Tichys Einblick
Generaldebatte im Bundestag

Friedrich Merz sucht Partner – und Strategie

Friedrich Merz tritt im Bundestag zur Generaldebatte gegen Kanzler Olaf Scholz an. Doch selbst wenn er in einzelnen Fragen punktet: Insgesamt fehlt es dem Oppositionsführer an Partnern, Strategie und Richtung.

IMAGO/photothek
Die Generaldebatte zum Haushalt ist die Sternstunde des Parlaments. Zumindest ist es so vorgesehen. Vor allem für den Oppositionsführer. Er darf vor dem Kanzler sprechen. Er bekommt die Gelegenheit, mit dessen Politik abzurechnen. Was macht Friedrich Merz (CDU) draus? Er beginnt mit der „Zeitenwende“. Ein Begriff, den Kanzler Olaf Scholz (SPD) geprägt hat und mit dem die Folgen des Ukraine-Kriegs gemeint sind. Merz sagt, er zweifle, ob die meisten Abgeordneten im Bundestag die „Dimension richtig verstehen“.

Ein unbeliebtes Thema verbindet Merz mit einer Klugscheißer-Attitüde und nutzt dafür die Begriffe des politischen Konkurrenten. Es ist ein Ausdruck dafür, wie der CDU-Vorsitzende die Opposition führt: tapsig und planlos. Vielleicht ist Merz ja schlauer als alle anderen. In manchen Feldern. Sozial ist er es definitiv nicht: Niemand mag den Klassenstreber, der immer rumläuft und alle daran erinnert, um wie viel schlauer er ist. Aber immerhin hat der Klassenstreber Erfolg in Form guter Noten. Seine Intelligenz, die zumindest Merz immer wieder beschwört, hilft ihm nicht weiter, eine Opposition aufzubauen, die Wähler hinter sich vereint und die Regierung unter Druck setzt. Merz’ Union stagniert bei 27 Prozent in den Umfragen und muss zusehen, wie ihr die AfD immer näherkommt.

Angesichts seiner strategischen Unfähigkeit hilft es Merz nur wenig, wenn er in der Sache recht hat. Etwa beim Verteidigungshaushalt. Zu recht erinnert er den Kanzler daran, dass die CDU gemeinsam mit der Ampel für ein Schulden finanziertes „Sondervermögen“ von 100 Milliarden Euro gestimmt hat – als Reaktion auf den Krieg 800 Kilometer vor Deutschlands Grenze. Jetzt nutze aber die Ampel das Geld aus diesem einmaligen, historisch begründeten Etat, um Personal- und Betriebskosten der Bundeswehr zu bezahlen. Wie die Ampel nach 2027 das Ziel erfüllen wolle, zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes für die Aufrüstung auszugeben, wisse Scholz nicht. Die Analyse ist treffend.

Nur ist es nicht die Erkenntnis eines Oppositionsführers. Merz’ Rede ist das Werk eines Referenten, der bei Blackrock für diesen Vortrag gut bezahlt werden würde. Nicht aber das Werk eines Politikers, der eine politische Alternative formt. Für diese Aufgabe ist Merz zu sprunghaft. Im Vorfeld der Generaldebatte hatte Merz mit der Forderung nach einem höheren Spitzensteuersatz irritiert. Dafür hatte er Beifall von SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert erhalten.

Nun ist Generaldebatte. Merz müsste den Kanzler und seine Koalition mit Karacho attackieren. Doch stattdessen muss er eine Gebrauchsanweisung liefern, wie seine Worte der letzten Woche eigentlich zu verstehen seien. Die wievielte Merz-Gebrauchsanweisung ist das eigentlich? Zu der Attitüde, schlauer zu sein als die anderen, kommt bei Merz die Attitüde dazu, dass er so schlau ist, dass ihn die anderen gar nicht richtig verstehen. Das ist eine völlig angemessene Haltung. Für einen Klassenstreber, der sich den Samstagabend allein im Kinderzimmer schönreden muss – nicht aber für einen Oppositionsführer, der die Regierung vor sich hertreiben will.

In der Generaldebatte spricht der Oppositionsführer zuerst. In dieser Debatte soll er den Takt vorgeben, die Themen setzen. Das kann Merz nicht. Also greift er auf die Rede des Finanzministers Christian Lindner (FDP) zurück. Vom Vortag. Als Lindner vor einem „Eisberg“ gewarnt hat, auf den Deutschland zusteuere, hätten SPD und Grüne ihren Minister nicht mehr mit Applaus unterstützt, sagt Merz, hätten grüne Minister demonstrativ den Bundestag verlassen und nun gebe es zwei Oppositionsführer – einen in der Regierung und einen in der Opposition.

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Alles richtig. Sachlich. Aber nichts, was die Regierung wirklich vor sich hertreibt. Das könnte nur ein alternatives Konzept, getragen von einer charismatischen Führungskraft. Letzteres ist Merz nicht und Ersteres hat er nicht. Er behauptet in der Generaldebatte: „Wir würden das Gebäudeenergiegesetz nicht machen.“ Das Gesetz ist drei Jahre alt und noch unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verabschiedet worden. Samt Restriktionen gegen Hausbesitzer. Das Gesetz wird jetzt nur reformiert.

Merz behauptet: „Wir würden Bürgergeld so ausgestalten, dass sich Arbeit mehr lohnt als der Bezug von staatlichen Transferleistungen.“ Im Herbst hat die CDU erst wortreich gegen das Bürgergeld gesprochen und es dann doch mitgetragen. Dieses Mal hat die Ampel die CDU nicht gefragt. Also behauptet ihr Chef, dieses Mal wäre er dagegen gewesen. Und zwar richtig. Konsequent. Bis zum Schluss. Ohne zurückzurudern. Merz ist noch nicht so lange Oppositionsführer, wie Scholz Kanzler ist – trotzdem „genießt“ er eine ähnlich katastrophale Glaubwürdigkeit.

Aktuell ist Merz für entschlossene Grenzkontrollen, für niedrigere Steuern auf Investitionen oder für eine niedrigere Staatsquote. Ein Kurswechsel? Schon wieder? Oder ist es so, wie es AfD-Chef Tino Chrupalla sagt: „Sie suchen nach den Grünen jetzt den nächsten Koalitionspartner“? Über das Jahr biedert sich Merz bei den Grünen an, vor der Generaldebatte bei der SPD und während der Generaldebatte bei der FDP. Friedrich Merz ist der Oppositionsführer, für den es eine Gebrauchsanweisung braucht – oder eine Garantie. Zum Umtauschen.

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