Tichys Einblick
Wirtschafts- und Kulturverfall folgen

Die Bildungsverachtung eines Ministerpräsidenten von den Grünen, der früher einmal Lehrer war

Schraubt man das Bildungsniveau in den geisteswissenschaftlichen Disziplinen herunter, verachtet man die Philologien, werden die Naturwissenschaften notwendig den Niedergang mitmachen.

Andreas Gebert/Getty Images

Es klingt wie ein Märchen, aber einst gab es im Südwesten von Deutschland ein Musterländle, in dem alles besser war als im übrigen Deutschland. Das Musterländle veranschaulichte jedem, dass Bildung und wirtschaftlicher Erfolg zusammengehören. Das Ländle führte in der Bildung und in der Wirtschaft und konkurrierte darin mit Bayern. Doch seit Winfried Kretschmann, den die Steuerzahler lange als Lehrer bezahlten, die Regierung übernahm, will es mit der Bildung nicht mehr so recht klappen. Belegte im Länderranking Baden-Württemberg 2010 Platz 3, so 2019 nur noch Platz 6.

Die Erklärung für den Abstieg lieferte nun Winfried Kretschmann selbst, der laut WELT ausführte: „Jeder Mensch braucht ein Grundgerüst an Rechtschreibkenntnissen, das ist gar keine Frage. Aber die Bedeutung, Rechtschreibung zu pauken, nimmt ab, weil wir heute ja nur noch selten handschriftlich schreiben“. Er glaube nicht, dass die „Rechtschreibung jetzt zu den großen, gravierenden Problemen der Bildungspolitik gehört“, denn, so Kretschmann weiter, es gebe ja „kluge Geräte“, die Grammatik und Fehler korrigierten.

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Dem Ex-Lehrer ist offensichtlich unbekannt, dass die Beherrschung von Orthographie und Grammatik nichts damit zu tun hat, ob Texte in Ton geritzt, auf Papier geschrieben oder mittels Tastatur in elektronische Geräte getippt werden. Man muss schon über sehr geringe Kenntnisse in Orthographie und Grammatik verfügen, wenn einem die vielen Fehler der Autokorrektur nicht auffallen. Aber unabhängig davon sind Kenntnisse in Orthographie und Grammatik grundlegend für die Beherrschung der Sprache, für den korrekten oder zielführenden Ausdruck und das Niveau der Kommunikation. Der Grüne, der einmal Lehrer war, weiß nicht, dass sowohl die Rechtschreibung, als auch die Grammatik sinnentscheidend sind. Die Frage, wo man in dem Satz: Hängen nicht laufen lassen, das Komma setzt, entscheidet beispielsweise über Leben und Tod. Diese Entscheidung kann eine Autorkorrektur nicht treffen, da es nicht um ein Muster, sondern um unterschiedlichen Sinn geht.

Zudem bilden Orthographie und Grammatik eine Grundschule des Denkens. Die Grammatik gehörte zu den sieben freien Künsten, sie wurde nicht umsonst im propädeutischen Trivium zusammen mit Logik und Rhetorik erlernt und bildete die Voraussetzung für ein Universitätsstudium. Die Beschäftigung mit Orthographie und Grammatik reduziert sich nicht auf das richtige Schreiben und die richtigen Aussageverhältnisse, sondern ist eine Schule des richtigen Denkens und Ausdrückens. Mit unterkomplexem Sprachvermögen werden wir keine komplexen Sachverhalte differenziert benennen können.

Darüber hinaus finden wir in der Orthographie und Grammatik einen Teil unserer Identität. In der Abwertung von Orthographie und Grammatik steckt auch eine enorme Kulturverachtung. In dem Moment, in dem Kretschmann diese Aussage tätigte, fiel die Maske des Konservativen, die er so gern trägt und die er in einem ziemlich unleserlichen Buch beschrieb, herunter und zerbrach in tausend Stücke.

Schraubt man das Bildungsniveau in den geisteswissenschaftlichen Disziplinen herunter, verachtet man die Philologien, werden die Naturwissenschaften notwendig den Niedergang mitmachen.

So ist es kein Wunder, dass die Wirtschaft der Bildung im Ländle folgen wird, das kein Musterländle mehr ist, weil es die Bildung ausmustert.

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