Tichys Einblick
Tarnen und Täuschen

Islamistin Soykan bleibt doch im Auswärtigen Amt angestellt

Die Berufung von Nurhan Soykan ist vom Auswärtigen Amt nicht rückgängig gemacht worden - nur das Projekt ruht. Es gab offenbar kein geregeltes Einstellungsverfahren. Das AA geht den unbequemen Fragen aus dem Weg - während sich Soykan zum Opfer der Cancel Culture stilisiert.

imago images / Mauersberger

Für öffentlichen Aufruhr sorgte die Anstellung von Nurhan Soykan, Generalsekretärin des Zentralrats der Muslime (ZMD), als Religionsvertreterin und Beraterin im Auswärtigen Amt. Denn der ZMD steht nicht nur der islamistischen, antisemitischen Muslimbruderschaft nahe, sondern der Bundesverfassungsschutz ordnete kürzlich offiziell den ZMD-Mitgliedsverband „ATIB – Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa“ der türkisch-rechtsextremistischen „Ülkücü-Bewegung (Grauen Wölfe) zu. Auch wurde Soykan vorgeworfen, dass sie sich antisemitisch und israelischfeindlich in einem früheren Interview geäußert habe. Das Auswärtige Amt revidierte vorerst seine Personalentscheidung, nachdem der öffentliche Druck groß wurde.

Die Bestätigung eines Automatismus im Auswärtigen Amt

Immer noch unklar ist, ob überhaupt Kriterien für die Stellenvergabe existierten. Das AA schweigt dazu. Vieles spricht dafür, dass es einen Automatismus der Zusammenarbeit mit dem Zentralrat der Muslime gibt und Nurhan Soykan, die seit Jahren durch etliche Kooperationen bei Politikern und Ministerien präsent ist, ohne jegliches Auswahlverfahren eingestellt wurde. Die Vermutung liegt nahe, dass es nicht nur keine Kriterien, sondern auch keine personellen Alternativvorschläge für die Vergabe des Beraterpostens gab.

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Nun nahm kürzlich Nurhan Soykan selbst Stellung: Zuerst in einem t-online-Interview, dann in einem Interview mit dem Internetmagazin IslamiQ, welches als der islamistischen Milli-Görüs-Bewegung nahestehend gilt. Das Interview führte der IslamiQ-Chefredakteur Ali Mete persönlich, der als Autor beim türkischen Staatssender TRTWorld – von der Regierungspartei AKP gesteuert –  und als Redaktionsmitglied bei der Zeitschrift Perspektif der Islamischen Milli-Görüs Gemeinschaft (IGMG) geführt wird. 

Sowohl im Interview mit t-online als auch mit IslamiQ wird Nurhan Soykan die Frage gestellt, wie es zur Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt kam; sie antwortet t-online folgendermaßen:

„Ich engagiere mich seit 2007 beim Zentralrat der Muslime (ZMD), war dann schnell auch bei der Deutschen Islamkonferenz und im Koordinationsrat der Muslime tätig. Ich habe häufig interreligiöse Gremien besetzt und mich immer offen für trialogische Zusammenarbeit gezeigt. Bei verschiedenen Veranstaltungen habe ich die Kollegen vom Auswärtigen Amt kennengelernt. So kam es zum Kontakt.“

Im IslamiQ-Interview sagt sie:

„Ich hatte die Kollegen auf verschiedenen Veranstaltungen, wo ich auch auf dem Podium saß, kennengelernt. So kam es zum Kontakt. Meine beiden Kollegen und ich sind als externe Berater eingestellt.“

Soykans Antworten stärken also die These des Automatismus. Versteht man ihre Antworten richtig, so hat sie durch ihre Aufgaben im ZMD und im ebenso fragwürdigen Koordinationsrat der Muslime, die sie in interreligiöse Gremien führte, Mitarbeiter des Auswärtigen Amts kennengelernt und deren Vertrauen erworben – was ausreichte, um auf direktem Weg als Religionsvertreterin und Beraterin eingestellt zu werden. Demnach sind keine Auskünfte über die Person Nurhan Soykan und die ihr zugehörigen Organisationen eingeholt worden. Folglich existierten offenbar keine Auswahlkritierien, sondern die Stellenvergabe beruhte bloß auf einer jahrelang etablierten Zusammenarbeit mit islamistischen Organisationen. Soykan konnte sich von 2007 bis heute eine enorme politische Präsenz verschaffen, wozu 2015 auch ein Treffen mit Angela Merkel gehörte, durch die sie für eine Beraterstelle im Auswärtigen Amt scheinbar legitimiert zu sein schien. Das ist durchaus typisch für die Taktik legalistischer Islamisten, die gezielt durch einen interreligiösen Dialog versuchen, Akzeptanz in Politik und Öffentlichkeit zugunsten ihrer politischen Ziele zu erlangen. Das Auswärtige Amt ist also in die islamistische Falle getappt.

Fortsetzende Anstellung als Beraterin und problematische Aufgaben

Zwar revidierte das Auswärtige Amt aufgrund der heftigen Kritik die Entscheidung, Nurhan Soykan als Religionsvertreterin einzustellen, doch dies basiert nur darauf, dass das gesamte Projekt „Religion und Außenpolitik“ vorerst ruhen soll. Im IslamiQ-Interview sagt Soykan deutlich: „Meine beiden Kollegen und ich sind als externe Berater angestellt“. Die Anstellung als Beraterin scheint also fortzulaufen.

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Auch die Regierungspressekonferenz vom 29.07.2020 verrät, dass bei der Wiederaufnahme des Projektes, Soykan wieder an dem Projekt beteiligt sein wird. Der Sprecher des Auswärtigen Amts sagte in seiner Erklärung, dass die Arbeit an dem Projekt ruht, bis sie den Eindruck erlangen, dass breite Unterstützung aus Politik und Gesellschaft vorhanden ist. Als gefragt wurde, ob das auch für die Personalien gelte, antwortete der Sprecher: „Das gilt für die gesamte Arbeit an dem Projekt“. Die vorherige Frage, ob das AA an der Berufung festhalte, wurde ebenso wenig in der Pressekonferenz beantwortet wie die Frage, nach welchen Kriterien Frau Soykan ausgewählt worden war. Das AA geht den unbequemen Fragen aus dem Weg und wartet bis der Sturm sich legt.

Gegenüber IslamiQ beschreibt Soykan ihre Aufgabe als Religionsvertreterin:
„Unsere Aufgabe sollte sein, über unsere Lebenswirklichkeit zu beraten und friedensstiftende Elemente der Religionen herauszustellen. Für mich als muslimische Beraterin geht es darum, islamische Strukturen im Ausland verständlich zu machen. Es geht auch um Netzwerkaufbau und Kooperation auf trialogischer Basis.“

Auch hier redet Soykan auffälligerweise immer noch im Präsens. Falls sie also ihre Arbeit als Religionsvertreterin wieder aufnimmt, wird eine Funktionärin aus einem islamischen Verband, der rechtlich keine Religionsgemeinschaft ist und als den Grauen Wölfen sowie der Muslimbruderschaft nahestehend gilt, im Namen von Deutschland islamische Strukturen im Ausland „verständlich“ machen und Netzwerke aufbauen. Das bedeutete nichts anderes, als dass mutmaßlich islamistische Akteure die deutsche Außenpolitik nicht nur beeinflussen, sondern aktiv und direkt mitgestalten können. 

Leugnung des Genozids an den Armeniern

Im t-online-Interview wird die Frage an Soykan gestellt, wie der ZMD zur vom Bundestag verabschiedeten Armenien-Resolution stehe. Soykan behauptet daraufhin, dass der ZMD sich angeblich zu dem Thema neutral verhalten würde. Dass ein Völkermord an den Armeniern stattfand, wird jedoch von Soykan nicht zugegeben. Stattdessen sagt die ZMD-Generalsekretärin sogar, dass sie statt der Resolution „besser gefunden“ hätte, „wenn eine wissenschaftliche Kommission sich mit den Türken und Armeniern zusammengesetzt hätte und Archive genutzt und ein Gutachten erstellt hätte“. Mit der Forderung einer wissenschaftlichen Kommission stellt sie also indirekt den Genozid in Frage. Auch Erdogan und türkische Nationalisten versuchen immer wieder die propagandistische Lüge aufrecht zu erhalten, dass es keine Beweise für einen Genozid gäbe, und verschweigen gleichzeitig die Historikerkonferenzen von 2000, 2001 und 2015. 

Inszenierung als Opfer der „Cancel Culture“

Im IslamiQ-Interview wird von dem Chefredakteur der „Prozess“ der „Cancel Culture“ ins Spiel gebracht. Zitate würden ausgesucht, die genug Interpretationsraum bieten, „um sie mit etwas Bedrohlichen in Verbindung zu bringen“ und anschließend würden die sozialen Medien mobilisiert und ein Rücktritt gefordert. Dann fragt er Soykan: „Wie haben Sie diesen Prozess erlebt?“ – Damit inszeniert er die ZMD-Generalsekretärin Nuhan Soykan als Opfer der „Cancel Culture“. Die sachlich fundierte Kritik an Nurhan Soykan und am Auswärtigen Amt wird damit als gezielter Boykott stilisiert. Soykan führt die Opferinszenierung im Interview fort: „Genau so. Zitate werden aus dem Zusammenhang gerissen, Beziehungsketten werden konstruiert, man wird für Dinge beschuldigt, die man nicht gesagt hat. Das reicht dann als Beweis für Antisemitismus und Extremismus aus.“  

STREIT UM ANTISEMITISMUS
Die Kampagne gegen den Antisemitismus-Beauftragten Felix Klein
Doch auf diese Idee der Inszenierung zum Opfer der „Cancel Culture“ könnten der Interviewer und Soykan selbst nicht alleine gekommen sein. Es wurde ihnen mehr oder weniger in die Hände gespielt. Denn Meron Mendel, der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, hat noch vor den beiden Interviews den Begriff „Cancel Culture“ auf die Causa Nurhan Soykan angewendet. In seiner Kolumne für die Taz vergleicht er tatsächlich direkt die zweifelhafte ZMD-Generalsekretärin mit dem Antisemitismusbeauftragten Felix Klein, der von Intellektuellen zuerst in einer Publikation, dann in einem offen Brief an Angela Merkel kritisiert wurde. Ihm wurde vorgeworfen, durch einen falschen Gebrauch des Antisemitismus-Begriffes, durch seinen Fokus auf israelbezogenen Antisemitismus und Unterstützung für „rechtspopulistische israelische Stimmen“ legitime Kritik an der israelischen Regierungspolitik zu unterdrücken.

Es handelte sich dabei um eine gezielte Kampagne gegen Klein, die politisch-links motiviert war und sich gegen die israelische Besatzungspolitik und Konservativ-Liberale wandte. Mendel setzt also die unangebrachte Kritik an Felix Klein mit dringend notwendiger Kritik am legalistischen Islamismus gleich. Gleichzeitig zieht Mendel die Vorwürfe gegen Soykan ins Lächerliche: „Angeblich soll sie Antisemitin, Extremistin und türkische Nationalistin sein“. Es seien „Konservative Polizisten“, die „Cancel Cutlure“ in der Linken verorten und sie selbst am besten betreiben würden. Meron Mendel, ein israelischer Pädagoge, relativiert damit das Problem des legalistischen Islamismus – der mit einem antisemitischen Weltbild verbunden ist – und stützt gleichzeitig die Opferinszenierungen von zweifelhaften Akteuren – ja womöglich hat gar Meron Mendel jene erst auf die Idee des „Cancel Culture“-Opfers gebracht. Bald werden sich die nächsten Islamisten mit dem Begriff „Cancel Culture“ zu inszenieren und rehabilitieren versuchen. 

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