Tichys Einblick
Bundesparteitag in Karlsruhe

Habeck im Delirium – Die Wahrnehmungsstörung grüner Politik

„Unsere Ideologie ist die Wirklichkeit.“ So schließt Robert Habeck seine Rede bei der Bundesdelegiertenkonferenz in Karlsruhe. Selbstkritik spielt in dieser „Wirklichkeit“ keine Rolle, wie die grünentypische Larmoyanz beweist, mit der Habeck zuvor zwanzig Minuten lang eben jene Wirklichkeit beklagt.

Robert Habeck, Rede auf der 49. Bundesdelegiertenkonferenz der Partei Bündnis90/Die Grünen, Karlsruhe, 25. November 2023

IMAGO / dts Nachrichtenagentur
Das unzufriedene Kindergartenkind wirft sich vor der Süßigkeitenauslage an der Supermarktkasse zu Boden und mimt den Unverstandenen: Das Bundesverfassungsgericht begreift eben nicht, worum es hier geht, ebenso wenig Friedrich Merz. Dessen Union sei „eine Partei von gestern“, „nicht in der Lage, in der Realität anzukommen“. Nicht Misswirtschaft, fehlender Sachverstand, mangelnde Kompetenz, nein, das Festhalten an der Schuldenbremse ist das Problem. Schließlich ist diese ein atavistisches Instrument, entwickelt für weniger stürmische Zeiten.

Kein einziges selbstkritisches Wort, kein Eingeständnis, Mitverursacher der Probleme zu sein. Die Grünen als dynamische, „pragmatisch-idealistische“ Partei der Problemlösung, blockiert von Kismet, Verfassung und Friedrich Merz: Eine Krise nach der anderen wurde doch bewältigt, indem man politische und gesellschaftliche Brandherde mit Geld überhäuft hat, bis sie unsichtbar waren. So nachhaltig und tragfähig! Doch dann, „(…) als wir gerade wieder dabei waren, die Grundlagen für Standort und Wachstum zu legen, fehlt uns nun das Geld“. Die unreife Uneinsichtigkeit, die aus solchen Worten spricht, wären einem Zwölfjährigen nachzusehen. Bei einem Wirtschaftsminister stellen sie einen intellektuellen Offenbarungseid dar.

Ganz ungeniert erklärt uns Habeck, dass er mit der Wirklichkeit, die er bemüht, schon lange keine Berührungspunkte mehr hatte. Er attestiert, dass zahlreiche sicher geglaubte Überzeugungen derzeit erschüttert würden: Etwa, dass Deutschland das Land sei mit „der besten Infrastruktur, der pünktlichsten Bahn, dem schnellsten Internet und dem besten Schulsystem“. Eine Aussage, die man nur mit bitterem Lachen quittieren kann, sofern einem nicht Atem und Spucke wegbleiben.

Offensichtlich hat Habeck vor mindestens zwanzig Jahren aufgehört, politische und gesellschaftliche Realitäten zu rezipieren. Das schnellste Internet – ernsthaft? Nun, wer die Autonome Region Schwabistan-Prenzlberg für ein realistisches Abbild Gesamtdeutschlands hält, Hamburger Villenviertel oder Millionärsdörfer um Düsseldorf, den werden oben genannte Einsichten sicher erschüttern. Alle anderen können Habeck nur gratulieren, dass er nach mehreren Jahrzehnten aus dem Paralleluniversum zurückgefunden hat.

Andererseits muss man ihm förmlich dafür danken, dass er Klarheit schafft: Grüne Politik fußt nicht auf opportunistischem Machtstreben oder politischem Kalkül. Viel schlimmer: Sie beruht auf einer veritablen Wahrnehmungsstörung. Weder Argumente noch Fakten werden hier ein Umdenken bewirken, ja, nicht einmal der eigene Niedergang. Dass die Grünen sich im Umfragetief befinden, dass die Ampelregierung sich vor allem als Hauptstratege des AfD-Wahlkampfes betätigt – der Mangel an Realitätssinn ist so gravierend, dass auch selbstschädigendes Verhalten nicht als solches erkannt werden kann.

Bei aller loriotesken Absurdität wird aus Habecks Rede grausam deutlich, dass er und die Seinen keine Kurskorrektur vornehmen werden: Die Ideologie der Grünen ist die Realität in ihren Köpfen. Wenn diese mit der real existierenden Wirklichkeit kollidiert, sind die anderen schuld.

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