Tichys Einblick
Generaldebatte im Bundestag

Kanzler Olaf Scholz hat den Deutschen nur Sprüche und Vergangenheit zu bieten

Die Haushaltswoche läuft. Im politischen Geschäft gilt die Rede des Bundeskanzlers dazu als einer der Höhepunkte des Jahres. Doch Olaf Scholz hat den Bürgern nichts zu bieten als einen Blick in die Vergangenheit.

IMAGO / Christian Spicker

ARD, ZDF und linke Zeitungen wollen rot-grüne Politik gut aussehen lassen. Soweit nichts Neues. Spannend aber ist die Auswahl, die sie treffen. Es ist eine Attacke, die Olaf Scholz (SPD) in seiner Haushaltsrede gegen Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) führt, die im Mittelpunkt ihrer Berichterstattung steht: „Sie haben Abwehrkämpfe geführt gegen jede einzelne Windkraftanlage. Und jeder Abwehrkampf der letzten Jahre schadet unserem Land noch heute“, wählt etwa „Bericht aus Berlin“ als Scholz-Zitat aus. Die Schuld für die heutigen Probleme liege in der Zeit der Merkel-Regierung. Auch die anderen gängigen Unterstützer-Medien feiern Scholz für seine Attacken auf Merz und für die Emotionalität, die der Hanseat dabei gezeigt habe – steht die Sonne tief, wirft auch ein Zwerg lange Schatten.

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Nun ließe sich dagegenhalten: Während 20 der letzten 24 Jahre war die SPD an der Bundesregierung beteiligt. Scholz selbst war Vizekanzler im vierten Kabinett Merkel, das den Ausbau der erneuerbaren Energien ausgebremst hat. Und zum Kanzler wurde Scholz überhaupt erst gewählt, weil er Kontinuität versprach, sich anders als Armin Laschet (CDU) als der eigentliche Merkel-Erbe inszenierte. Doch so inhaltlich richtig das alles ist, so irrelevant ist es auch in der heutigen Debatte: Scholz ist Bundeskanzler. Seine Aufgabe ist es nicht, über die Politik der vergangenen Jahre zu philosophieren. Seine Aufgabe ist es, die Probleme der Gegenwart und die der kommenden Jahre zu lösen. Und da ist es wenig zielgerichtet, wenn er sich an Merz abarbeitet, wie es ihm unter anderem die Fraktionsvorsitzende der Linken vorwirft, Amira Mohamed Ali.

Da ist Scholz’ Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Dessen wirrer Auftritt am Abend zuvor bei Maischberger ist Thema in vielen Reden der Haushaltsaussprache. Unter anderem Merz spricht ihn an. Habeck hatte im Fernsehen erklärt – ungeschnitten, nicht von russischen Trollen lanciert –, Unternehmen müssten nicht wegen der Energiekrise in die Insolvenz. Sie könnten ja einfach vorher aufhören zu produzieren und zu verkaufen. Das ist die Antwort des Wirtschaftsministers auf die Wirtschaftskrise. Und viel mehr hat Olaf Scholz auch nicht zu bieten. Außer den Hinweis, dass die Schuld dafür in der Vergangenheit liege, bei der CDU. Und das hat er dann ganz emotional vorgetragen, wie ARD und Co schwärmen.

Am Sonntag hat die Bundesregierung ein „Entlastungspaket“ angekündigt. 65 Milliarden Euro soll es schwer sein. Sofern alle Haushaltsposten auch tatsächlich abgerufen werden. Bei den Corona-Paketen zahlte der Bund auch nur einen Bruchteil dessen aus, was er theoretisch in den Haushalt stellte. Dieses „Entlastungspaket“ sollte nun die Haushaltswoche dominieren, von den eigentlichen Baustellen ablenken. Die Bundesregierung als Wohltäter darstellen – und die Probleme als halb so schlimm. Doch nicht mal mehr die Scholz wohl gesinnten Medien scheinen auf diese Erzählung zu bauen. Stattdessen rücken sie die Attacken auf Merz in den Fokus – und dass Scholz die ganz doll emotional vorgetragen habe.

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Noch ist kein Cent des „Entlastungspakets“ ausgezahlt, da ist seine mediale Wirkung schon verpufft. Zum einen weil die Menschen rechnen können. Weil sie wissen, dass bei zusätzlichen Energiekosten von 400 Euro im Monat und mehr eine Einmalzahlung von 300 Euro nur Wasser auf dem heißen Stein ist. Zum anderen, weil die steigenden Energiepreise schlimm sind. Aber längst nicht das einzige Problem. Noch nicht mal das schlimmste. Denn schlimmer noch als teurer Strom wäre gar kein Strom mehr. Das ist durchaus möglich. Das meint Habeck eigentlich, wenn er Unternehmen vorschlägt, durch rechtzeitigen Produktionsstopp der Insolvenz zu entgehen. Oder was Grünen-Chefin Ricarda Lang meint, wenn sie im ARD-Interview von „Lastabwurf“ als Lösung des Energieproblems spricht. Das heißt: Die Regierung nimmt gezielt einzelne Regionen oder Bereiche vom Netz, setzt sie dem Stromausfall aus. Da wird im ARD-Interview nicht nachgehakt. Aber Lang ist ja weder Hanseatin noch emotional, da kennt sich das Erste dann nicht so aus.

Deutschland hat ein Energieproblem. Aber nicht nur. Es hat viele Probleme, die ineinander übergreifen: In der Energiepolitik hat sich das Land von den anderen EU-Staaten abhängig gemacht, eben jenen, denen es in den vergangenen Jahren immer wieder vor den Kopf gestoßen hat. Etwa in der Asylpolitik. Es will die soziale Not lösen, die aus der Energiekrise entsteht, indem es massiv Geld ausgibt. Aber das kann es sich eigentlich nicht mehr leisten, warnt der Bundesrechnungshof. Es will die erneuerbaren Energien rasch ausbauen, aber es fehlt an Material und Fachkräften – obwohl Experten davor seit Jahrzehnten warnen.

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Und obwohl Deutschland eine massive Einwanderungswelle hinter sich hat, die aber offensichtlich nicht die benötigten Fachkräfte mit sich gebracht hat. Auch weil die Verwaltung mittlerweile so aufwendig, stur und ineffektiv ist, dass sie vieles Mögliche verhindert. Etwa dass Fachkräfte unter den Einwanderern auch arbeiten dürfen. Obendrauf kommen als Kirsche noch explodierende Kosten in der Pflege, der Gesundheitsbranche und durch die Corona-Politik, an der Deutschland anders als andere europäische Staaten festhält.

Auf all diese Probleme hat Olaf Scholz nur unterkomplexe Antworten: keine Fachkräfte? Einmal 300 Euro für Rentner. Kein Strom? Einmal 200 Euro für Studenten. Drohende Zahlungsunfähigkeit von privaten Haushalten? Etwas weniger als 20 Euro Kindergeld im Monat mehr. Unternehmen, die reihenweise pleitegehen? Wenn sie ihren Mitarbeitern einen Energiebonus bezahlen, ist der steuerfrei. Bis zu einer Grenze von 3000 Euro. Das garniert Scholz durch platte Sprüche: mal sozialromantisch – es werde der Winter des sozialen Zusammenhalts. Mal kumpelhaft aus dem Fußball – „You’ll never walk alone“. Wie herrlich volksnah.

Olaf Scholz hat die Richtlinienkompetenz. Theoretisch. Praktisch wendet er sie nicht an: Habeck darf über Produktionsstopp als Alternative zur Insolvenz schwadronieren – darf mitten in der Energiekrise Atomkraftwerke vom Netz nehmen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) darf die dramatische Situation in der Pflegeversicherung weiter ignorieren und sich auf eine Corona-Politik konzentrieren, die in Europa einzigartig ist. Und Innenministerin Nancy Faeser (SPD) darf islamisch motivierte Kriminalität als quasi nicht vorhanden abstufen in einer Woche, in der sich islamisch motivierte Straftaten gegen Trans-Menschen häufen.

Zu alledem hätte Scholz das Recht, ein Machtwort einzulegen. Die Entwicklungen per Richtlinienkompetenz zu steuern. Er tut es nicht. Er flüchtet sich in ein paar Almosen, Angriffe auf Merz – aber das ganz doll emotional. Und letztlich ist Scholz der Kanzler der platten Sprüche. Das ist seine Vorbereitung auf die größte Krise des Landes seit dem Zweiten Weltkrieg. „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“ Das klingt ähnlich gut wie die Sprüche, die von Scholz kommen. Aber das sagen Fußball-Manager am Samstagabend, bevor sie am Sonntagmorgen den Trainer entlassen. Mal sehen, wann Scholz dazu greift.

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