Tichys Einblick
Neue Trendstudie „Jugend in Deutschland“

Nach Lockdown: Ein Viertel der Jugendlichen berichten über Depressionen

Eine neue Studie zeigt das Ausmaß der Folgen von Corona für Jugendliche. Die Häufigkeit von Depressionen und Suizidgedanken ist auf einem besorgniserregend hohen Niveau.

IMAGO / Panthermedia

Jetzt, wo langsam wieder die Sonne rauskommt und, zumindest vorerst, auch die letzten Corona-Maßnahmen fallen, könnte man fast vergessen, wie massiv die Belastungen in den letzten zwei Jahren waren – und das insbesondere für Kinder und Jugendliche. Von heute auf morgen mussten sie auf nahezu alles verzichten, was ein normales junges Leben ausmacht: Schule, Bildung, Treffen mit ihren Freunden, Sport, Partys und was sonst noch alles dazugehört. Sie wurden sozial isoliert, ihre körperliche, psychische und geistige Entwicklung zum Teil massiv gefährdet. Statt Hoffnung, machten Politik und Medien ihnen Angst. Und wofür? Für ein Virus, das für sie selbst kaum eine ernstzunehmende Gefahr darstellte. Eine neue Studie zeigt nun deutlich, wohin das geführt hat – zu einer Jugend, die pessimistisch in die Zukunft blickt. Einer Jugend, die unter Depressionen, Stress und sogar unter Suizidgedanken leidet.

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Zu dieser erschreckenden Bilanz kam die Trendstudie „Jugend in Deutschland“ von Simon Schnetzer und Klaus Hurrelmann, die jedes halbe Jahr einen aktuellen Eindruck über den Zustand unserer Jugend geben soll. Für die neue Ausgabe wurden im März 2022 dabei über 1.000 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 14 bis 29 Jahren in einer repräsentativen Umfrage untersucht – unter anderem im Hinblick auf ihre Psyche, nach dem „Corona-Schock“. Und die Ergebnisse haben es in sich: Fast die Hälfte aller Befragten gab an, dass sich ihre psychische Gesundheit verschlechtert hat. Bei ungefähr 30 Prozent haben die Beziehung zu Freunden, der Lebensstandard und die körperliche Gesundheit gelitten. Die am häufigsten berichteten Belastungen seien Stress (45 Prozent), Antriebslosigkeit (35 Prozent) und Erschöpfung (32 Prozent). Daneben berichteten 27 Prozent, an Depressionen zu leiden – das heißt mehr als jeder vierte Befragte. 13 Prozent hatten das Gefühl von Hilflosigkeit und 7 Prozent berichteten sogar von Suizidgedanken.

Diese neuen Zahlen zeigen eindrücklich, was die Corona-Maßnahmen bei jungen Leuten angerichtet haben. Inzwischen sollte das aber leider keine Überraschung mehr sein. Denn schon seit Beginn der Corona-Zeit zeigte sich deutlich, was die soziale Isolation mit Kindern und Jugendlichen macht. Schon Mitte 2020 konnten im Rahmen der COPSY-Studie bei 31 Prozent der untersuchten 7- bis 17-Jährigen deutliche psychische Auffälligkeiten festgestellt werden – ein Plus von 13 Prozent im Vergleich zu den Referenzdaten. Und der Trend setzte sich fort: Die Zahl der Therapieanfragen stieg laut der Deutschen Psychotherapeuten-Vereinigung (DPtV) von 2020 zu 2021 um 60 Prozent. Immer wieder berichteten Ärzte, wie der Kinderarzt Dr. Jakob Maske, von „psychiatrischen Erkrankungen in einem Ausmaß, wie wir es noch nie erlebt haben“. Das führte zwischenzeitlich sogar zu einer Triage in der Kinder- und Jugendpsychiatrie – und zu einem enormen Anstieg von Suizidversuchen. Im Frühjahr 2021 waren es dreimal so viele wie in Vor-Corona-Zeiten.

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Und auch jetzt nach dem Ende der meisten Maßnahmen wird sich daran so schnell nichts ändern – denn psychische Krankheiten gehen nicht einfach per Knopfdruck wieder weg. Selbst wenn der Auslöser für das Auftreten einer solchen Erkrankung aus dem Leben verschwindet, braucht es oft jahrelange Therapien, um einem Menschen zu helfen, seine Ängste und Depressionen zu überwinden oder wenigstens zu verbessern. Viele werden sie überhaupt nicht mehr los und müssen ihr Leben lang Medikamente und/oder Hilfe in Anspruch nehmen.

Die durch Russlands Angriffe auf die Ukraine entfachte Angst vor einem Krieg kommt dem potenziellen Gesundungsprozess sicherlich nicht zugute. Laut der Jugend-Trendstudie versetzt er über 70 Prozent aller Teilnehmer in Furcht. Über zwei Drittel sorgen sich vor den damit verbundenen hohen Energiepreisen und Inflation. Etwa ein Viertel fürchtet längerfristig, in Angst vor dem Krieg leben zu müssen, selbst zum Militär eingezogen zu werden oder gar einen Atomkrieg zu erleben. Die Kriegsangst könnte laut den Autoren aber auch deshalb so belastend sein, weil die jungen Leute die psychischen Folgen der Corona-Pandemie noch nicht überwunden haben. Neue Ängste verschlimmern vorhandene Belastungen und andersherum. Die Jugend kommt aus der Krise nicht mehr raus.


Sollten Sie das Gefühl haben, dass Sie Hilfe benötigen, kontaktieren Sie unbedingt die Telefonseelsorge. Unter der kostenfreien Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222 bekommen Sie Hilfe von Beratern, die Ihnen Hilfe bei den nächsten Schritten anbieten können. Hilfsangebote gibt es außerdem bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention. Im Netz gibt es – Beispielsweise bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe – auch ein Forum, in dem sich Betroffene austauschen können.

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