Tichys Einblick
Krise der Parteien

Es sind die Grünen

Haushalt, Wirtschaft, Vertrauen in Medien und Regierung ... Deutschland befindet sich in vielen Krisen, die sich begründen und bestärken. All dies lässt sich auf einen Kern zurückführen: Es sind die Grünen.

IMAGO
Was haben AfD, WerteUnion, Bündnis Deutschland und Bündnis Sahra Wagenknecht gemeinsam? Sie haben erklärt, nicht mit den Grünen koalieren zu wollen, weil sie deren Inhalte ablehnen – mehr aber noch deren Tendenz, durch Tabuisierung und Ausgrenzung den öffentlichen Dialog zu beherrschen und den Bestand sagbarer Meinungen drastisch zu verknappen. Außerdem werden diese Parteien von einem Kartell aus etablierten Parteien, Medien und Verbänden hinter eine „Brandmauer“ verbannt.

Beides hängt miteinander zusammen. Die Grünen sind in den Parlamenten ein unverzichtbarer Teil der Mehrheitsbildung geworden. Das verschafft ihnen Macht. In den Regierungen, an denen sie beteiligt sind. Aber auch in den anderen Parteien. Denn wer sich in SPD, FDP, Linke und auch CDU eindeutig gegen die Grünen positioniert, muss damit rechnen, dass er keine Karriere machen kann, wenn seine Partei mit den Grünen zusammen eine Regierung bildet.

In diese Machtposition hat Katrin Göring-Eckardt die Grünen gebracht. Als 2013 die FDP aus dem Bundestag flog, hat die damalige Fraktionsvorsitzende im Bundestag darauf gedrängt, dass die Grünen die Liberalen beerben. Inhaltlich ist das schief gegangen. Der Versuch, sich das Image der Verbots- und Vorschriftenpartei abzulegen, scheiterte kläglich. Doch machtökonomisch ist es den Grünen gelungen, die Funktion des Mehrheitsbeschaffers von der FDP zu erben. Das konnten sie, weil sich das Koordinatensystem nach links verschoben hat. Während das Machtkartell auf der rechten Seite CDU und FDP eine Koalition mit der AfD verbot, war es auf der linken Seite SPD und Grünen plötzlich erlaubt, mit den Linken zusammenzugehen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zementierte diesen Vorgang, als sie aus dem Ausland gebot, die Wahl von Thomas Kemmerich (FDP) zum thüringischen Ministerpräsidenten rückgängig zu machen – zugunsten von Bodo Ramelow (Linke).

Bei Wahlen ist Göring-Eckardt stets gescheitert. Der Bürger will sie nicht. Doch die Partei hat ihrer ehemaligen Fraktionsvorsitzenden nicht vergessen, was sie im Bereich der Machtökonomie für die Grünen geleistet hat. Deswegen haben sie Göring-Eckardt mit dem Amt der Vizepräsidentin des Bundestages abgespeist, als es nach Bildung der Ampel darum ging, Posten zu verteilen. Das Amt ist gut bezahlt, gesellschaftlich angesehen – aber politisch komplett bedeutungslos.

Dass sich die Parteien in ihren Entscheidungen nicht mehr am Wähler orientieren, ist eine Stärke. Es gibt ihnen freie Hand für Schritte, die unpopulär aber wirksam sind. Das beste Beispiel dafür ist Innenministerin Nancy Faeser (SPD). Sie ist im Oktober gnadenlos vor dem hessischen Wähler gescheitert – aber nun spielt sie Kanzler Olaf Scholz (SPD) den Bluthund gegen die AfD. Unter Innenministerin Faeser ermittelt der Inlandsgeheimdienst gegen die Opposition. Gleichzeitig veröffentlichen staatliche und staatsnahe Medien Ermittlungsergebnisse über die Opposition. Die gleichen Medien, die seit Jahren keinen Skandal der Regierung mehr aufgeklärt haben. Es ist recht offensichtlich, wie die Ampel hier ihre Macht missbraucht – das kann sie nur, weil sie sich in ihren Entscheidungen nicht mehr am Wähler orientiert.

Dass sich die Parteien in ihren Entscheidungen nicht mehr am Wähler orientieren, ist aber auch die Schwäche der Parteien. Es lässt sich sogar in einer Demokratie eine Zeitlang mit den Mitteln der Macht gegen den Willen der Mehrheit regieren. Aber nicht auf Dauer. Für vernünftige Menschen ist das ein banaler Gedanke. Für Linke nicht. Linke und ganz besonders Grüne haben ein massives Problem damit, dass Ursachen Wirkungen haben. Sie sind Theoretiker und akzeptieren nicht, dass sich Theorien anders als gedacht auswirken, wenn sie zur Praxis werden. Grüne können Bauern mit Überreglementierung das Arbeiten unmöglich machen. Sie können die Bauern mit Steuern überziehen, um Radwege in Peru zu finanzieren. Und sie können deren Protest als rechtsextrem brandmarken. Wenn sie dann aber von diesen Bauern nicht geliebt werden, stehen Grüne verständnislos daneben: Sie wollen doch nur das Beste; wieso sehen die Bauern das nicht?

Wenn Meinungsforscher die Frage stellen, welche Partei ein Bürger ausdrücklich nicht wählen würde, landet die AfD auf Platz eins. Die Grünen folgen aber auf Platz zwei, noch vor der SED-Nachfolgepartei. Wählen aber Bürger, die Grüne explizit ablehnen, Linke, SPD, FDP oder CDU, dann setzen diese Parteien den Bürgern eben diese Grünen vor die Nase. Auch übernehmen sie grüne Positionen, die in der Gesellschaft keine Mehrheit haben: Dass Kühlschränke in Kolumbien mit deutschem Geld finanziert werden sollen. Dass es unter Strafe gestellt wird, die biologische Tatsache zu äußern, dass es zwei Geschlechter gibt. Dass Deutschland sich deindustrialisiert und seinen Wohlstand aufgibt.

SPD und FDP tragen all diese Positionen in der Ampel mit. Doch die CDU stellt sich dazu nicht in Opposition. Erst jüngst bekräftigte CDU-Chef Friedrich Merz, dass er weiter eine Koalition mit den Grünen anstrebt. Wer unzufrieden ist mit der Ampel, über die mittlerweile auch das Ausland nur noch den Kopf schüttelt, der hat die Wahl: Er kann den Mann mit hoher Stirn und schlechtem Gedächtnis loswerden. Dafür kommt dann ein Mann mit hoher Stirn, der seine Positionen schneller aufgibt als ein Schnupfenkranker ein vollgerotztes Papiertaschentuch. Was für eine Wahl.

Mit dieser Wahl sind immer mehr unzufrieden. Die Parteien, die mit den Grünen koalieren, zahlen einen hohen Preis. Die FDP wandert nach zwei ein Viertel Jahren, in denen sich ihr Führungspersonal Christian Lindner und Marco Buschmann den Grünen willenlos ergeben hat, in den Bereich der „Sonstigen“ ab. Es ist schon viel Solidarität der Meinungsforscher nötig, um die FDP noch bei aufmunternden fünf Prozent zu sehen. Die Linken sind in den letzten Jahren zu den grüneren Grünen mutiert – und lösen sich gerade öffentlich auf. Und selbst die CDU zahlt einen hohen Preis. Obwohl die Ampel derart katastrophal agiert, kommt sie im Verbund mit der CSU kaum über 30 Prozent in den Umfragen. Ohne die starke bayerische Schwester droht der CDU sogar, von der AfD überholt zu werden.

Andere Parteien drängen in diese Lücken. Die Freien Wähler haben in Rheinland-Pfalz den Einzug in den Landtag geschafft; in Bayern konnten sie ihr Ergebnis aus der Regierung heraus verbessern und zweitstärkste Partei werden. Das, nachdem sie kurz vor der Wahl eine massive, journalistisch schlampig vorbereitete Kampagne ertragen mussten. Das Bündnis Deutschland, das in Bremen in der Bürgerschaft sitzt. Das Bündnis Sahra Wagenknecht, das in den Umfragen stabil bei sieben bis acht Prozent steht. Vor allem aber die AfD, die im Osten laut Umfragen stärkste Partei ist und trotz Brandmauer erste Kommunalwahlen für sich entscheiden konnte.

Die Deutschen sind mit der grünen Politik unzufrieden. Aus gutem Grund. Die Grünen schränken die Freiheit ein und verspielen den deutschen Wohlstand mit ihrer wirren Ideologie. Linke, SPD, FDP und CDU sind keine Alternative. Sie sind Steigbügelhalter der Grünen. Also kommen sie für die Wähler nicht in Frage, die grüne Politik ablehnen. Die suchen sich daher eine andere Partei und greifen zum Beispiel zu den genannten.

Für vernünftige Leute ist das ein logischer Gedanke. Wer dagegen ankämpft und keine Macht hat, der ist ein Don Quixote. Ein Ritter der traurigen Gestalt. Wer aber gegen die Logik ankämpft und Macht hat, der ist gefährlich. Der kann Oppositionelle unter fadenscheinigen Vorwänden in Untersuchungshaft wegsperren. Der kann den Geheimdienst auf Unliebsame ansetzen und die Ergebnisse über Erfüllungsgehilfen in den Medien veröffentlichen. Der kann seine Parteigänger mit absurd viel Staatsgeld füttern. Der kann mit Krokodilstränen die gesellschaftliche Spaltung beklagen, während er selbst gerade versucht, eine Mehrheit hinter der Brandmauer wegzusperren. Letztlich legt ein Mächtiger, der gegen die Logik ankämpft, die Hand an Demokratie und Rechtsstaat an. Nicht weniger droht derzeit durch die Aktivität der Wahlverliererin Faeser.

Die Grünen haben keine gesellschaftliche Mehrheit. Die gesellschaftliche Mehrheit braucht Parteien, die ihnen eine Alternative zu den Grünen anbieten. Verweigern sich Linke, SPD, FDP und CDU dieser Logik, dann sucht sich die gesellschaftliche Mehrheit eine Alternative. Die Beispiele Werteunion, Freie Wähler, Bündnis Deutschland und Bündnis Sahra Wagenknecht zeigen, dass das Kartell aus Regierungsparteien sowie staatlichen und staatsnahen Medien bereit ist, jede neue, aussichtsreiche Partei zu skandalisieren und hinter der Brandmauer wegzusperren. Wer an der Macht ist, kann versuchen, jede Opposition wegzudrücken, die eigentliche gesellschaftliche Mehrheiten vertritt – nur ist er damit bereit, Demokratie und Rechtsstaat aufzugeben. Von oben.

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