Tichys Einblick
Was haben wir heute?

EuGH zu „humanitärem Visum“ und das Spatzenreihenhaus

Zu neueren und älteren Unterbringungs- und Besiedlungsplänen rauscht es heute im Blätterwald online und offline.

Die Tagesschau berichtet, das oberste Gericht der EU in Luxemburg habe das Recht auf ein „humanitäres Visum“ für die Einreise in die EU versagt. EU-Staaten sind nach diesem Urteil also nicht verpflichtet, Asylbewerbern ein Visum zur legalen Einreise auszustellen.

Das Gericht „wies darauf hin, dass der Visakodex nur für geplante Aufenthalte von höchstens drei Monaten gelte.“ Wer aber ein Visum beantragen würde mit der Absicht, einen Asylantrag zu stellen, wer also humanitäre Gründe angibt, hätte doch von vorne herein die Absicht, länger im Land zu bleiben, als es der auf 90 Tage beschränkten Aufenthaltstitel hergibt (taz).

Die Frage, die sich hier natürlich stellt, ist, ob es jetzt nicht lediglich um eine Neuetikettierung der Ausreise geht. Wird hier Ehrlichkeit abgestraft? Werden die Antragsteller dann in Zukunft einfach andere Einreisegründe angeben und damit weiterkommen?

Der taz-shop empfiehlt übrigens rechts vom Artikel auf der gleichen Seite ein „Spatzenreihenhaus“ genannten Haussperlingscontainer aus Holz für drei Familien für 39 Euro. Die einheimische Spatzenpopulation würde immer weiter abnehmen. Hier bietet man also den bedrohten Bio-Deutschvögeln einen „sicheren und gemütlichen Brutplatz“: „Nach dem großen Erfolg der Spatzen-WG haben wir das Immobilienangebot für die kleinen Haussperlinge erweitert und bieten mit dem Spatzenhaus eine Behausung für gleich drei Spatzenfamilien.“

Sehr viel weniger romantisch geht es aktuell in der Menschenpopulation zu. Speziell in Ungarn. Denn dort hat das Parlament nun mit großer Mehrheit für ein Gesetz gestimmt, nach dem Migranten im Land in Zukunft in Containersiedlungen nahe der Grenze zu Serbien festgehalten werden sollen. Hier geht es wohl zunächst einmal um eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit, denn die Menschen dürfen nur hier ihre Asylanträge stellen und die Unterkünfte bis zur Entscheidung über ihr Asylverfahren nicht verlassen, außer, sie gehen zurück nach Serbien.

Wo man hier von „Politik der strengen Abschottung“ und von „Transitzonen“ spricht, spricht man in anderem Zusammenhang von einem europäischen „Guantanamo“ – jedenfalls dann, wenn Bayern Gefährder auf unbestimmte Zeit festsetzen will. Wo da zwischen beiden „Ideen“ ein Zusammenhang besteht, werden Seehofer und Orbán ausdiskutieren müssen.

In Orbáns Welt erhalten die Behörden nun zukünftig das Recht zur Einstellung des Asylverfahrens, wenn der Asylbewerber sich nicht äußert, keine Fingerabdrücke abgeben will oder sich nicht fotografieren lässt.

Nun ist der ungarische Vorstoß möglicherweise gar nicht so teuflisch, wie es Teile der europäischen Presse heute darstellen, denn streng genommen ist diese „Zwangsunterbringung“ nichts anderes, als die rasche Umsetzung der Idee in die Tat von beispielsweise Thomas de Maizière, der Orbáns Containerdörfer Ende 2016 allerdings in Nordafrika aufgestellt wissen wollte. Dort sollen dann Asylanträge gestellt und entschieden werden. Nun lebt ein Migrant in einem Container in Nordafrika wirtschaftlich sicher am Existenzminimum, andererseits wird man so eine Containerei nicht in einem unsicheren Herkunftsland aufstellen. Die Sache ist also knifflig, was ein erfolgreiches Asylverfahren betrifft. Die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt kommentierte das damals so: „Das Innenministerium behandelt Geflüchtete wie eine ansteckende Krankheit, die man sich vom Hals halten will.“

Ob nun aber Ungarn, Nordafrika oder sonst wo, welcher Wohlstandsdeutsche kann sich vorstellen, monatelang mit Familie in einem Sperlingskasten zu leben? Um sich ein Bild zu machen, was das bedeuten könnte, schauen wir einmal stellvertretend auf der Website der Firma Sconox vorbei, die residiert im Schleusenweg im beschaulichen Limburg an der Lahn und verspricht, „Flüchtlingsunterkünfte schnell und pragmatisch (zu) errichten.“ Anschaffenden Kommunen wird auch eine spätere Umnutzung oder der Weiterverkauf von Wohnheimen angepriesen „sobald kein Bedarf mehr besteht.“ Dadurch lasse sich „stets ein nicht unerheblicher Teil des ursprünglichen Kaufpreises erlösen. Beispielsweise können diese am Standort als Monteurspension oder gar als Hotel umgenutzt werden. Zum anderen sind Wohncontainer mobil und können ganz oder teilweise an Kunden in ganz Europa verkauft werden.“

Auch Beispiele für real existierende „Flüchtlingsunterkünfte“ werden gezeigt. „Auf Wunsch inklusive robuster Möblierung.“

Für die Afrika-Idee des deutschen Innenministeriums wäre dann wiederum ein Produkt interessant, dass von einem weiteren deutschen Unternehmen angeboten wird: Nämlich „Solarcontainer für eine nachhaltige und erneuerbare Energieversorgung in Afrika.“ Haben diese Solarcontainer bisher „Dorfgemeinschaften, landwirtschaftlichen Betriebe, Hilfsorganisationen, Minen in Afrika bei der erneuerbaren Energieversorgung“ unterstützt, könnten nun auch diese Transitlager im sonnenverwöhnten und fast hauspatzenfreien Nordafrika vorbildlich mit Solarstrom versorgt werden. Möglicherweise wäre das dann auch das Modell einer schwarz-grünen Regierungskoalition.