Tichys Einblick
"Nicht mehr zu heilende Immunschwäche"

Karl Lauterbach rudert mit umstrittener Aussage zurück

Karl Lauterbach hat mal wieder einen rausgehauen: Häufige Corona-Infektionen führten zu einer „nicht mehr zu heilenden Immunschwäche“. Das erwies sich als Quatsch. Nun spricht er von technischen Fehlern.

IMAGO / Future Image

Karl Lauterbach (SPD) hat der Rheinischen Post ein Interview gegeben. Das erschien am Samstag. Dort stellte der Gesundheitsminister die Behauptung auf, dass Patienten nach häufigeren Corona-Infektionen mit einer „nicht mehr zu heilenden Immunschwäche“ rechnen müssten. Studien belegten das. Welche Studien das seien, gab Lauterbach nicht an.

Die Süddeutsche Zeitung greift das Thema auf. Kritisch. Die Journalistin Christina Berndt – eigentlich eine treue Pandemie-Gefährtin Lauterbachs – kritisiert in einem Meinungsbeitrag den Minister: Es fehlten wissenschaftliche Veröffentlichungen, die dessen Aussage zur „nicht mehr zu heilenden Immunschwäche“ belegen würden. Es gebe Befunde, aber die seien noch zu unreif, als dass man sie öffentlich diskutieren könne. Mit deren Interpretation solle man „sehr vorsichtig“ sein.

Der Lobbyist in Davos
Lauterbach oft der einzige Maskenträger im Raum
Zur Kritik aus den eigenen Reihen kommt breite Kritik im Netz, indem viele den Minister verspotten, der dafür bekannt ist, gerne einen rauszuhauen: An Ostern kündigte er die „absolute Killervariante“ an, die im Spätjahr 2022 kommen solle. Zwischendrin fachsimpelte er von Kloschüsseln, über die sich das Virus ausbreite. Oder kündigte im Herbst eine neue Corona-Welle für diesen Winter an. Die Inhalte einer millionenschweren Werbekampagne seines Hauses musste Lauterbach korrigieren lassen, nachdem die „Welt“ fehlerhafte Aussagen in der Kampagne nachgewiesen hatte.

Auf die Kritik an der „nicht mehr zu heilenden Immunschwäche“ reagiert Lauterbach prompt. Am Sonntagmorgen schreibt der Gesundheitsminister auf Twitter: „Es gab einen technischen Übertragungsfehler im BMG (Gesundheitsministerium).“ Korrekt hätte ihn die Rheinische Post zitieren müssen: „Studien zeigen mittlerweile sehr deutlich, dass die Betroffenen es häufig mit einer Immunschwäche zu tun haben, deren Dauer wir noch nicht kennen.“ Und dann kritisiert Lauterbach das veröffentlichte Lauterbach-Zitat: „Von unheilbarer Immunschwäche kann derzeit noch keine Rede sein.“

Damit schiebt Lauterbach den Fehler weiter: „Technischer Übertragungsfehler“. Das heißt, die Falschaussage sei irgendwo zwischen Ministerium und Zeitung entstanden, mit ihm habe das quasi nichts zu tun. Die Rheinische Post wehrt sich: Jan Drebes, der stellvertretende Leiter der Parlamentsredaktion, veröffentlicht auf Twitter das vollständige Zitat. Darin steht nicht nur die umstrittene Aussage zur „nicht mehr zu heilenden Immunschwäche“, sondern auch Ausführungen zu dieser These. Etwa: „Das kann ein Risikofaktor für die Entstehung von chronischen Erkrankungen sein, angefangen bei Herz-Kreislauf-Problemen bis hin zur Demenz.“

Drebes äußert aber den Vorbehalt, der Fehler könne tatsächlich in Lauterbachs Ministerium entstanden und das Zitat von Mitarbeitern falsch weitergeleitet worden sein. Die „nicht mehr zu heilende Immunschwäche“ sei also zufällig und gegen den Willen des Hauses ins Zitat ausgerutscht. Klingt plausibel. Jeder kennt das: Die Sekretärin ist mausgerutscht, der Hund hat die Tastatur gefressen und die Aufrichtigkeit ist nach Diktat verreist.

Spaß beiseite: Es ist Lauterbachs Methode, in den Medien zu bleiben, indem er drastische, überzogene und oft nicht haltbare Aussagen tätigt: An Ostern stand er an der öffentlichen Seitenlinie. Der Krieg hatte Corona aus den Schlagzeilen verdrängt. Also kämpfte sich Lauterbach in der Bild mit der „absoluten Killervariante“ zurück. Oft genug lassen ihn Journalisten damit durchkommen. Wenn es mal Gegenwind gibt, will es Lauterbach dann so nicht gesagt oder gemeint haben. Für die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung ist der Mann dadurch ein Problem. Und für Menschen mit Angststörungen, die er durch „absolute Killervarianten“ und „nicht mehr zu heilende Immunschwächen“ befördert, ist der Gesundheitsminister eine gesundheitliche Gefahr.

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