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Überwachungsstaat voraus?

Innenministerin Faeser will Chatkontrollen ermöglichen

Bundesinnenministerin Nancy Faeser wünscht in einem neuen Positionspapier offenbar, die anlasslose Durchsuchung von Chatnachrichten zu ermöglichen. Dabei schließt der Koalitionsvertrag einen solchen Vorstoß eigentlich aus.

IMAGO / Christian Spicker

Offenbar plant das Bundesinnenministerium umfangreiche Kontrollen im Internet. Das geht aus einem Positionspapier hervor, das dem Blog Netzpolitik.org vorliegt. Dabei geht es um die anlasslose Durchsuchung von Chatnachrichten. Das Innenministerium will am umstrittenen „Client-Side-Scanning“ festhalten. Netzpolitik.org schreibt dazu: „Der Einsatz dieser Technologie würde dazu führen, dass E-Mails, Messenger-Dienste und weitere Kommunikationsplattformen anlasslos und massenhaft überwacht werden.“

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Der Entwurf der Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sieht damit eine umfangreiche Chatkontrolle vor – obwohl der Koalitionsvertrag eigentlich genau das ausgeschlossen hatte. „Allgemeine Überwachungspflichten“ oder „Maßnahmen zum Scannen privater Kommunikation“ hatten die Koalitionsparteien vor einem Jahr ausdrücklich abgelehnt. Faeser hat nach ihrem Vorstoß zur Beweislastumkehr damit neuerlich einen totalitär anmutenden Schachzug vorgenommen, der staatliche Kontrollen und behördliche Schikanen vor die Freiheitsrechte des Bürgers setzt.

Doch mit der neuesten Volte stößt sie nicht nur bei der FDP auf Widerstand; Justiz- und Digitalministerium – beide in liberaler Hand – haben sich deutlich gegen das Vorhaben positioniert. Auch aus der eigenen Fraktion gibt es Widerspruch. Die SPD-Digitalpolitikerin Anna Kassautzki sprach von einem Vorschlag, der „mit unverhältnismäßigen und inakzeptablen Grundrechtseinschränkungen“ einhergehe. Der Entwurf des Innenministeriums sei weder mit EU-Recht vereinbar noch grundgesetzkonform. Die Grünen kritisierten, dass der Faeser-Vorschlag „weit über das Ziel hinaus“ schieße.

Wie viel diese Gegenstimmen nützen, ist ungewiss. Faeser hat sich in Brüssel den Rücken stärken lassen. Die EU-Kommission will ebenfalls die anlasslose Chat-Kontrolle – und von den Innenministern der Mitgliedsländer gab es kaum nennenswerten Widerstand. Wenn die Massenüberwachung also nicht aus Faesers Haus kommt, dann über den Umweg der Europäischen Union. Das Spiel über die Brüsseler Bande ist meist erfolgreich.

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