Tichys Einblick
Bericht einer Studentin

Humboldt-Universität: Wie radikale Aktivisten den Vortrag einer Biologin verhinderten

An der Humboldt-Universität Berlin wurde ein Vortrag einer Biologin verhindert - radikale Aktivisten denunzierten die Wissenschaftlerin mit Erfolg. Eine Studentin der Universität erzählt wie die Kampagne lief. Wie radikale Aktivisten die Universitäten in Deutschland geißeln. Von Laura Werz

IMAGO/Panthermedia

Am Samstag, den 2. Juli 2022, sollte die Biologin Marie-Luise Vollbrecht einen Vortrag im Senatssaal des Hauptgebäudes der HU, im Rahmen der „Langen Nacht der Wissenschaft“ halten. Der Vortrag unter dem Thema „Geschlecht ist nicht gleich Geschlecht. Sex, Gender und warum es in der Biologie nur zwei Geschlechter gibt“ wurde allerdings kurzfristig im vermeintlichen Interesse der Gesamtveranstaltung von der Universitätsleitung aus dem Programm genommen. Grund dafür seien Sicherheitsbedenken. Bezüglich des angekündigten Vortrags der wissenschaftliche Mitarbeiterin der HU hat sich großer Widerstand in der Studentenschaft gezeigt, welchem Proteste folgten.

Frau Vollbrecht war als Co-Autorin eines am 02.06.2022 veröffentlichten Artikels in der Tageszeitung Welt mit dem Titel „Wie ARD und ZDF unsere Kinder indoktrinieren“ beteiligt. In dem Artikel machten Wissenschaftler auf die Gefahr aufmerksam, welche mit der Leugnung der Existenz von zwei Geschlechtern einhergeht und forderten eine Abkehr von dieser Ideologie. Unter anderem die Kritik in dem Artikel an der Unterstützung der woken „Vielgeschlechtlichkeit“ in der berühmten Kinder-Wissenssendung, der „Sendung mit der Maus“, scheint den „kritischen“ Juristen der HU allerdings aufgestoßen zu sein. Der „Arbeiterkreis kritischer Jurist*innen an der Humboldt Uni Berlin“ mobilisierte das Aufbegehren gegen den Vortrag.

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Ich bin selbst Jurastudentin im zweiten Semester an der HU. Am Donnerstag, den 30.06.2022, erhielt ich im Semesterchat eine Rundnachricht mit der Aufforderung, diese zu teilen. Die weitergeleitete Nachricht, welche ein mir unbekannter Kommilitone in die Gruppe schickte, rief zum Protest der Studenten gegen den wissenschaftlichen Vortrag von Vollbrecht auf. Es wurde behauptet, die These von Marie-Luise Vollbrecht „in der Biologie gäbe es nur zwei Geschlechter“ sei unwissenschaftlich, menschenverachtend, sowie queer- und trans*feindlich. Nach einer Begründung für diese harten Vorwürfe, welche unter meinen Kommilitonen erschreckend viel Zustimmung fanden, suchte man in dem ideologischen Aufruf allerdings vergeblich. Es sei „absolut daneben“ eine solche Person bei der Veranstaltung überhaupt zu Wort kommen zu lassen.

Am Freitag fand ich erneut eine Nachricht in meinem Email-Eingang vor, diesmal als Rundmail an alle Studenten verschickt, in welcher ebenfalls zu dem Protest gegen den vermeintlich diskriminierenden, sowie queer- und transfeindlichen Vortrag aufgerufen wurde. Absender war der „Referent_innenrat“, kurz RefRat der HU, welcher sich selbst als politische Vertretung der „Student_innenschaft“ der HU betrachtet. Der RefRat ist schon in der Vergangenheit durch linksradikale und ideologiegeleitete Projekte und Aufrufe aufgefallen. In Pandemiezeiten hat er beispielsweise die Infektionsschutzmaßnahmen der Universität als unzureichend kritisiert, Anfang diesen Jahres zur „Exmatrikulation rechter Ideologien“ aufgerufen und die bestehende Maskenpflicht im Februar diesen Jahres ausdrücklich befürwortet. In diesem Sinne erscheint es nur folgerichtig, dass sich die „Studentenvertretung“ auch hierbei wieder engagiert und die Studentenschaft nun sogar aktiv zu Protesten gegen einen wissenschaftlichen Vortrag aufruft.

Die Demonstration, initiiert vom „Arbeitskreis Kritischer Jurist*innen“ (AKJ), fand schließlich vor dem Hauptgebäude der Uni statt. Der AKJ versteht sich selbst als Forum für kritische Menschen für rechts- und allgemeinpolitische Diskussionen. Leider scheint dieser vermeintlich kritische Verein kein Ohr für andere Ansichten, geschweige denn für nicht genehme, jedoch wissenschaftliche Tatsachen zu haben. Öffentlich hieß es vom AKJ: „An unserer Uni gibt es keinen Platz für Queerfeindlichkeit. Wir sehen uns auf der Straße!“ Bei der Protestaktion selbst sah man der Slogans wie: „Geschlossen gegen Trans*feindlichkeit – Keine Bühne für die Co-Autorin von Statements einer ‚Biologischen Realität der Zweigeschlechtlichkeit“ und ‚woker Trans-Ideologie'“.

Cancel Culture
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Vollbrecht wollte bei ihrem einstündigen Vortrag aus wissenschaftlicher Sicht herleiten, warum es aus biologisch betrachtet nur zwei Geschlechter gibt und dass das biologische Geschlecht (Sex) und Geschlechterrollen (Gender) zwei unterschiedliche Dinge sind. Auf YouTube kann man sich ihren fast einstündigen Vortrag anhören, welchen sie nach der Absage der Universität live gestreamt und anschließend hochgeladen hat. Dabei spricht sie beispielsweise über den „Sexualdimorphismus“ und erklärt, aus welchen Gründen sowohl Menschen als auch Tiere, entsprechend ihres biologischen Geschlechts, unterschiedlich aussehen und welche grundlegende Bedeutung diese Unterschiede für die Evolution hatten und heute noch haben. Der Vortrag ist informativ und Fakten werden verständlich und wissenschaftlich dargelegt. Es ist mehr als bedauerlich, dass Frau Vollbrecht von radikalen Gender-Ideologen die Chance genommen wurde, ihren Vortrag im Rahmen der „Langen Nacht der Wissenschaft“ zu halten, welcher in diesem Jahr ironischer Weise unter dem Motto stand: „Wissenschaft als Antwort auf Fake News, Verschwörungstheorien und fatale Irrtümer“. Es ist erschreckend und ein alarmierendes Warnsignal, dass eine Universität, welche ein Ort für Fortschritt, Wissenschaft und freiheitliches Denken sein sollte, heute einen wissenschaftlichen Vortrag aufgrund politisch-ideologischer Proteste absagt.

Die Humboldt-Universität zu Berlin wurde im Jahre 1809 im Zuge der preußischen Reformen, hier insbesondere der Bildungsreform, mit dem Anspruch gegründet, einer breiteren Masse Bildung auf naturwissenschaftlicher Basis zugänglich zu machen – ganz im Sinne und Geiste der Gebrüder Humboldt.

Die PR-Chefin der HU sagte, dass mit der Absage des Vortrages keine inhaltliche Aussage einherginge und diese Entscheidung allein der Sicherheit diene. Der Vortrag solle außerdem nachgeholt werden. Das Einknicken vor radikalen, gewaltbereiten Aktivisten, die kein Verständnis von Biologie haben, sei verständlich, aber alarmierend.


Laura Werz ist 19 Jahre alt und ist Jura-Studentin in Berlin. Sie schreibt für das Jugendmagazin Apollo News

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