Tichys Einblick
Echte Diskriminierung interessiert keinen

Libanon will im Land lebende Palästinenser nicht impfen – „Israelkritiker“ schweigen

Während Israel jetzt damit beginnt, palästinensische Gefangene zu impfen, und den Palästinensergebieten Unterstützung anbot, werden die seit Jahrzehnten im Libanon lebenden Palästinenser von der Regierung in Beirut massiv diskriminiert.

imago images / Hans Lucas

Israel wird häufig vorgeworfen, eine der Apartheid ähnliche Politik im Umgang mit den Palästinensern zu verfolgen. So wären diese innerhalb Israels Bürger zweiter Klasse und von staatlichen Repressalien betroffen. Dass sich Israels arabische Nachbarn derartigen Vorwürfen nie ausgesetzt sehen, verwundert ob der real existiertierenden Diskriminierung dort lebender Palästinenser – beispielsweise jetzt in der Impffrage.

So berichtet die arabische Zeitung Al-Bayan, dass die Regierung des Libanon keine Impfungen für palästinensische Bürger vorsehe, obwohl diese teilweise seit sieben Jahrzehnten in dem arabischen Land leben. Laut eigener Aussage sieht die libanesische Regierung die UNRWA – das Hilfsnetzwerk der Vereinten Nationen für sogenannte palästinensische „Flüchtlinge“ – in der Pflicht, sich um die Impfstoffbeschaffung und Verteilung in den zwölf palästinensischen Lagern zu kümmern. Auch die Gesundheitsversorgung im Land steht den Palästinensern nur sehr eingeschränkt zur Verfügung, was während der Corona-Pandemie für Unmut unter der palästinensischen Bevölkerung gesorgt hat.

Heft 02-2021
Tichys Einblick 02-2021: 2021 - Endlich wieder leben
Während in arabischen Ländern wie dem Libanon also eine de facto Zwei-Klassen-Gesellschaft herrscht, und diese Tatsache kaum in westlichen Medien Erwähnung findet, unterstützt Israel, das in der Corona-Pandemie eine weltweit gelobte Politik verfolgt, die palästinensische Bevölkerung in den von der Hamas und der PLO verwalteten Gebieten mit medizinischen Gütern und hat auch Hilfe bei der Versorgung mit Impfstoffen angeboten. Die palästinensische Autonomiebehörde lehnte jedoch derartige Angebote mit der Begründung ab, man könne die Bevölkerung eigenständig versorgen. Israelische Bürger arabischer Herkunft werden selbstverständlich bei der medizinischen Versorgung gleichbehandelt. Jüngst gab die israelische Regierung sogar bekannt, nun mit der Impfung palästinensischer Gefangener zu beginnen.

Angesichts dieser Zustände ist es doch sehr fraglich, warum in deutschen Medien in Teilen immer noch das Narrativ vorherrscht, Israel würde die Palästinenser als Bürger zweiter Klasse behandeln, während dieser Vorwurf auf die arabischen Nachbarn viel mehr zutrifft. Während Israel den palästinensischen Autonomiegebieten, von denen sie im Wochentakt mit Raketen beschossen werden, medizinische Unterstützung anbietet – die von der Palästinenserführung ausgeschlagen wird – , werden Palästinenser im Libanon diskriminiert. Palästinenser im Libanon leben teilweise seit Jahrzehnten in eingezäunten Lagern.

Wenn es den selbsternannten Israelkritikern wirklich nur um die Rechte der Palästinenser geht, warum schweigen sie dann hier? Es scheint so, als würde sich für die Palästinenser keiner interessieren, solange man sie nicht als Instrument zum Kampf gegen Israel gebrauchen kann.


Von Max Zimmermann. 

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