierungserklärung im Bundestag die Notwendigkeit der Corona-Bestimmungen mit der Begründung beschworen, dass bei einem weiteren Anstieg der Infektionsrate der Zusammenbruch unseres Gesundheitssystems bevorstehe.

Dabei fällt einem unwillkürlich die martialische Drohung ein: „Friss oder stirb!“. Entweder es wird das gemacht, was ich sage – eben weil es ohne Alternative ist – oder die Welt geht unter. Für eine Staatsführerin ist ein solches Gerede ihres Amtes unwürdig und im Kern voller Verachtung für ihre Untertanen. Offensichtlich ist sich Merkel der Bedeutung ihrer Worte nicht mehr bewusst. Denn, man stelle sich vor, ungeachtet aller Bemühungen verfangen ihre Anti-Corona-Strategien nicht und die Zahlen steigen weiter. Was sollen die Menschen dann tun? Vielleicht sich das Leben nehmen? In Alkohol und Drogen verfallen? Werden vielleicht manche in Amokläufen den letzten Ausweg sehen? Wer Menschen derart die Hoffnung nimmt, dem sind die Menschen gleichgültig geworden.

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Was fehlt, ist tatsächlich eine Strategie, die auch einen Plan B kennt, vielleicht auch einen Plan C und D. Wer nicht so denkt, hat den Anspruch auf Führung verloren. Ausgerechnet der Grüne Anton Hofreiter hat das auf den Punkt gebracht und die Lösung gleich mitgeliefert. Zum ersten Mal in der Geschichte des Bundestages hat der Führer einer Oppositionsfraktion seinem Counterpart der größten Regierungsfraktion das gemeinsame Erarbeiten einer durchdachten Strategie vorgeschlagen, weil die Regierung diese Arbeit einfach nicht leistet oder nicht leisten kann. Normalerweise wäre die Konsequenz ein Rücktritt der Regierung Merkel.

Die Lage ist wirklich ernst! Allzu oft dient diese Beschreibung der Zuspitzung oder der Polemik. Doch diesmal trifft sie leider zu. Wenn ein Gesundheitssystem kollabieren kann, müssen verdammt noch mal sofort Ideen her, wie man im Falle eines Falles reagieren wird. Doch leider Fehlanzeige!

Noch etwas anderes zeigte sich gestern. Die Sprache ist bekanntermaßen entlarvend. Fast beiläufig entfuhr Angela Merkel in Erläuterung der Beschlüsse des – nennen wir ihn einfach „Alldeutschen Rates“, denn im Grundgesetz ist ein solches Beschlussgremium aus Ministerpräsidenten und ihr nicht vorgesehen – die Bemerkung: „Die Ansage, die wir gestern gemacht haben.“ Das Wort „Ansage“ entstammt dem Funktionärsvokabular der SED-Diktatur. „Wenn sie den Aufforderungen der Volkspolizei nicht sofort folgen, verpassen wir ihnen eine dicke Ansage.“ Diese Ankündigung von Gewalt gehörte zum Standard-Vokabular von VoPo und Stasi. In der Demokratie hat dieses Wort nichts zu suchen, ebenso wenig wie die Vokabel „durchstellen“ für die Umsetzung der Befehle von oben. Gelernt ist eben gelernt.

Die Abgeordneten des Bundestages haben in den sitzungsfreien Wochen im Gegensatz zur Kanzlerin immer wieder Kontakt mit den Bürgern. Angela Merkel bekommt im Kreis ihrer Schmeichler in der Blase der Macht nicht mit, welches Missbehagen sich da langsam ausbreitet.

Aus Mainz wurde vor ein paar Tagen berichtet, dass bei der Anmeldung von Kundgebungen eine Rednerliste nebst zugehöriger Texte gefordert wurde. Man darf davon ausgehen, dass dies nicht aus Langeweile geschah, sondern in sensorischer Absicht, um gegebenenfalls ein Verbot auszusprechen. Man kann da nur empfehlen, sich einmal bei den alten Kämpfern der Staatssicherheit zu informieren. Derartiges spornt immer nur an und weckt Kreativität. Was geschieht denn beispielsweise dann, wenn von den gleichen Leuten eine öffentliche Lesung des Grimm’schen Märchens „Rotkäppchen und der Wolf“ oder der Geschichte von „Max und Moritz“ von Wilhelm Busch angemeldet würde? Zumindest ein bundesweites Lachen könnten die Antragsteller als Erfolg verbuchen.

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