Tichys Einblick
Medien und Politiker waren vorab informiert

Nur eine PR-Show oder Gefährdung von Polizisten bei der Reichsbürger-Razzia?

Ein Staatsstreich wird niedergeschlagen, und die deutsche Presse ist mit einem Massenaufgebot von Fotografen und TV-Kameras dabei? Offenbar wussten zahlreiche Politiker und Medien schon im Vorhinein von der Razzia gegen die Reichsbürger. So gefährlich kann es ja dann doch nicht gewesen sein. Oder wurde leichtfertig gehandelt?

dts Nachrichtenagentur

„Mit dem größten Anti-Terroreinsatz unserer Geschichte wurde ein Staatsstreich verhindert,“ dröhnt die SPD. Man muss sich diese Worte auf der Zunge zergehen lassen. wie geht man mit diesem „größten Anti-Terroreinsatz unserer Geschichte“ um? Lassen wir DIE LINKE zu Wort kommen.

Wenn es so gefährlich war, ist reden noch gefährlicher

Martina Renner, Innenpolitikerin der Linken, hat die Informationsstrategie des Innenministeriums rund um den Einsatz gegen die mutmaßliche Reichsbürger-Terrorgruppe um Prinz Heinrich XIII. scharf kritisiert. Die Informationen über die bevorstehenden Razzien seien im Vorfeld so breit gestreut worden, dass dies die Beschuldigten gewarnt und die Sicherheitskräfte gefährdet habe, sagte sie der Nachrichtenseite von ntv. „Ich selbst wusste seit Mitte letzter Woche bereits davon und weiß außerdem von mehreren Medien, die schon seit zwei Wochen Kenntnis hatten“, sagte Renner.

An diesem Wort der Linken zeigt sich, wie makaber das Geschehen war: Ein Putsch wird niedergeschlagen, und die Presse weiß schon vorher von der großen Staatsaktion? Und dann sind es eine Handvoll Putschisten, die kaum gehen können und eher einen Rollator fahren als einen Putsch-Panzer. 25 meist ältere Herrschaften stürzen die Republik, die darüber auch noch genau Bescheid weiß? Was in den Schlagzeilen aufgebauscht wird, ist erkennbar eine Farce. Schon vom Zahlenverhältnis. 25 Wirrköpfe stürzen eine Republik – das klingt eher nach Bauerntheater. Wenn es aber kein Bauerntheater war, ist ein Dienstvergehen zu beklagen, denn dann darf man die Einsatzpläne nicht an Redaktionen durchgeben. Dann ist Reden gefährlich. Also, und nun?

Denn dabei seien selbst Details des Einsatzes schon vor Tagen durchgesickert oder gestreut worden, sagt Renner, um die besondere Verwegenheit der Staatsaktion zu betonen. „Es waren die Namen der Beschuldigten bekannt, ihre Adresse und der geplante Zeitpunkt des Zugriffs.“ Dabei hätte der Generalbundesanwalt die Aktion als geheim eingestuft. Ein Geheimnis also, das mit Pressebegleitung zelebriert wird, wirft ein seltsames Licht auf die Sicherheitsbehörden und mehr noch: auf die Journalisten. Die sich jetzt natürlich nicht selbst der Lächerlichkeit preisgeben können, sondern die Gefahr aufblasen würden, sonst wären ihre Sondersendungen ja nichts wert. Sie geben sich investigativ und fürchterlich aufgeregt, und haben nur brav ihre Rolle gespielt und nacherzählt, was man ihnen vorgesetzt hat: „Embedded Journalism“ nennt man das – Journalismus, der in den Staatsapparat eingebettet ist und von der Regierung betüttelt wird.

Indirekt hat eine WDR-Journalistin auf Twitter bestätigt, dass Medien schon vor der Razzia unterrichtet wurden.

„Es sollten also keine unbefugten Dritten davon erfahren, um die Ermittlungen nicht zu gefährden. Geheimhaltung ist aber schwierig, wenn man vorher Zielpersonen und Uhrzeiten durchgibt. Hier wurde riskiert, dass eine monatelang geplante Aktion am Ende schief geht.“

Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte erklärte, alle Personen, die per Haftbefehl gesucht wurden, seien auch festgenommen worden, niemand sei flüchtig und dies sei Beweis dafür, dass vorher nichts herausgedrungen sei. Renner überzeugt das nicht. Noch lasse sich dies ja gar nicht abschließend beantworten, sagte die Innenpolitikerin.

„Um zu beurteilen, ob die Umstürzler vorher von der Razzia wussten, wird man erst die beschlagnahmten Datenträger und weiteres Material auswerten müssen. Wenn dort in auffälliger Weise Material gelöscht wurde, Dinge verschwunden sind, dann würde das dafür sprechen, dass die mutmaßlichen Terroristen die Razzia erwartet haben“, sagte die Linken-Politikerin weiter. Damit einhergehend seien aber auch die Einsatzkräfte einer unnötigen Gefahr ausgesetzt worden. Oder war es gar keine so große Gefahr? Wusste Innenministerin Nancy Faeser um diese Inszenierung und konnte daher ruhig das Geheimnis breittreten wie Quark – weil ja nichts geschehen konnte? Waffen sollen jedenfalls nicht gefunden worden sein. Also was hat die 3.000 Polizisten bedroht? Hat Prinz Reuss mit Ohrstöpseln geworfen?

Mit Waffen aus der Tür treten

„Wer riskiert, dass die Daten über einen Zugriff bis zu dem Beschuldigten durchsickern, riskiert auch, dass der morgens vielleicht mit einer Waffe aus der Tür tritt“, so Renner. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass man bei Reichsbürgern befürchten müsse, dass sie sich gegen eine Festnahme wehren – auch mit Waffen. Einen entsprechenden Vorfall gibt es tatsächlich; beim Polizistenmord in Georgensgmünd wurde am 19. Oktober 2016 in Georgensgmünd (Bayern) ein Beamter des Spezialeinsatzkommandos Nordbayern (SEK) der Bayerischen Polizei von einem Anhänger der Reichsbürgerbewegung erschossen und drei weitere Beamte angeschossen.

Wenn es also so gefährlich war, ist Verschwiegenheit oberstes Gebot. „Insgesamt waren und sind heute 3.000 Beamte bei der Razzia im Einsatz, nicht alle davon sind Spezialkräfte. Wer immer die Daten über diesen Eingriff so offen streute, hat damit die Einsatzkräfte gefährdet.“ Renner hat auch eine Vermutung, warum das Bundesinnenministerium zahlreiche Medien im Vorfeld detailliert über die Razzien informierte. „Die Infos waren derart breit gestreut, dass es wie eine PR-Aktion wirkt.“

Also doch eine PR-Aktion?

Das könne den zuständigen Behörden und Ministerien als Arbeitsnachweis dienen. „Sie zeigt, dass die Politik nicht nur Aktionspläne gegen rechts verabschiedet, sondern gegen die Terrorgefahr auch erfolgreich vorgeht“, sagte die Innenpolitikerin. Das stehe aber mit dem Risiko, das dadurch für den Einsatz und die Einsatzkräfte entstanden ist, in absolut keinem Verhältnis.

„Terrorabwehr müssen staatliche Stellen mit höchster Sensibilität betreiben, auf keinen Fall darf sie zur Show werden“, so Renner. Aber Deutschland wurde Zeuge einer Show – oder eines Dienstversagens. Eine Show, wenn die Gefahr aufgeblasen worden ist. Ein Dienstversagen, wenn damit Journalisten vorab gefüttert worden waren. Jetzt kann sich Innenminister Nancy Faeser aussuchen, welcher Skandal ihr lieber ist.

Vielleicht hat sie sich auch schon entschieden. Sie spricht von  „gewaltsamen Umsturzfantasien und Verschwörungsideologien“. Fantasien und Ideologien mögen wirr oder dumm sein – aber sie sind noch lange kein Staatsstreich, Putsch oder Umsturz. Bleibt PR.

Mit Material von dts

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