Tichys Einblick
Aufgepimpte Lebensläufe

Wie Grünen-Politiker ihre Biografien schönfärben

Kellnern, Kindertheater, eigenes Fahrrad kaufen – auf solche Tätigkeiten scheinen manche Grünen-Politiker stolz zu sein. Das Wenige, das sie erlebt haben, versuchen sie öffentlich, nach mehr aussehen zu lassen. Von Charlotte Kirchhof

IMAGO / agefotostock

Direkt aus der Schule in die Partei – angesichts eines überschaubaren Schatzes an Erfahrungen ist eigentlich nicht viel aufzulisten in den Lebensläufen so mancher Abgeordneter im Bundestag. Angegeben wird also alles, was da ist: Schüler- und Studentenjobs, Auslandaufenthalte, Mitspiele in Kindertheaterstücken, angefangene, „ruhende“ und abgebrochene Studiengänge. Oder auch Mitgliedschaften in örtlichen Sport- und Feuerwehrvereinen. TE hat sich stichprobenartig einige Lebensläufe grüner Politiker auf Wikipedia angeschaut – oft werden diese von ihren eigenen Mitarbeitern geschrieben.

Unterwegs auf Ortsterminen
Wie Abgeordnete eine eigene Welt erleben
Staatsministerin Claudia Roth sei die Managerin der Band ihres damaligen Partners, eines Keyboarders gewesen. Das Herumreisen mit ihrem Partner – ach ne, sorry, das Arbeiten als Managerin – scheint sehr bedeutsam für ihren Lebensweg zu sein: Drei Zeilen nimmt dieser Abschnitt auf ihrem Wikipedia-Lebenslauf ein. Die Band hieß „Ton Steine Scherben“. Roth sollte sie vor dem finanziellen Ruin retten. Was nicht klappte. Um Roths Rechnungen begleichen zu können, verließ Rio Reiser die linke Plattenfirma und wechselte zu einem Major-Label. Immerhin verdankt die Nachwelt Claudia Roth damit den „König von Deutschland“. Indirekt. Dann erwähnt Roth auch noch ein Schülerpraktikum in einem Theater: Ein fleißiges Mädchen war die spätere Staatsministerin.

An diesem beeindruckenden Lebenslauf scheinen sich grüne Nachwuchsabgeordnete ein Beispiel genommen zu haben. So versucht die 24-jährige Emilia Fester, in ihrem Lebenslauf auf der Internetseite des Bundestags – der durchaus lang erscheint – mit ihren erstaunlichen Erfahrungen zu punkten: Sie sei Schülersprecherin und im Schulvorstand gewesen und dann habe sie auch noch an einem „Exkursionsprogramm“ nach Tansania teilgenommen. Ihre Schule hätte ihr zusätzlich einen Preis für ihr persönliches Engagement verliehen – stolz müssen ihre Eltern sein.

Außerdem sind da noch ihre Führungskompetenzen: Fester hat zwei Jahre lang die künstlerische Leitung eines „Jugendkollektivs“ übernommen. Neben ihren jährlichen „Jugend-Improtheater-Workshopcamps“ hat sie vor sechs Jahren auch mal in einem Theaterstück für Kinder mitgespielt: „zweikummernull“ von TheaterMatz. Auf ihrer eigenen Website betont sie immer wieder, wie sie „als Kind zweier Kulturschaffender“ schon früh politisch wurde: „Rückblickend betrachtet, würde ich sagen, war ich es immer (- politisch). Schon als Kind war mir wichtig, dass meine Stimme gehört wird und dass es um mich herum gerecht zugeht.“ Na, dann gehört sie wohl auf jeden Fall in den Deutschen Bundestag.

Stephans Spitzen: 
Kinder an die Macht? Bloß nicht
Anders als in ihrem Lebenslauf beim Bundestag, beteuert Fester auf ihrer Website, an einem Kinder- und Jugendtheater zu studieren und zu arbeiten. Wie auch immer ein Studium in einem Theater funktioniert. Normalerweise gehen Menschen dafür schließlich in die Universität.

Viele Grünen-Politiker geben an, zumindest ein Studium begonnen zu haben. Bei einigen dauert das Studium allerdings ganz schön lange: So studiert Agnieszka Brugger laut Wikipedia seit 19 Jahren an der Universität Tübingen. Einen Abschluss hat sie noch nicht fertiggebracht – aber ein Studium sieht halt trotzdem gut aus auf dem Lebenslauf. Mal sehen, wie viel Zeit es Ricarda Lang kosten wird, bis sie ihren ersten Abschluss macht: Sieben Jahre sind schon um. Auch der Abgeordnete Niklas Wagener ist Student – seit neun Jahren –: Forstwirtschaft, ohne Abschluss. Zehn Jahre studiert auch schon Tobias B. Bacherle, schreibt nun aber an seiner Abschlussarbeit – seit vier Jahren –, wie er auf seiner Internetseite offenlegt. Das wird bestimmt eine sehr beeindruckende Abschlussarbeit.

Anpassung von Diät an früheres Gehalt
Wäre manch ein Bundestagsabgeordneter „auf Stütze angewiesen“?
Andere Grünen-Politiker geben einfach zu, dass sie ihr Studium abgebrochen haben: unter anderen Claudia Roth, Jamila Schäfer und Leon Eckert. Als Ersatz für ein Studium scheint ein Praktikum oder eine Arbeitsstelle bei einer Partei oder einem anderen Politiker zu gelten. So verlängern mitunter Luise Amtsberg, Karl Bär und Annalena Baerbock ihre Lebensläufe mit solchen Tätigkeiten.

Ein weiterer Trend in den Lebensläufen der Bundestagsabgeordneten ist es, allerlei Mitgliedschaften auf ihren Internetseiten zu dokumentieren: Es scheint sich gut auf dem Lebenslauf zu machen, den Sportverein, in dem sie Mitglieder sind – also in dem sie Sport treiben –, zu nennen. Andere Grünen-Politiker geben auch ihre Mitgliedschaft in der Freiwilligen Feuerwehr an: Philip Krämer zum Beispiel. Leon Eckert ist sogar Feuerwehrmann in zwei verschiedenen Gemeinden. Dann ist ja Verlass darauf, dass diese Politiker auch mit brenzligen Situationen umgehen können.

Während der Recherche ist noch etwas aufgefallen: Ein großer Teil der Grünen-Politiker posiert auf ihren Internetseiten mit Fahrrädern. Deborah Düring erklärt in ihrem Lebenslauf auch noch, wie sie ihr erstes „Peugeot-Fahrrad“ finanziert habe. Als studentische Hilfskraft halt. Auch ihr zweites „Peugeot-Fahrrad“ führt sie in ihrer Vita auf – allerdings ohne auf dessen Finanzierung zu verweisen.

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