Tichys Einblick
Liz Truss am Ende

Das schnelle Ende der kürzesten Regierung Großbritanniens

Liz Truss wird als die am kürzesten regierende Premierministerin in die Geschichte des Vereinigten Königreichs eingehen. Parteikollegen sprechen von einem „inszenierten Putsch“. Von Jonas Kürsch

Liz Truss nach der Bekanntgabe ihres Rücktritts in London, 20.10.2022

IMAGO / ZUMA Wire

Nach gerade einmal 6 Wochen im Amt gab die britische Premierministerin Liz Truss heute ihren Rücktritt von der britischen Regierungsspitze bekannt. Sie erklärte, dass sie ursprünglich mit der Vision ins Amt gewählt worden sei, durch starke Steuersenkungen ein hohes Wirtschaftswachstum zu generieren. Diesem Mandat habe sie nicht gerecht werden können.

Das Kabinett Truss stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Schon zu Beginn ihrer kurzen Amtszeit sah sich die scheidende Premierministerin mit einer ersten nationalen Katastrophe konfrontiert: Nur einen Tag nach ihrer Ernennung war die Queen im Alter von 96 Jahren verstorben. Im Rückblick erscheint das Ableben der Monarchin fast schon wie ein düsteres Omen.

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Der vom ehemaligen Finanzminister Kwarteng angekündigte Mini-Haushalt, die Pläne zur massiven Steuersenkung und Truss’ Versprechen, durch Deregulierung das Wirtschaftswachstum in Großbritannien voranzutreiben, wurden vom ersten Tage an medial zerrissen. Infolge von sinkenden Umfragewerten wurde die Regierungschefin massiv von namhaften Abgeordneten angegriffen. Um einer parteiinternen Revolte zu entgehen, versuchte sie die Partei mit einer 180-Grad-Wende zu beschwichtigen und ersetzte Kwarteng durch Jeremy Hunt, einem ihrer ärgsten Kritiker. Der neue Finanzminister strich kurzerhand ihre Steuerpläne und das Sparbudget, womit er dem Wirtschafts- und Finanzprogramm der Premierministerin de facto den Todesstoß versetzte.

Im eigenen Lager führte dieser Personalwechsel zu großer Frustration. Auch konservative Hardliner wandten sich enttäuscht von der Premierministerin ab, zuletzt die Innenministerin Suella Braverman, welche erst gestern Abend ihren Rücktritt eingereicht hatte. Sie begründete diesen Schritt unter anderem auch mit eigenen Fehlern, stellte aber klar, dass sie vor allem über die vielen Abweichungen vom konservativen Wahlprogramm nicht länger hinwegsehen wolle, unter anderem im Hinblick auf die Bekämpfung illegaler Migration. Zwar ersetzte Truss die Innenministerin schnell mit Grant Shapps, einem weiteren parteiinternen Kritiker, doch letztlich war es für die Premierministerin unmöglich geworden, die Regierungsgeschäfte in diesem Chaos zu leiten.

Der erzkonservative Parteiflügel hatte zuvor bereits großes Entsetzen über den Umgang mit der Premierministerin geäußert. Die zurückgetretene Innenministerin warf den Zentristen gar einen „inszenierten Putsch“ vor. Darüber hatte Braverman sich besonders enttäuscht gezeigt. Es ist noch unklar, ob es nach diesen Entwicklungen zu Neuwahlen in Großbritannien kommen wird, im Moment gilt dies jedoch als unwahrscheinlich. Die Tories haben bereits angekündigt, in den kommenden Wochen einen neuen Premierminister aus ihren eigenen Reihen wählen zu wollen. Wer genau das sein könnte, bleibt vorerst ungewiss.

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