Das Verfahren hat eine besondere Brisanz, da die Anklage direkt von der Bundesanwaltschaft, Deutschlands oberster Ermittlungsbehörde, erhoben wurde. Diese untersucht in Staatsschutzsachen. Gegenüber der Bild-Zeitung erklärte der Bundesanwalt Bodo Vogler: „Die Angeklagten vertreten eine linksextremistische, militante Ideologie, die den bestehenden demokratischen Rechtsstaat und das Gewaltmonopol des Staates ablehnen.“
Der Anklage sind monatelange Ermittlungen der Polizei und des sächsischen Verfassungsschutzes vorausgegangen – darunter heimliche Gesprächsaufzeichnungen und Beschattung von Verdächtigen. Unter anderem wurde die Wohnung von Lina E. durchsucht, wobei ein gefälschter Personalausweis sowie verschiedene Perücken gefunden wurden – laut den Ermittlern ein Hinweis darauf, dass die Angeklagte gezielt versucht habe, Ihre Identität zu verschleiern. Gegenüber der NZZ zog ein sächsischer Ermittler sogar einen Vergleich zur RAF: „Wenn man sich die Geschehnisse einmal anschaut und mit den Ereignissen rund um die RAF vergleicht: Da ging es ähnlich los“. Auch bei der Vereinigung um Lina E. handele es sich um sehr gut organisierte Kriminelle, die über ein besonderen Intellekt verfügen. Das erkenne man unter anderem an den Bekennerschreiben der Gruppe.
In der Ablehnung dieser Strömungen scheinen sich nicht alle Demokraten unbedingt einig zu sein
Seit Jahren ist es nicht mehr vorgekommen, dass die Bundesanwaltschaft gegen Linksextremisten vorgegangen ist. Dementsprechend aufgebracht ist die linksextreme Szene. Sie sieht in dem Verfahren einen Versuch des Staates „Antifaschismus zu kriminalisieren“. Unter dem Hashtag #FreeLina gibt es in ganz Deutschland Spendenaufrufe und Solidaritätsbekundungen mit der potentiellen Terroristin. Der Slogan prangert auf Hauswänden und Stromkästen in Leipzig, es werden sogar Socken und T-Shirts mit dem Schriftzug verkauft. Schon am Mittwoch haben sich 70 Demonstranten vor dem Gericht versammelt. Eine der Aktivisten sprach aufgebracht mit einem Filmteam des mdr. Sie wundere sich, dass „rechte Gewalttäter als gesellschaftliche Mitte, die […] schützenswert sei, dargestellt werden“. Außerdem halte sie die Anklage für unberechtigt: „Den Angeklagten wird vorgeworfen, dass sie sich gegen Faschisten […] eingesetzt haben und jetzt werden […] die Angeklagten als Gefahr dargestellt.“
Ob es zur Verurteilung von Lina E. kommt, ist offen. Laut Verteidigung sei die Beweislage für den Vorwurf einer „kriminellen Vereinigung“ sehr dünn. Das Verfahren soll bis mindestens März 2022 laufen. Die Antifa hat für den 18. September schon die nächste Demonstration in Leipzig angekündigt.
In der Ablehnung dieser Strömungen scheinen sich nicht alle Demokraten unbedingt einig zu sein. Einer der vier Angeklagten soll, wie Focus Online, berichtet 2800 Euro von einem „Projekt für Demokratieförderung und Extremismus-Prävention“ erhalten haben. Der Großteil der parlamentarischen Linken schweigt zum Fall, ein Autor der taz kündigte eine Spende an den Verein „Rote Hilfe“ an um die besagte Verdächtigte zu unterstützen. Die „Rote Hilfe“ griff bereits RAF-Mitgliedern juristisch unter die Arme und solidarisierte sich noch vor kurzem mit den bis heute untergetauchten Mitgliedern der Terrorgruppe.