Tichys Einblick
Vorwärts Genossen, wir müssen zurück

Die Jusos kämpfen für eine Art neue DDR, nur wollen sie es diesmal besser machen

Dass die Jusos mit einer totalitären Gesellschaft wie dem Sozialismus liebäugelten, hat keinen Neuigkeitswert, aber dass die Jusos und ihr Bundesvorsitzender so viel Einfluss auf die SPD zu nehmen vermögen, zeigt, dass die SPD sich im Zerfall befindet.

Carsten Koall/Getty Images

Die Jusos kämpfen für eine Art neue DDR, nur wollen sie es diesmal besser machen, der Herbst 1989 darf sich nicht wiederholen. Seit Gestern tagt in Schwerin der Bundeskongress der Jusos. Und mit Gestern ist auch die Richtung beschrieben, in die sich nach dem Willen der Jusos die Gesellschaft entwickeln soll. Selten gab sich eine Parteijugend reaktionärer. Dass die Jusos schon immer mit einer totalitären Gesellschaft wie dem Sozialismus liebäugelten, hat keinen Neuigkeitswert, aber dass die Jusos und ihr Bundesvorsitzender so viel Einfluss auf die SPD zu nehmen vermögen, zeigt, dass die SPD sich im Zerfall befindet. Diese SPD ist nicht mehr die SPD von Friedrich Ebert und Philipp Scheidemann, nicht die SPD von Kurt Schumacher und Erich Ollenhauer, nicht die SPD von Herbert Wehner und Willy Brandt, schon gar nicht die von Helmut Schmidt, es ist eine Partei, die in ihrem Zerfall die totalitären Ambitionen von Jungfunktionären, die ihre wirtschaftlichen, politischen und philosophischen Erkenntnisse in einem Callcenter erworben haben, freisetzt. In einer Gesellschaft, in der die Medien nach Verboten schreien, in der jeder argumentenbasierte Diskurs, jede politische Auseinandersetzung durch Skandalisierung und Empörung, durch Emotionalisierung, durch die Heiligung und Dogmatisierung von Phrasen ersetzt wird, ist die Freiheit das erste Übel, das es zu bekämpfen gilt. Ausgeschmückt mit modischen identitätspolitischen Phrasen versuchen die Jusos den alten, totalitären Sozialismus zu reanimieren.

Gegen das „Übel” Freiheit

Kühnert hat auf dem Bundeskongress der Jusos den Weg in die Diktatur beschrieben, der überdies in dem zur Abstimmung stehenden Grundsatzprogramm „Projekt Linkswende Sozialdemokratie“ skizziert und konkretisiert wird. Man muss sich nicht von der contradictio in adjecto „demokratischer Sozialismus“ täuschen lassen, denn es geht um die „Neuauflage“ des „Klassenstandpunkt(es)“. Das Einnehmen des Klassenstandpunktes bedeutet aber das Führen des Klassenkampfes gegen den Klassenfeind – und der wird mit allen Mitteln und erbarmungslos geführt. Genau das ist, was die Jusos wollen, das Führen des Klassenkampfes mit der Antifa als Sturmtruppe, als rote Garden. Spaltung der Gesellschaft, Kampf aller gegen alle ist das Ziel der Jusos, denn: „Wer alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen anspricht, dem mangelt es erkennbar an Profil.“ Breite Bevölkerungsgruppen, in einem Wort der Mittelstand soll politisch entmündigt werden, denn die Jusos wollen Politik für die „Marginalisierten“ machen. Die Aufgabe des Mittelstandes bestünde fürderhin darin, Steuern zu zahlen, um Migranten zu alimentieren, Projekte für die homosexuelle und queere Community und überhaupt alle Weltbeglückungsideen für die „solidarischen Mehrheit“, also die Minderheit, mit der die Jusos auf Kosten der Mehrheit solidarisch sein wollen, zu finanzieren.

„Verkehrs-GEZ“

Um nur einige Projekte zu nennen. Kühnert plädiert für „einen gebührenfinanzierten öffentlichen Nahverkehr“. In diese „Art Verkehrs-GEZ“ werden dann alle Bürger verpflichtet, gemäß ihres Einkommens einzuzahlen. Auch eine gesetzliche Rente will Kühnert einführen, in die alle Erwerbstätigen einzahlen. Was Kühnert sich in seinem totalitären Zwangsbeglückungsrausch vorstellt, ist der Staat als allmächtiges Wesen, der aus dem Bürger das vollkommen von ihm bestimmte und kontrollierte Rädchen im Getriebe macht. In dem inzwischen symptomatischen Mangel an Bildung hält er allen Ernstes Goerges Orwells Dystopie für eine Utopie. Und um Utopie geht es den Jusos, um eine „konkrete Utopie einer Gesellschaft der Freien und Gleichen“ Dass die Grundbedingung einer Gesellschaft der Gleichen, in der die Bürokratie alles, der Bürger nichts mehr zu sagen hat, darin besteht, dass alle gleich, nur einige Gleicher sind, dass ihre Existenzform die Überwachungsgesellschaft ist, gehört zum gesicherten historischen Wissen. Die „Gleichheit“ der Jusos benötigt das Bett des Prokrustes und ihre Freiheit ist die Freiheit des Gulags. Natürlich sollen auch „Bauen“ und „Mieten“ gedeckelt werden. Wie gut das funktioniert, kann man derweil in Berlin beobachten.

Der „neue Gesellschaftsentwurf“ der Jusos ist der ganz alte

Wer im Sozialismus aufzuwachsen hatte, wer die Geschichte des Kommunismus kennt, dem sind die Parolen, den Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit aufzulösen, indem die Produktionsmitteln enteignet und sie gemeinwohlorientiert vergesellschaftet, also verstaatlicht werden, bekannt. Wie wirtschaftlich erfolgreich die VEBs waren, kann man wissen, wenn man nicht bei den Jusos ist.

Es ist nicht neu, dass die Jusos von einem „umwälzenden Umbruch“, von der Abschaffung der kapitalistischen Produktionsweise und die Einführung der sozialistischen Produktionsweise träumen. Neu ist, dass der Niedergang der SPD diesen Totalitarismus freisetzt, dass wie Kühnert richtig bemerkt, die Jusos die SPD vor sich hertreiben und zunehmend die Richtung der Partei bestimmen. Der „neue Gesellschaftsentwurf“ der Jusos, der eine Absage an dem sterbenden Willen der SPD, Volkspartei zu sein, darstellt, ist bei Lichte besehen, ein sehr alter. Er hat in der Sowjetunion 20 Millionen, in China – konservativ geschätzt – 80 Millionen das Leben gekostet, getötet durch Gensickschuss, zu Tode gefoltert, im Gulag oder durch brutale Zwangsumsiedlungen ermordet. Kinder wurden ihren Eltern weggenommen und wenn nicht ebenfalls getötet, umerzogen. Die Jusos sehen die Zeit wieder reif für einen Unrechtsstaat, dessen unerbittliche Instanz das halluzinierte Gemeinwohl ist.

Die Jusos erheben in Schwerin Anspruch auf das Erbe des Totalitarismus. Was Freiheit ist, wissen sie nicht, die Aufklärung ist ihnen einen Gräuel und der mündige Bürger der Klassenfeind, der mit allen Mitteln zu bekämpfen ist, weil er sich weigert, den „Klassenstandpunkt“ einzunehmen.

Sie fürchten die Freiheit, weil sie so gern Natschalniks sein wollen.

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