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Berlin hat Befehle für Wien

Deutsche Journalisten schicken Österreichs Bundeskanzler eine Weisung

Eine Schar arroganter, besserwisserischer deutscher Journalisten richtet ihre Botschaft an Herrn und Frau Österreicher 80 Jahre nach dem "Anschluss" an das "Großdeutsche Reich" in ungebrochener Überlegenheit. Am teutschen Wesen soll die Welt genesen.

© John MacDougall/AFP/Getty Images

Dass sie keinen Journalismus machen, sondern Politik, dokumentiert eine anmaßende politische Erklärung deutscher Journalisten, die formal im Gewand des Offenen Briefes daherkommt und sich formal gegen Vizekanzler Strache in dessen Streit mit ORF-Anchorman Wolf richtet. Diese Auseinandersetzung zur Gefährdung der Pressefreiheit hochzustilisieren, ist schlicht lächerlich. Herr Wolf kann sich selbst wehren und tut das.

Aber die selbsternannten Rächer meinen weder den Anlass noch seine Kombattanten, sondern Sebastian Kurz, weil er es gewagt hat, eine andere Regierung zu bilden als die von diesen teutschen Politaktivisten gewünschte.

Der Vorgang hat zwei Dimensionen, die miteinander im Grad der Arroganz und Geschmacklosigkeit konkurrieren.

Die Bewährungsprobe beginnt jetzt
Sebastian Kurz vor schweren Wochen oder Monaten
Deutsche Journalisten der geschützten Werkstatt öffentlich-rechtlicher Rundfunk erinnern im 80. Jahr nach dem „Anschluss“ Österreichs an das „Großdeutsche Reich“ Herrn und Frau Österreicher daran, dass die alte teutsche Eigenschaft auch durch diese Katastrophe ungebrochen weiterlebt: belehren, bevormunden, denn am teutschen Wesen soll die Welt genesen. Was Herr und Frau Österreicher schon fast vergessen hatten, die Briefschreiber rufen es in ihre Erinnerung, ja, der alte „Piefke“ lebt und hat von seiner alten Arroganz nichts verloren. Das ist die eine Dimension.

Die andere: Es ist ausgerechnet der Vorstand des Vereins, der sich bei seinen Preisverleihungen an Journalisten auf Hanns Joachim Friedrichs beruft, der Kanzler Kurz einschüchtern will, indem er seine Regierung mit den bösen von Ungarn und Polen zusammen an den Pranger stellt.

Von Friedrichs stammt der Klassiker: „Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache – auch nicht mit einer guten Sache; dass er überall dabei ist, aber nirgendwo dazu gehört.“

Genau mit dem, was den schlechten Journalisten ausmacht, identifizieren sich die Schreiber des Offenen Briefes an den Bundeskanzler Österreichs, sie machen sich gemein mit einer Sache. Nein, nicht mit der Pressefreiheit, wenn sie das auch vorgeben, und sich das möglicherweise dort in ihrer Parallelgesellschaft ohne jeden Bezug zur Realität tatsächlich einbilden.

Von dieser Arroganz trieft ein Absatz der kollektiven Oberlehrerschaft aus dem deutschen Staatsfunk am meisten:

„Wir hoffen sehr, dass es in Wien einen Platz gibt, an dem pressefeindlichen und demokratieschädlichen Attacken durch österreichische Regierungsvertreter deutlich Einhalt geboten wird. Vielleicht ist dieser Ort ja das Bundeskanzleramt am Ballhausplatz.“

Den teutschen Briefeschreibern ist obendrein offensichtlich nicht aufgefallen, dass ihre Arroganz nicht nur eine Anmaßung gegen die Regierung eines anderen Landes ist, sondern vor allem auch eine bevormundende der Journalisten in Österreich.