Tichys Einblick
Polizei kann Täter nur mit Mühe bändigen

Hamburg: Zwei ranghohe Vertreter der Jüdischen Gemeinde attackiert

Der beschuldigte Marokkaner wurde schon nach zwei Stunden, nach Abschluss kriminalpolizeilicher Maßnahmen, entlassen. Für die zuständigen staatlichen Stellen liegen, so heißt es, keine Haftgründe vor.

Shlomo Bistritzky, Landesrabbiner der Hansestadt Hamburg

imago images / Hauke Hass

„Ein antisemitischer Vorfall sorgt für Entsetzen in Hamburg“ (Die Welt): Auf dem Rathausmarkt sind zwei ranghohe Vertreter der Jüdischen Gemeinde Hamburg erst verbal bedroht und dann angespuckt worden. Bei dem mutmaßlichen Täter handele es sich offenbar um einen 45-jährigen marokkanischen Mann. Die Jüdische Gemeinde bestätigte den Angriff vom Donnerstag auf den Landesrabbiner Shlomo Bistritzky und das Vorstandsmitglied Eliezer Noe. Beide seien durch ihre Kleidung klar als Juden zu erkennen gewesen.

Shlomo Bistritzky schilderte dem Hamburger Abendblatt den Übergriff. Er sei mit einem Kollegen unmittelbar von einem offiziellen Senatsfrühstück in Räumlichkeiten des Rathauses mit dem Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher gekommen, als der Mann sie zunächst mit „Schalom“ gegrüßt und dann etwas gesagt habe, das unverkennbar wie eine Drohung geklungen habe. Sie hätten sich dann ihm zugewandt. „In diesem Augenblick griff er unter sein Hemd, holte etwas, das wie ein Messer aussah, hervor und begann uns verbal zu bedrohen“, sagte Bistritzky. Der Angreifer zog Medienberichten zufolge dann auch ein Feuerzeug aus der Tasche und ging mit entzündeter Flamme auf die beiden zu, begann sie zu beleidigen und zu bespucken.

Die Attackierten wendeten sich hilfesuchend an einen Polizeibeamten, der am Rathaus Dienst tat. Als der Polizist den Marokkaner zur Rede stellen wollte, versuchte dieser zunächst zu flüchten. Er stoppte dann jedoch und lief plötzlich in hoch aggressiver Form erneut auf Bistritzky und Noe zu und bespuckte sie nochmals. Der Polizist ging dazwischen und versuchte, den Marokkaner davon abzuhalten, weiterhin übergriffig zu werden, „Der verhielt sich sehr aggressiv und reagierte nicht auf den Beamten, sodass dieser schließlich drohte, Pfefferspray einzusetzen“ (Bild-Zeitung). Um den Gewalttäter unter Kontrolle zu bekommen, musste der Beamte dem Gewalttäter schließlich Handschellen anlegen, was dem Polizisten freilich nur mit großer Mühe und unter Anwendung heftiger körperlicher Gewalt gelang.

Obgleich der Täter nun gefesselt war, spuckte er weiter um sich. Schließlich sahen sich weitere Beamten aus der nahe gelegenen Rathaus-Polizeiwache gezwungen, dem Angreifer eine Spuckschutzhaube anzulegen. Der Mann wurde festgenommen. Der Beschuldigte ist allerdings schon nach zwei Stunden, nach Abschluss kriminalpolizeilicher Maßnahmen, entlassen worden. Für die zuständigen staatlichen Stellen liegen, so heißt es, keine Haftgründe vor. Jetzt ermittelt der Staatschutz der Hansestadt. Der Marokkaner soll in Niedersachsen leben. „Er gilt nach unbestätigten Berichten als psychisch auffällig“ (Die Welt).

Attacken erfolgten ausgerechnet nach einem Empfang ehemals jüdischer Verfolgter

Die geschilderten Angriffe geschahen nach einer feierlichen Veranstaltung der Hansestadt Hamburg ehemals jüdischer Verfolgte. „Direkt nach dem Empfang ist das passiert, wofür ich mich als Hamburger sehr schäme: Antisemitismus gegen zwei der geladenen jüdischen Gäste“, twitterte Justizsenator Till Steffen (Grüne). Ebenfalls der Erste Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) verurteilte die Tat scharf, er sprach von einer „schlimmen antisemitischen Straftat“.

Auch der designierte Spitzenkandidat der CDU für die kommenden Bürgerschaftswahlen, Marcus Weinberg, zeigte sich schockiert: „Ich verurteile diesen Angriff auf das Schärfste, so etwas darf nicht passieren.“ AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann sprach von „einer abscheulichen Tat mitten im Herzen Hamburgs. Wir hoffen, dass der mutmaßliche Täter die volle Härte des Rechtsstaates zu spüren bekommt“. Die Vorsitzende der FDP-Bürgerschaftsfraktion, Anna von Treuenfels-Frowein, forderte: „Alle Menschen jüdischen Glaubens müssen sich in unserer Stadt sicher fühlen, egal ob es sich um einen Rabbiner oder einen ‚einfachen’ Kippa-Träger handelt.“ Cansu Özdemir, Fraktionschefin der Linken, erklärte: „Es ist bestürzend, dass Menschen jüdischen Glaubens immer noch Ziel solcher Angriffe werden.“

Was Medien und Politiker zumeist verschweigen

Tatsache ist, dass es schon seit Jahren wieder vermehrt antijüdische Gewalttaten – in ganz Westeuropa – gibt. In einem Interview mit der Welt hatte das Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Hamburg, Stefanie Szezupak, bereits im Januar auf den wachenden Antisemitismus hingewiesen. „Die Hemmschwelle ist in den vergangenen Jahren durch eine bestimmte, sich flächendeckend ausbreitende Stimmung gesunken. Wer das vorher nur gedacht hat, spricht es heute eher aus, traut sich wieder, antisemitisch zu sein“, sagte sie.

Besonders in Frankreich – aber auch in einigen deutschen Städten – werden immer wieder jüdische Bürger bedroht und körperlich angegriffen. „Extrem rechte wie linke Gruppierungen schüren den Hass auch in den sozialen Netzwerken und am Rande der „Gelbwestendemonstrationen“ (Tagesschau.de). Mehrfach hat es Schwerverletzte und sogar viele Tote in Frankreich gegeben. Viele Juden haben inzwischen Frankreich verlassen – und leben nun in Israel.

Leider gibt es in Deutschland immer noch Rechtsextremisten unter „Biodeutschen“, die der Ansicht sind, es sei legitim, gewaltsam gegen jüdische Bürger vorzugehen. Und nicht wenige Linke – auch in deutschen Medien – können bedauerlicherweise nur mit großer Mühe ihre anti-israelischen ideologischen Positionen und Interessen verbergen. Sehr häufig nennen Leitmedien und Politiker hierzulande die ethnische Zugehörigkeit von Tätern nicht, die übergriffig geworden sind. Fakt ist: Die mit Abstand meisten Täter, die offen und gewalttätig gegenüber Juden werden, sind in westeuropäischen Ländern – und das gilt insbesondere für französische Kommunen – eindeutig fanatische Muslime. Aber kaum noch wagen es Medien und Politiker, diese Tatsache eindeutig und unmissverständlich anzuprangern.

Fast nie sprechen Medien und Spitzenpolitiker darüber, dass sich fast alle islamischen Führungsgruppen in arabischen Staaten zum Ziel gesetzt haben, den jüdischen Staat Israel zu beseitigen. Immer wieder stößt man ebenfalls als Privatmann im Nahen Osten sogar auf nicht wenige arabische Bürger, die gegenüber deutschen Besuchern unverblümt zum Ausdruck bringen, „Hitler“ habe mit dem Holocaust „Großes“ vollbracht. Auch diese traurige Wahrheit wird wohlweislich in Zeitungsartikeln und in politischen (Festtags-)Reden grundsätzlich verschämt verschwiegen.

Nach Meinung einiger Beobachter führt genau diese Methode des Verschleierns und Vertuschens dazu, dass immer mehr Antisemiten in ganz Westeuropa meinen, sie könnten noch frecher und öfter gegenüber Juden gewalttätig werden, ohne dass ernsthafte Sanktionen erfolgen. Eine verheerende Entwicklung, deren Auswirkungen womöglich eines Tages nur noch schwer unter Kontrolle zu bringen sind.


Manfred Schwarz war acht Jahre Medien-Referent in der Hamburger Senatsverwaltung und Mitglied des CDU-Landesvorstandes.