Tichys Einblick
Verlängerung im Hauruck-Verfahren

Corona-Politik samt Impfpflicht im Schatten des Krieges

Der Krieg in der Ukraine überschattet die Debatte um die Impfpflicht und die Corona-Politik in Deutschland – doch der Entscheidungsprozess läuft weiter. Manch einer könnte versucht sein, diese mediale Lage jetzt politisch auszunutzen.

IMAGO / Political-Moments

Während der russische Angriffskrieg auf die Ukraine die Schlagzeilen beherrscht, laufen die Weichenstellungen in der Corona-Politik weiter – jenseits der medialen Aufmerksamkeit. Womöglich eröffnet das der Regierung neue Möglichkeiten.

Eine Frage ist da etwa die nach dem Infektionsschutzgesetz – zum 20. März laufen zahlreiche Ermächtigungen aus, die die Grundlage für die meisten Corona-Maßnahmen von der Maskenpflicht bis zu 2G bilden. Anfang Februar hatte sich die Ministerpräsidentenrunde darauf geeinigt, dass sogenannte „Basisschutzmaßnahmen“ auch über den 20. März hinaus bestehen bleiben sollen – dafür müsste man jetzt die rechtliche Grundlage im Bundestag schaffen. Das steht schon lange fest, es wäre genug Zeit für ein geordnetes, transparentes Verfahren.

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Stattdessen will man die Verlängerung im Hauruck-Verfahren durchsetzen. Am 16. März erst soll der Antrag an den Gesundheitsausschuss überwiesen werden, am 18. März wird dann bereits im Plenum abgestimmt. Der Antrag der Ampelfraktionen wurde der Öffentlichkeit bis heute nicht vorgelegt – man weiß nicht, wie genau die Regelungen aussehen sollen. Die große Frage ist, ob lediglich die für die „Basisschutzmaßnahmen“ (Maskenpflicht etc.) notwendigen Abschnitte verlängert werden oder ob auch die Möglichkeit zu tiefergreifenden Freiheitseinschränkungen für die Bundesländer weiter bestehen bleibt.

Der Prozess läuft aktuell wieder für die Öffentlichkeit maximal intransparent – in der gegenwärtigen medialen Lage kommt man damit scheinbar besser durch.
Deutschland geht aller Voraussicht nach aber dennoch mit einigen erheblichen Freiheitseinschränkungen in den Sommer – der Frühlingsanfang wird entgegen der Versprechungen der FDP kein Freedom Day. 

Dazu kommt, dass die Abstimmung über die Frage zeitlich mit der ersten Lesung der Anträge zur Impfpflicht zusammenfällt und so abermals in den Hintergrund rückt. Diese erste Lesung findet am 17. März statt – der Bundestag debattiert hier erstmals über die verschiedenen Anträge zur Impfpflicht. Das Datum des 17. März stand aber bereits vor dem russischen Angriff auf die Ukraine fest – Vorwürfe, man plane hier sozusagen im Schatten des Krieges das Gesetz durchzupeitschen, lassen sich hier jedenfalls nicht bestätigen.

Bisher haben alle Anträge zur allgemeinen Impfpflicht keine Mehrheit. Debattiert wird über zwei Anträge von FDP, SPD und Grüne für eine Impfpflicht ab 18 bzw. ab 50 Jahren, sowie einem interfraktionellen Antrag gegen die Impfpflicht, einen Antrag der AfD gegen die Impfpflicht und einen Antrag der CDU für eine Impfpflicht „auf Vorrat“. In Parlamentskreisen wird spekuliert, dass es auf einen Kompromiss für eine Impfpflicht ab 50 Jahren hinauslaufen könnte. Der Antrag einer allgemeinen Impfpflicht hat es aktuell jedenfalls weiterhin schwer, eine Mehrheit zu finden – die Debatte ist festgefahren.

Mit dem Aufrüstungsprogramm der Bundeswehr, der Energiepolitik sowie den zahlreichen anderen Maßnahmen in Reaktion auf den Angriff auf die Ukraine, liegt der Fokus der Ampel-Koalitionen jetzt auf ganz anderen Fragen. Die Impfpflicht verliert damit auch ihre symbolische Wichtigkeit als erstes großes Vorhaben von Bundeskanzler Scholz – die ohnehin unpopulär gewordene Maßnahme jetzt zu beerdigen, wäre weitaus einfacher als noch vor wenigen Wochen.

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