Tichys Einblick
Fahndung nach RAF-Terroristen

Die seltsame Rolle des „Verfassungsschutzes“ im Kampf gegen Linksterrorismus

Das Leben der drei gesuchten RAF-Terroristen im Untergrund ist voller bizarrer Momente. Und es zeigt: Der Kampf gegen Linksextremisten liegt der Faeserrepublik Deutschland nicht. Der Staat führt ihn bestenfalls mit halbem Herzen.

IMAGO

Im Berliner Park am Gleisdreieck gab es während des Gassigehens am Montagmorgen vor allem ein Thema: den Terroristen Burkhard Garweg. Der soll mit seinen Hunden öfters im Stadtteil unterwegs gewesen sein. Ein verhärmter alter Mann. Mit wirrem Blick, linken Ideen und gleich mehreren Hunden. Das Problem: In Kreuzberg trifft diese Beschreibung auf erstaunlich viele zu.

Doch auch wenn an der Fahndung nach den drei RAF-Terroristen Garweg, Daniela Klette und Ernst-Volker Staub manches lustig klingt – es bleibt ein ernstes Thema. Den Dreien werfen die Ermittlungsbehörden mehrere Raubüberfälle auf Geldtransporter vor. Inklusive der Bereitschaft zum Töten. Mutmaßlich sind sie aber auch an RAF-Morden der 90er Jahre beteiligt und damit auch der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung schuldig. Alles zusammen macht die drei zu hoch gefährlichen Schwerverbrechern. Sind solche menschlichen Zeitbomben unterwegs, dann kann der steuerzahlende Bürger verlangen, dass der Staat alles tut, sie zu entschärfen.

Verhaftung von Daniela Klette
Der Kiez, die Linke und die Handgranate
Zumindest der „Verfassungsschutz“ hat aber in der RAF-Fahndung geschlafen. Bestenfalls. Oder der Inland-Geheimdienst hat absichtlich weggeschaut. Anders ist sein brutales Versagen nicht zu erklären. Während der „Verfassungsschutz“ fleißig wie ein Musterschüler jeden Beitrag seines ehemaligen Chefs Hans-Georg Maaßen über die Grünen auf Twitter sammelt, ist auf Facebook die gesuchte Terroristin Daniela Klette unbeobachtet unterwegs. Die mutmaßliche Schwerverbrecherin postet Bilder von sich auf Reisen, schreibt über ihre Vorliebe für den brasilianischen Kampfsport Capoeira und sucht über die Gruppe „Besser Mitfahren“ nach Gelegenheiten, sich fortbewegen zu können.

Während der Inland-Geheimdienst in bester deutscher Inland-Geheimdienst-Manier die Äußerungen eines Regierungskritikers sammelt, bewegt sich eine als Terroristin Gesuchte in den sozialen Netzwerken wie ein Fisch im Wasser. Das geht nur, wenn der Inland-Geheimdienst nichts, aber auch gar nichts drauf hat. Oder wenn er nach Linksextremisten gar nicht suchen will, weil er in einem Land arbeitet, das Linksextremismus gar nicht so schlimm findet. In dem in Talkshows des Staatsfernsehens Vertreter der Bundesregierung oft einer Meinung sind mit Redakteurinnen der TAZ – und in der die TAZ nach der Verhaftung kommentiert, der Staat solle die RAF nicht verfolgen, sondern ihr entgegenkommen. Als ob diese keine Morde begangen, sondern nur auf dem Weg zur Freitagsdemo mit dem Lastenfahrrad eine rote Ampel überfahren hätte.

"Nicht neutral"
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Wie leicht es war, Klette zu überführen, zeigte ein kanadischer Journalist. Michael Colborne musste nur einmal ein Programm der Gesichtserkennung übers Internet laufen lassen und schon hatte er die gesuchte Terroristin ausfindig gemacht. 30 Jahre vergebliche Arbeit deutscher Behörden? Null Ergebnisse. Ein kurzer Move für einen kanadischen Journalisten? Treffer. Bezeichnend ist, dass es keine deutschen Journalisten waren, die sich auf die Suche nach der deutschen Schwerverbrecherin begaben. Die waren damit beschäftigt, Maaßen-Tweets zu sammeln, in den Schultaschen von Freien Wählern zu schnüffeln und sich auf Demos gegen Rechts gegenseitig als Bürger zu interviewen. Im Kampf gegen Links sind in Deutschland nicht nur die Behörden blind, taub und lethargisch.

Die Verhaftung Klettes nahm das Landeskriminalamt Niedersachsen in Berlin noch mit einem kleinen Einsatzkommando vor. Nichts ging schief, Klette konnte problemlos festgenommen werden. Obwohl die Funde in ihrer Wohnungen zeigten, wie gefährlich die Frau ist: Eine Panzergranate und Sprengstoff waren unter dem Material, das die Frau sammelte, die sonst auf den Tanz-Kampfsport Capoeira steht.

Am Sonntag kam es zu zwei Versuchen, Garweg festzunehmen. Einmal in einer Wohnung und einmal auf einem Bauwagengelände. Jedes mal in linken Berliner Szenevierteln. Dieses mal waren große Einsatzkommandos am Start. Und der Terrorist verschwand kurz vor den Einsätzen. Zu behaupten, er habe einen Tipp aus den Reihen der Einsatzkräften erhalten, wäre eine Verschwörungstheorie. Aber die käme nicht unter die Top Zehn der absurden Verschwörungstheorien. Ja nicht einmal in die Top Hundert.

Morbide Faszination
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Nun gehen Fahndungsfotos Garwegs durch die Presse: ein linker Nörgler mit zu vielen Hunden. Ein Fisch im Wasser in Kreuzberg. In der Bild erklärt eine Tiertrainerin, dass seine Hunde Steuermarken und Registrierungskarten tragen. Wenn’s um ihre Hunde geht, sind deutsche Extremisten schon seit 90 Jahren penibel. Durch den Park am Gleisdreieck mit einem Hund zu spazieren, ist kaum möglich, ohne vom Ordnungsamt angesprochen zu werden. Garweg scheint dabei immer durchgekommen zu sein.

Das ist der rote Faden in der „Fahndung“ nach den drei mutmaßlichen Links-Terroristen. 30 Jahre konnten sie in Sozialwohnungen und in staatlich geförderten Aussteigerprojekten leben. Auf den Seiten von staatlich geförderten Organisationen wie dem „Bündnis gegen Rechts“ surfen oder der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Mit „Besser Mitahren“ reisen und sich mit Bildern ganz offen auf Facebook präsentieren. 30 Jahre lang. Als ob sie nicht unter Fahndungsdruck stünden. Dann taucht ein kanadischer Journalist auf, hat nach wenigen Klicks die mutmaßliche Schwerverbrecherin gefunden und plötzlich klappt es mit der ersten Verhaftung. Die zweite wird minutiös geplant, aber so minutiös, dass der Linksterrorist genug Minuten hat, um weiter zu verschwinden.

Um es offen zu sagen: Das stinkt. Wobei dieser Beitrag den Weg in die Unterlagen des „Verfassungsschutzes“ finden wird. Wenn es nicht gegen Links geht, kann der Inland-Geheimdienst fleißig und erfolgreich sein. Geht es gegen Links, ist ihr Chef Thomas Haldenwang (CDU) nachsichtiger. Dann nimmt er schon mal Gruppen in Schutz, die Ministerien und Flughäfen stürmen. Die wollten ja nur die Politik zum Handeln auffordern, sagt der „Verfassungsschützer“ dann.

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