Tichys Einblick
Politisches Konfliktpotential 

Grundsteuererklärung der Kommunen: Der Staat scheitert an sich selbst

Auch Städte und Gemeinden sind aufgefordert, ihre Grundsteuer-Erklärung zum 31.10.2022 abzugeben. Die Kommunen sind mit der Abgabe ihrer Daten überfordert und bekommen eine Fristverlängerung bis Ende des Jahres – was die Bundesregierung den normalen Steuerzahlern bislang verwehrt.

Formular zur Grundsteuererklärung

IMAGO / Steinach

Im April 2018 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Vorschriften zur Einheitsbewertung für die Bemessung der Grundsteuer verfassungswidrig sind. „Das Festhalten des Gesetzgebers an dem Hauptfeststellungszeitpunkt von 1964 führt zu gravierenden und umfassenden Ungleichbehandlungen bei der Bewertung von Grundvermögen, für die es keine ausreichende Rechtfertigung gibt“, hieß es in der Urteilsbegründung. Aus diesem Urteil folgte die Notwendigkeit einer Grundsteuer-Reform. Dabei erhielten die Bundesländer die Möglichkeit, mittels Landesgesetz vom Bundesgesetz abzuweichen. Der Aberwitz: Bei kleinen Häuslebesitzern wird auch für den Obstgarten die Grundsteuer fällig, ebenso für Schrebergärten. 

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Nun will man auch den Kommunen ans Leder. Fakt ist, die Grundsteuer hat heute in Deutschland ein Aufkommen von rund 15 Milliarden Euro pro Jahr, das sind etwa 5,5 Prozent der kommunalen Gesamteinnahmen und 14 Prozent der kommunalen Steuereinnahmen. Will man kommunale Grundstücke und Gebäude mit der Grundsteuer belasten, ist das schlicht „linke Tasche, rechte Tasche“. 

Doch zu den Einzelheiten: Bis 31.10.2022 sollen die Kommunen die Grundsteuererklärung abgeben. Die Stadt Jena in Thüringen beispielsweise soll Grundsteuer-Angaben für 7000 Grundstücke und Gebäude ermitteln, das sind mehr als 13.000 Teilflächen. Dazu kommt die Frage, ob Waldflächen neu vermessen werden müssen. Jena hat deshalb beim thüringischen Länderfinanzministerium um einen Aufschub bei der Grundsteuererklärung gebeten und ihn bekommen: Statt bis zum 31. Oktober hat die Stadt nun bis zum 31. Dezember Zeit, ihre Grundsteuererklärungen einzureichen, wie das Handelsblatt berichtet. Und merkt an: Auch andere Kommunen haben kapituliert und eine Fristverlängerung bekommen – die die Bundesregierung den normalen Steuerzahlern bislang verwehrt. 

Offenbar wurde ein heilloses Durcheinander angerichtet. Staatliche Gliederungen wie die Kommunen sind selbst nicht in der Lage, Grundsteuererklärungen in jener Frist einzureichen, die man sich selbst gesetzt hat, die Bundesregierung erwarte aber genau das von seinen Bürgern. Mithin also: Fristverlängerung für den Staat. 

Seit dem 01. Juli 2022 waren Bürger und Betriebe dazu aufgerufen, binnen vier Monaten ihre Daten zu melden. Die Steuerpflichtigen waren mit enormen Herausforderungen konfrontiert, da sie offenbar ihre Daten selbst bei staatlichen Stellen zusammensuchen mussten, und die ganze Angelegenheit sehr zeitintensiv ist. Für die Bürger besteht neben der Verpflichtung der Angaben der Grundstücksfläche auch die Anzahl der bewohnten Räume, wobei es sehr konkrete, ausgeklügelte Vorgaben gibt, wie etwa bei Räumen mit Dachschrägen: „Beträgt die Raumhöhe weniger als 1 Meter, dann zählt die Fläche nicht zur Wohnfläche. Von 1 bis 2 Meter wird die Fläche mit 50 Prozent einberechnet. Über 2 Meter müssen Sie sie komplett als Wohnfläche zählen.“ Da wiehert wieder einmal lautstark der Amtsschimmel. 

Zur Wohnflächenverordnung heißt es: In den gesetzlichen Grundlagen für das Bundesmodell und den meisten Ländermodellen fehlt es an einer Regelung, nach welcher Methode die Wohnfläche zu ermitteln ist. Allgemein wird davon ausgegangen, dass jedenfalls eine Berechnung nach der Wohnflächenverordnung (WoFlV) zulässig ist (auch nach Auffassung der Finanzverwaltung im Ländererlass).

Elster.de überlastet wegen Grundsteuerreform
Der Ausfall des Online-Finanzamtes elster.de belegt das staatliche Digitalisierungsversagen
Dazu kamen im Juli noch die Probleme bei der elektronischen Abgabe der Daten über die Steuerplattform „Elster“, das Portal war wegen der Feststellungserklärungen für die neue Grundsteuer resp. Überlastung vorübergehend ganz abgeschaltet worden. Wobei es beim Bundesfinanzministerium heißt: „Die Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts ist verpflichtend elektronisch an das Finanzamt zu übermitteln (§ 228 Absatz 6 Bewertungsgesetz).“ 

Einige Bundesländer halten sich an das Bundesmodell, wieder andere an die Möglichkeit, mittels Landesgesetz vom Bundesgesetz abzuweichen, wobei es auch hier wiederum Unterschiede gibt, wie etwa Bodenwertmodell oder Flächenmodell. 

Um das Chaos perfekt zu machen: Eine Stadt wie Jena ist mit dem Ausfüllen der Grundsteuererklärungen überlastet, es mangele schlicht an Personal, berichtet das Handelsblatt. Viele Beamte in den Kommunalämtern seien schon mit der Energie- und Flüchtlingskrise ausgelastet. Speziell im Osten sind die Grundsteuererklärungen für die Kommunen aufwändig. Erstmals werden hier auch landwirtschaftliche Nutzflächen veranlagt, die punktgenau angegeben werden müssen. Wie für den gemeinen Bürger die Schrebergärten und Obstgärten so hier kommunale Kleingärten sowie Garagen. Für unzählige Flächen müssen Städte und Gemeinden überhaupt erst einmal die Daten erheben. 

Sachverständige wie Steuergewerkschaftschef Florian Köbler halten eine Fristverlängerung schlicht für überfällig, „sonst werden die Finanzämter kollabieren“. Da sei es nicht zumutbar, dass sie jetzt auch noch waschkörbeweise Fristverlängerungsanträge bearbeiten sollen.“ Die Finanzämter litten jetzt schon unter Personalmangel. Auch wenn das Jahr 2025 noch weit weg erscheint, ab 2025 soll die neue Grundsteuer greifen, herrscht offenbar jetzt schon Zeitdruck. Spätestens ab Frühjahr 2023 „brauchen wir alle Steuererklärungen, um das rechtzeitig zu schaffen“, so Köbler. 

Unter dem Strich soll, so das Handelsblatt, die Grundsteuerreform aufkommensneutral und damit keine Steuererhöhung sein. Die Kommunen sollten daher ihre Hebesätze für die Grundsteuer anpassen, also in der Regel absenken, um entstandene Zusatzbelastungen über einen niedrigeren Steuersatz auszugleichen. Deshalb sei es „entscheidend, dass die Städte und Gemeinden genug Zeit für die Umsetzung hätten“. Einige Kommunen haben jedoch bereits jetzt, bevor die Reform greift, die Hebesätze für die Grundsteuer angehoben. „Viele Städte und Gemeinden werden sich nicht die Gelegenheit entgehen lassen und die Grundsteuer erhöhen“, so Kommunalexperte René Geißler von der TH Wildau. Am Ende entscheide der Stadtrat. „Und dieser kann die Verantwortung für höhere Steuern leicht Bund und Ländern zuweisen“, so Geißler. – Am Ende also ein gutes Geschäft. 

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