Tichys Einblick
Festnahmen in Berlin, Rotterdam, Dänemark

Hamas-Mitglieder planten Anschläge in Deutschland – Polizei sucht Waffendepot

Lange vor ihrem Verbot in Deutschland war die Hamas hierzulande tätig und versteckte Waffen in „Erddepots“. In Berlin, Rotterdam und Dänemark wurden nun mehrere Terroristen festgenommen. Der israelische Premier Netanjahu weist darauf hin, dass es auch in Europa darum gegangen wäre, unschuldige Zivilisten zu töten – nicht nur jüdische.

Symbolbild

imago Images/Alexander Pohl

Die Terroristen wurden quasi auf frischer Tat ertappt. Immer wieder hatten sich drei Männer in der Nähe von Berlin auf die Suche nach einem „Erddepot mit Waffen“ gemacht, das die Hamas dort in der Vergangenheit „konspirativ“ angelegt haben soll, so der ermittelnde Generalbundesanwalt in Karlsruhe. Der Plan: Die Waffen sollten nach Berlin gebracht und für mögliche Anschläge auf jüdische Einrichtungen in Deutschland oder anderen europäischen Ländern bereitgehalten werden. Am späten Abend betraten dann maskierte BKA-Beamte mit Spürhunden ein Mehrfamilienhaus in der Alten Jakobsstraße in Berlin-Mitte, vermutlich um die Wohnung eines der Beschuldigten zu durchsuchen.

Bei den Festgenommenen handelt es sich laut dem Generalbundesanwalt um vier langjährige Mitglieder der Hamas mit direkter Anbindung an den militärischen Arm der Organisation, die „Izz al-Din al-Qassem“-Brigaden. Drei wurden in Berlin festgenommen, einer in Rotterdam, wofür sich Nancy Faeser bei der niederländischen Polizei bedankte. Im Laufe des Freitags sollen die Festgenommenen dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt werden.

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Daneben berichtet die „Welt“ von drei Festnahmen in Dänemark, wo ebenfalls ein Terroranschlag geplant gewesen sei. Eine weitere Festnahme hatte der dänische Geheimdienst PET in den Niederlanden veranlasst. Laut dem israelischen Auslandsgeheimdienst hatten auch diese Festgenommenen Verbindungen zur Hamas. Laut Premierminister Benjamin Netanjahu wollten sie „unschuldige Zivilisten auf europäischem Boden töten“.

Nun sind deutsche Beamte auf der Suche nach dem fraglichen Waffendepot. Die Welt erfuhr aus Sicherheitskreisen, dass Europa nicht mehr nur Rückzugsgebiet, sondern auch „Aktionsraum“ der Terroristen geworden sei. Ist das wirklich so etwas Neues? Vielleicht im Fall der Hamas, keineswegs aber was den radikal-islamischen Terror im allgemeinen angeht. Man denke nur an die laufenden Ermittlungen des Generalbundesanwalts, wo es um mehrere mutmaßlich islamistische Terrortaten in Duisburg geht. Daneben wurden zumal im Oktober und November zahlreiche mutmaßliche Mitglieder von IS und anderen Terrorgruppen festgenommen.

Die Operation Depotsuche lief schon seit dem Frühjahr

Die Hamas selbst wird vom Generalbundesanwalt als „Organisation mit militant-islamistischer Ausrichtung“ beschrieben, mit dem Ziel der Vernichtung Israels zugunsten eines palästinensischen Staates auf dem gesamten ehemals britischen Mandatsgebiet Palästina zwischen Mittelmeer und Jordan („vom Fluss bis zum Meer“), in dem dann die Scharia gelten solle. Die Hamas lehne jegliche säkulare Staatlichkeit als gottlos ab und sehe in der Scharia die einzig legitime Grundlage staatlichen Handelns. In Deutschland soll es nur 450 Hamas-Mitglieder im strengen Sinn geben. Aber das Umfeld dürfte sehr viel größer sein.

Der Kopf der Berliner Gruppe, Abdelhamid Al A., erhielt seine Weisungen von Führungskadern im Libanon. Al A. stammt selbst aus dem Libanon, ebenso wie der vorläufig in Berlin festgenommene Ibrahim El-R. Daneben wurden der Ägypter Mohamed B. und – in Rotterdam – der Niederländer Nazih R. festgenommen. Spätestens seit Frühjahr 2023 war Abdelhamid Al A. damit befasst, das geheime Waffendepot der Hamas ausfindig zu machen. Im Oktober 2023 machten sich die Beschuldigten dann in unterschiedlicher Zusammensetzung auf die Suche nach den Waffen.

Man lernt daraus, wie lange die Hamas schon in Deutschland operiert. Dass die radikale Miliz nun zu Taten auch im Ausland schreiten wollte, ist kein Wunder angesichts des von ihr entfachten Gaza-Konflikts. Aber die Operationen haben nicht gestern begonnen, sondern wurden jahrelang vorbereitet. Es scheint ein Glückstreffer gewesen zu sein, dass Bundeskanzler und Innenministerin vor knapp einem Monat die Kurve kriegten und die Organisation verboten, die seit ihrer Gründung terroristische Anschläge auf Ziele in Israel ausführte. Das Betätigungsverbot zeigt, dass diese Anschläge drohen, sich auf Deutschland und Europa auszudehnen.

Haben nur die Angriffe auf Juden in Deutschland zugenommen?

Man stelle sich vor: Im Frühjahr waren die Hamas und ihre Vorfeldorganisationen noch legal in Deutschland. Natürlich war solch eine Aktion auch damals schon strafrechtlich relevant mindestens im Sinne der Vorbereitung einer Gewalttat. Aber durch das Hamas-Verbot bekommt sie eine ganz neue Bedeutung auch für deutsche Behörden. Die Tagesthemen berichteten an diesem Abend auch über die „Stimmung im Westjordanland“ und stellen erschrocken fest, dass die militante radikal-islamische Hamas dort immer beliebter wird. Auch aus dem Gazastreifen sind solche Umfragen bekannt.

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, äußerte sich genau in dieser Richtung. Das Geschehen zeige „in erschreckender Weise, wie akut die terroristische Bedrohung auch in Deutschland ist“. Schuster fand es aber auch „beruhigend, mit welch wachem Blick die Sicherheitsbehörden jüdisches Leben in Deutschland schützen“.

Trotzdem ist es beinahe schon eine Verharmlosung der Pläne dieser echten Hamas-Terroristen, wenn Justizminister Marco Buschmann (FDP) sagte, nach den Angriffen der Hamas auf die israelische Bevölkerung hätten auch in unserem Land Angriffe auf Juden und jüdische Einrichtungen zugenommen – ganz so, als handele es sich um einen Farbanschlag, um Vandalismus oder dergleichen. „Beschämend“ sei das und „erschütternd“. Daher müsse man alles dafür tun, damit Juden nicht abermals in Deutschland um ihre Sicherheit fürchten müssen. „Unsere Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden arbeiten mit Hochdruck daran.“

Der Hochdruck der Behörden in allen Ehren, aber daneben geht es hier nicht um eine nostalgische Erinnerung an jüdische Furcht vor Verfolgung. Die von den Hamas-Mitgliedern geplanten Attentate hätten jeden treffen können. Daran ist nichts Beschämendes, wohl aber viel Erschreckendes.

Faeser hat die „islamistische Szene“ keineswegs permanent im Blick

Innenministerin Faeser begrüßte, Berichten zufolge, die Festnahme mutmaßlicher Hamas-Mitglieder – alles andere wäre auch sehr erstaunlich. Auch Faeser sah in den Festnahmen einen Beweis dafür, „dass unsere Sicherheitsbehörden äußerst wachsam sind und konsequent handeln“, um dann anzuhängen: „Wir haben die islamistische Szene im Visier.“ Das ist eine Aneignung der Behördenarbeit, wie sie natürlich gemeine Währung unter den Leitern von Bundesministerien ist.

Aber Faeser hat die „islamistische Szene“ eben keineswegs permanent im Blick, vielmehr hat sie schon 2022, kurz nach ihrer Amtsübernahme, den „Expertenkreis Politischer Islamismus“ aufgelöst. Damit verloren Experten wie Susanne Schröter und Ruud Koopmans eine feste Anbindung an die Arbeit des Innenministeriums. Eine kritische Beleuchtung des Phänomens Islam war offenbar nicht mehr gewünscht, dafür wird die Arbeit der „Islamkonferenz“ von Faeser jedes Jahr wieder ausgeweitet und um Punkte wie „Islamophobie“ ergänzt, anstatt auch in diesem Gremium einmal konzentriert über den massiven Antisemitismus unter Muslimen zu sprechen.

Der Schutz von Juden habe höchste Priorität, sagte die Innenministerin nun. Man gehe „mit allen rechtsstaatlichen Mitteln“ gegen diejenigen vor, die das Leben von Juden und die Existenz des Staates Israel bedrohten. Nun ist auch das nur gespielte Emphase, die man der eiskalten Laienschauspielerin ja nicht abnehmen muss. Aber es wäre gut, wenn Israels Sicherheit als „deutsche Staatsräson“ und die Sicherheit von Juden in Deutschland solche Energien und solchen Eifer freisetzen würden. Man würde hoffen, dass das auch in Bezug auf das Leben von Deutschen und die Fortexistenz des hiesigen Gemeinwesens gelten würde. Darauf deutet bei dieser Regierung nicht viel hin.