Tichys Einblick
"Viele unserer Wähler fühlen sich verraten"

FDP-Mitglieder beantragen Mitglieder-Entscheid gegen Impfpflicht

An der Parteibasis der FDP herrscht Unmut über die Hinnahme der Impfpflicht-Pläne durch die FDP-Minister in der Ampel-Koalition. Nun könnte es zu einem Mitglieder-Entscheid kommen. Wir dokumentieren die Argumentation der drei Initiatoren.

imago images / Christian Spicker

Unter FDP-Mitgliedern wächst offenbar der Widerstand gegen die zunehmenden Forderungen aus der Ampel-Regierung, eine Impfpflicht einzuführen. Drei Parteimitglieder haben jetzt beim Bundesvorstand beantragt, einen Mitgliederentscheid durchführen zu lassen über die Frage: „Soll sich die FDP gegen eine allgemeine Impfpflicht gegen Covid-19 aussprechen?“ Um diesen durchzuführen, benötigen Sie die Unterschriften von 5 Prozent der FDP-Mitglieder.

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Die drei Antragsteller Alexander Buschner, Susanne Schmidt und Bert Krames kritisieren in einer an die rund 73 000 FDP-Mitglieder versendeten E-Mail die Bundesregierung und ihre eigene Parteiführung, die vor der Bundestagswahl eindeutig gegen die Impfpflicht Stellung bezogen hatte:

„Viele unserer Wähler fühlen sich verraten, Mitglieder sind enttäuscht und treten vermehrt aus. Das Land ist so gespalten wie nie zuvor, was selbst Freundeskreise und Familien zerbrechen lässt. Anstatt die dramatischen Gräben innerhalb der Gesellschaft zuzuschütten, wurden sie von der neuen Bundesregierung durch 2G und 2G+ noch vertieft.

Zusätzlich wird nun auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit und die selbstbestimmte Entscheidung über den eigenen Körper in Frage gestellt. Die bereits beschlossene berufsbezogene Impfpflicht ist eine Aberkennung der Grundrechte. Ein parteiübergreifendes Versprechen wurde gebrochen, was die Glaubwürdigkeit der Politik bereits jetzt massiv erschüttert hat. Die allgemeine Impfpflicht darf nicht beschlossen werden!“

Die Antragsteller begründen ihre Position ausführlich gesundheitlich, gesellschaftlich und parteilich. Wir dokumentieren im folgenden ihre Argumente, die in einer E-Mail an alle FDP-Mitglieder gingen:

Gesundheitliche Argumente:
Eine Herdenimmunität im Sinne einer Ausrottung ist nicht wahrscheinlich und eine einzelne Impfpflicht wird nicht genügen.

Der Schutz vor einer symptomatischen Infektion, etwa Husten oder Niesen, nimmt dramatisch mit der Zeit nach der Impfung ab, weshalb sogenannte “Booster-Impfungen“ regelmäßig notwendig werden. Nachträglich wurde die Empfehlung für AstraZeneca aufgrund von teils tödlichen Nebenwirkungen durch Hirnthrombosen nur noch für >60-jährige ausgesprochen. Der Impfstoff von Moderna wurde aufgrund von Risiken wie Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen nachträglich nur für >30-jährige empfohlen. Wer sich aufgrund von Sorgen vor Nebenwirkungen oder anderen Gründen gegen eine Impfung entscheidet, sollte nicht systematisch benachteiligt oder zu einer Impfung gezwungen werden.

Die Nutzen-Risiko-Abwägung der Impfung fällt mit steigendem Alter eher positiv für eine Impfung aus, da mit steigendem Alter auch die Wahrscheinlichkeit für eine schwere COVID-19 Erkrankung steigt. Norwegen, Großbritannien & Hongkong überlegen den mRNA Impfstoff von Biontech/Pfizer bei Jugendlichen nur eingeschränkt zu verabreichen. Bei 30 % der Herzmuskelentzündungen ist laut Herzstiftung keine komplette Heilung zu erwarten. Langzeitfolgen können Herzrhythmusstörungen oder eine Herzinsuffizienz sein. 90521 von 95213 (95,07 %) der Covid-Toten sind älter als 60, 81660 von 95213 (85,77 %) der Covid-Toten sind älter als 70. 61,8 % der Covid-ITS-Belegung ist älter als 60, 83,6 % der ITS-Belegung ist älter als 50. Lediglich 1,3 % Covid-Fälle auf der ITS sind zwischen 18 und 29 Jahren alt. Menschen, die sich gegen eine Impfung entscheiden, sollten nicht aufgrund ihrer Entscheidung systematisch benachteiligt werden. 

Durch Tests können Ungeimpfte nachweisen, dass sie keinen Beitrag zum Infektionsgeschehen leisten und dass sie für sich und andere keine Gefahr darstellen. 

Argumente, dass ungeimpfte Kinder vor Corona geschützt werden müssen, sind unbegründet. Kinder erkranken nur in den seltensten Fällen schwer an Covid und müssen nicht vor der Krankheit, sondern vor den Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung geschützt werden. 

Eine medizinische Maßnahme muss basierend auf einer INDIVIDUELLEN Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen!

Gesellschaftliche Argumente:
Druck erzeugt Gegendruck. Eine allgemeine Impfpflicht wird die Akzeptanz der Impfung nicht erhöhen, sondern trägt zur Spaltung und Radikalisierung der Gesellschaft bei.

Durch den Ausschluss aus der Gesellschaft durch 2G und 2G+ wird bereits jetzt die Unzufriedenheit der Bevölkerung gefördert. Eine medial geförderte Kampagne gegen die Ungeimpften und Schuldzuweisungen gegen die Ungeimpften werden die Probleme unseres Landes nicht beseitigen. 

Eine allgemeine Impfpflicht wird als sinnvolle Maßnahme impliziert. Hierbei ist jedoch unklar, wie häufig eine verpflichtende Impfung wiederholt werden muss. Angesichts des dramatisch abfallenden Schutzes vor einer symptomatischen Infektion wird eine einmalige “Durchimpfung“ nicht ausreichen. Welchen Vorteil zieht die Allgemeinbevölkerung daraus? Ob und wie häufig sich unsere Bürger impfen, sollte eine individuelle Entscheidung bleiben.

Die Diskussion und das Zusammenleben innerhalb der Gesellschaft werden immer toxischer. Wir sollten aufhören, von Impf-Verweigern, Masken-Muffeln (bei Personen, die aus gesundheitlichen oder psychischen Gründen keine Maske tragen können), Corona-Leugnern, Schlaf-Schafen oder Covidioten zu sprechen. Eine Zweiklassengesellschaft wird diese Situation nicht verbessern, sondern massiv verschlechtern. 

Eine Frosch-im-Kochtopf-Taktik durch endlose Verlängerungen eines Notstands oder eines Notstandsgesetzes ohne klares Ziel ist nicht zielführend.

Verpflichtende Impfungen halten wir als nicht angemessen. Die Impfungen gegen COVID-19 schützen in erster Linie die Geimpften selbst, weniger andere.

Fachkräfte, die sich bewusst gegen eine Impfung entschieden haben, werden durch eine allgemeine Impfpflicht einen Grund mehr sehen, das Berufsfeld oder das Land zu verlassen. Es ist zu befürchten, dass der Fachkräftemangel dadurch noch verstärkt wird.

Alle Parteien haben sich vor der Wahl gegen eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen. Die Einführung der allgemeinen Impfpflicht wird das bereits kaum noch vorhandene Vertrauen in die Politik massiv erschüttern!

Parteiliche Argumente
Wir sind die FREIEN Demokraten. Freiheit lässt sich nicht in einer Gesamtbilanz saldieren. Wie Dahrendorf sagen würde: „Freiheit ist Freiheit, nicht Gleichheit oder Fairness.“ Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden.

Nach den Freiburger Thesen ist ein Grundsatz des Liberalismus die Menschenwürde durch Selbstbestimmung! Wie können wir selbstbestimmt entscheiden, wenn der Staat durch radikale Maßnahmen die freie Entscheidung einengt? 

Der individualistische, liberale Grundgedanke ist ein Herzstück unserer Partei. Wie können wir den kollektivistischen Ansätzen der Pandemiepolitik in voller Radikalität folgen, indem wir durch negative Anreizsysteme wie 2G, systematischen Ausschluss und durch Zwang die Individuen unseres Landes zu gewissen Entscheidungen treiben? Der fehlende Einsatz der FDP für den Individualismus wird bereits von Autorinnen wie Anna Schneider und Rainer Hank kritisiert. 

CL hat das 2G-Modell vor der Wahl selbst als unverhältnismäßig deklariert, forderte vor der Wahl eine Garantie gegen einen neuen Lockdown und gegen eine Impfpflicht[15], tendiert mittlerweile aber für eine allgemeine Impfpflicht. Auch unser jetziger Justizminister Marco Buschmann war gegen eine Impfpflicht, Kubicki spricht sich weiterhin dagegen aus. Die FDP konnte erst aufgrund ihrer Oppositionsarbeit in der Corona-Pandemie 11,5 % erreichen. Davor lag sie zwischen 5 und 9 %, erkennbar am 6 Jahres Trend. Was werden unsere Wähler von der Glaubwürdigkeit unserer Versprechen halten? 

Die Beteiligung an der allgemeinen Impfpflicht ist nicht vereinbar mit dem liberalen Grundgedanken und verstößt gegen Versprechen, die den Mitgliedern und den Wählern der Partei gegeben wurden. Diese Wahrnehmung wird von den unzähligen Kommentaren unter den Posts von FDP und CL bestätigt. Eine Verlängerung des Infektionsschutzgesetzes im März ist zu erwarten. 

Wenn wir nicht massive Mitglieder- und Stimmverluste verzeichnen möchten, müssen wir eine klare Stellung beziehen. Eine Ungleichbehandlung von Ungeimpften und Geimpften kommt einer systematischen Ausgrenzung gleich und ist nicht mit dem liberalen Grundgedanken vereinbar. Wir brauchen einen klaren Plan für einen Ausstieg aus autoritären, kollektivistischen Maßnahmen, die sich gegen die Individualrechte unserer Bürger richten. Die allgemeine Impfpflicht führt zu einer Verschärfung der aufgeheizten Lage, lässt jedwede Glaubwürdigkeit der Politik in Trümmern zurück und ist mit unseren freiheitlichen Werten nicht vereinbar! 

(Hervorhebungen im Original)

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