Tichys Einblick
Cum-Ex-Skandal in Hamburg

Die Durchsuchung bei Kahrs könnte auch für Scholz unangenehm werden 

Gestern wurden Büros und Privaträume von Politikern in Hamburg von der Staatsanwaltschaft durchsucht. Es geht um den Skandal um die Cum-Ex-Geschäfte der Warburg-Bank. Im Mittelpunkt steht der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs. Ein Gespräch darüber mit TE-Autor Tomas Spahn. 

Olaf Scholz

imago images / Future Image

Heute morgen unterhielten wir uns im TE-Wecker mit TE-Autor Thomas Spahn in Hamburg über mögliche Hintergründe und Folgen der Durchsuchung – nicht zuletzt für den SPD-Kanzlerkandidaten, Bundesfinanzminister und früheren Hamburger Ersten Bürgermeister Olaf Scholz. 

Frage: Man kann im Augenblick ja nur spekulieren. Aber was ist Kahrs für ein Mensch und was könnte er damit zu tun haben? Er ist ja ziemlich plötzlich aus seinen Ämtern ausgeschieden.

Tomas Spahn: Das ist eine gute Frage, und die Antwort darauf muss man mit großem Bedacht geben, weil er dafür bekannt ist, alles, was Sie nicht hundertprozentig nachweisen können, sofort mit entsprechenden Reaktionen abzufedern. 

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Ich formuliere es mal so: Johannes Kahrs ist seit vielen Jahren Mitglied der Hamburger SPD. Er ist dort in die Nachfolge eines des einflussreichsten Strippenziehers der Partei vom rechten SPD-Flügel gegangen, hat den Kreisverband Mitte übernommen und galt lange und in gewisser Weise auch heute noch als der einflussreichste SPD-Politiker, den die Partei in Hamburg hatte.

Er gilt als begnadeter Strippenzieher und Netzwerkebauer, auch ‚Netzwerkeausrüster‘. Das heißt, seine Leute oder die Personen, die aus seinem Dunstkreis kommen, die ihm nahestehen, sollen gezielt allüberall dort platziert worden sein, wo es ihm dienlich sein könnte. 

Wenn ich jetzt die Anschuldigungen oder die Berichte richtig verstanden habe, geht es ja offensichtlich nicht nur um Johannes Kahrs, sondern auch um einen ehemaligen SPD-Senator und eine Mitarbeiterin der Finanzverwaltung. Und ja, es ist vorstellbar, dass die Connections, dass die Netzwerke in dieser Art bestanden haben und durchaus auf dieser Ebene Interessen auch Außenstehender in irgendeiner Form eingeflossen sind.

Die Warburg Bank soll ja an den Ortsverein der SPD Hamburg-Mitte gespendet haben. Könnte es sein, dass sie sich damit in irgendeiner Weise erkenntlich zeigen wollte?

Könnte vieles. Auch da wäre ich sehr vorsichtig in der Formulierung. Lasst es mich so sagen: Warum sollte eine Privatbank ausgerechnet einer SPD-Untergliederung große Spenden zukommen lassen, wenn sie nichts davon hat?

Olaf Scholz war ja seinerzeit Hamburgs Bürgermeister und hatte sich mit dem Chef der Warburg Bank getroffen. An das Treffen erinnert er sich aber nicht mehr, wie er überhaupt ziemlich viele Gedächtnislücken hatte. Welche Rolle spielt denn Olaf Scholz?

Olaf Scholz war damals Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg. Als solcher ist er in einer Kaufmannsstadt, wie es Hamburg am Ende immer noch ist, selbstverständlich auch Ansprechpartner für führende Vertreter der Wirtschaft. Und ja, wenn mal ein führender Mann einer Privatbank, die hier in Hamburg angesiedelt ist, den Wunsch hat, mit dem Ersten Bürgermeister zu sprechen, wird sich sicherlich ein Termin finden lassen. 

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Was mich irritiert – auch wenn es selbstverständlich zum alltäglichen Geschäft eines Bürgermeisters gehört, mit Wirtschaftsvertretern zu sprechen – es irritiert mich schon, dass der Bürgermeister, der einen so wichtigen Mann aus der Wirtschaft, einen der führenden Privatbankiers bei sich zu Besuch hat, sich an dieses Gespräch überhaupt nicht mehr erinnern kann.

Mag ja sein, dass die beiden sich nur darüber ausgetauscht haben, was sie am nächsten Sonntag kochen werden oder wo sie ihren nächsten Urlaub verbringen. Aber auch da sollte sich eigentlich ein Erster Bürgermeister erinnern können, wenn er mit einer solchen bedeutenden Person aus der Wirtschaft zu tun hat.

Wenn ein ehemaliger Bürgermeister sich an ein solches Gespräch überhaupt nicht mehr erinnern kann oder vielleicht auch nicht erinnern will, schürt das natürlich schon den Verdacht, dass er sehr genau weiß, worüber gesprochen worden ist und dass er auch ganz genau weiß, dass das, worüber gesprochen ist, dann, wenn es an die Öffentlichkeit käme, nicht zu seinem Nutzen sein könnte. Also das ist dieses typische Verhalten vor Untersuchungsausschüssen: Ach, ich kann mich an nichts erinnern. Das Gegenteil beweisen kann niemand. Aber glaubwürdig ist es nicht.

Könnte sich die Durchsuchung in Hamburg jetzt auf seine Kanzlerchancen auswirken?

Das sehe ich unmittelbar noch nicht. Es hängt natürlich davon ab, ob und was dabei rauskommt. Wenn also tatsächlich sich herausstellen sollte, dass Johannes Kahrs mit seinen ohne Zweifel sehr guten Verbindungen in die SPD und in die Verwaltung aktiv daran mitgewirkt hat, dass aus der Verwaltung heraus eine Millionenforderung gegen eine Privatbank quasi vom Tisch gefegt worden ist, dann stellt sich natürlich schon die Frage: Kann so etwas stattfinden? Kann so etwas exekutiert werden, ohne dass der Senator und ohne dass der erste Vorsitzende des Senats, also der Erste Bürgermeister, davon irgendetwas mitbekommen haben können? Das kann ich mir ehrlich gesagt schwer vorstellen.

Wenn es denn so ist, dass dort eine Mitarbeiterin der Finanzverwaltung, eine führende Mitarbeiterin der Finanzverwaltung, in irgendeiner Form dabei gewesen sein soll, und dass der Vorwurf der Begünstigung der Warburg Bank in diesem Falle zutrifft, dann kann ich mir beim besten Willen – und ich habe selber in der Verwaltung eine Zeit lang gearbeitet – nicht vorstellen, dass eine führende Mitarbeiterin einer Finanzbehörde von sich aus unkontrolliert und aus eigener Vollmacht heraus eine Millionenforderung des Fiskus an eine Bank schlicht und einfach unter den Tisch legt. Wenn dem so wäre, wäre das ein eklatantes Aufsichtsversagen des zuständigen Senators und letztendlich auch des Regierenden Bürgermeisters.

Insofern ist die Frage, ob und in welcher Form Scholz hier Schaden nehmen kann, zurzeit tatsächlich nicht zu beantworten, weil wir einfach noch nicht wissen, ob und in welcher Form hier eine Begünstigung stattgefunden hat, und wer dabei involviert war.

Wenn diese Begünstigung, die seitens der zuständigen Kölner Staatsanwaltschaft unterstellt wird, tatsächlich stattgefunden hat, dann ist als nächstes die Frage zu klären: Wer davon im Senat hat es gewusst. Und wenn er es gewusst hat, warum hat er es zugelassen?

Umgekehrt: Hat er es nicht gewusst? Warum hat er es nicht gewusst? Und wie konnte es geschehen, dass so etwas ohne Wissen der Verantwortlichen passiert? Diese Fragen können wir aber im Moment leider alle noch nicht beantworten.

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