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2021 ist Landtagswahl

Der Krach in Sachsen-Anhalt ist allen recht, nur nicht der CDU

Magdeburg: MP Reiner Haseloff, CDU, feuert seinen Innenminister - doch wirklich ein Befreiungsschlag? / CDU-Ossis proben den Aufstand gegen Partei-Establishment / Krise auch für die Berliner Koalition? / Konflikte rühren an Grundfragen der Republik - Eine Analyse.

Ein Baustellenschild steht vor dem Palais am Fürstenwall, dem Sitz der Staatskanzlei des Landes Sachsen-Anhalt.

picture alliance/dpa

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Haseloff, CDU, hat seinen Innenminister gefeuert. Ob dies ein gelungener Schachzug oder ein Harakiri-Akt war, wird sich noch weisen. Der Druck aus Berlin war einfach zu stark. Aber das Pokerspiel ist noch nicht zu Ende. Es geht um viel mehr als um ein paar Gebühren.

Zwar war das Nein der sachsen-anhaltinischen CDU zu der geplanten Gebührenerhöhung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk allseits bekannt. Doch niemand konnte ahnen, dass so eine – vergleichsweise banale – Angelegenheit das politische Schachbrett der Republik erschüttern würde. Zwar werden die Gebührensender schon jetzt mit acht Milliarden Euro (plus Werbeeinnahmen) jährlich bei überwiegend linker Laune gehalten. Doch wir wissen ja alle, es ist nie genug. Da aber Politik und öffentlich-rechtliche Medien in der Bundesrepublik engstens verflochten sind und eine Hand immer die andere wäscht, ist das Ganze ein regelmäßiges Ritual zum Durchwinken. Und jetzt dieses unverschämte Aufmucken da irgendwo aus dem Osten. Stimmt die CDU-Fraktion im Magdeburger Landtag gemeinsam mit der AfD gegen die geplante Gebührenerhöhung, ist die, den konkreten Sachverhalt betreffende, Konsequenz dabei nicht das eigentlich Wichtige.

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Der Staatsvertrag, der zu seinem Inkrafttreten der Zustimmung aller 16 Landesparlamente bedarf, kommt erst mal nicht. Die Könige und Königinnen von ARD und ZDF werden daraufhin vors Verfassungsgericht ziehen und dort nach geltender Rechtslage Recht bekommen. Was soll dann das ganze Theater, mögen sich Viele zu Recht denken.

Doch Magdeburg ist eben Magdeburg, und Magdeburg hat seine Wehwehchen und Interessen. Im Juni nächsten Jahres stehen Neuwahlen an: In der Koalition aus SPD und Grünen unter Führung der CDU steht es nicht zum Besten. Irgendwie käme ein großer Knall allen zur rechten Zeit. Die Grünen und die SPD könnten empört den Stecker ziehen. Schließlich ist ja die CDU mit der schmuddeligen Rechtsaußen-Partei AfD ein Lottergeschäft eingegangen. Welch ein Verrat an höchsten Werten!

Ihre linken Wähler werden es danken. Wesentlich fataler ist die Situation der CDU. Hält sie dem enormen Druck der nächsten Tage aus dem Adenauer-Haus in Berlin nicht stand, gilt sie in den Augen der meisten ihrer Anhänger als Umfaller. Der Gewinner wäre hier die AfD. Schön dumm für die Union. Stimmt sie mit der AfD, muss sie mit dem Vorwurf des Steigbügelhalters für die „Neo-Nazis“ leben. Schlecht für Angelas Träume von Schwarz-Grün im Bund. All die schönen Konzepte und bereits getroffenen Absprachen dahin?

Im ganzen Lande bräche eine harte Kontroverse aus: Kann man mit Denen, ist der Preis zu hoch, hält die CDU den Konflikt aus, nimmt die Kanzlerin Schaden? Und noch eine andere Grundsatzdebatte wird die Szene beherrschen. Ihren einstimmigen Beschluss, auch nach der Entlassung von Innenminister Holger Stahlknecht aus dem Amt und seinem Rücktritt als Landesvorsitzender der CDU, an ihrer Ablehnung der Gebührenerhöhung festzuhalten, begründete die CDU-Fraktion unter anderem damit, dass die Berichterstattung durch ARD und ZDF über das Leben, die gesellschaftlichen Vorgänge und die Probleme in den östlichen Bundesländern mangelhaft und verzerrend negativ sei.

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23 von 30 CDU-Abgeordneten reichen zur Ablehnung der Gebührenerhöhung
Und tatsächlich: Man erinnere sich nur an die Berichterstattung rund um den 30. Jahrestag der Wiedergewinnung der Einheit Deutschlands. Als Ostdeutscher musste man sich entweder als Opfer westlicher Machenschaften, als in seiner Würde Verletzter dummer Ossi oder im Zweifel als Neo-Nazi vorkommen. Als ob die Befreiung nach Jahrzehnten brauner und roter Diktatur nicht schon an sich das Glück schlechthin sein müsste, um das uns so Viele in der Welt beneiden. Helmut Kohl hatte doch Recht mit seiner Vision von den blühenden Landschaften – nur wer bösartig ist, kann diese nicht sehen. Doch die Mehrheit in den öffentlich-rechtlichen Redaktionsstuben war damals nicht für die Einheit, wie können sie sie dann heute als gelungen betrachten? Auf die jetzt fällige Kontroverse darf man gespannt sein.

Wozu hoffentlich auch die Frage des ehrlichen Umgangs mit der AfD gehört. Bei aller Kritik dieser Partei, ist die moralisch in höchsten Tönen zelebrierte „Rührmichnichtan“-Pose solange heuchlerisch, wie man an Bündnissen mit der etliche Male umgenannten SED nichts Anrüchiges findet. Ebenso wie die AfD wird diese Diktaturpartei in Teilen vom Verfassungsschutz beobachtet. Auf deren Parteikolloquien wird über das Erschießen von „1 % der Reichen“ und der Verbringung anderer Teile der Bourgeoisie in Arbeitslager parliert. Enge Verbindungen zu den Diktatoren in Kuba und Venezuela stören Niemanden.

Auch über das Zusammenspiel mit der militanten Antifa wird großzügig lächelnd hinweggesehen. Eine Partei, auf deren Seminaren die Bindung des Grundgesetzes an die Soziale Marktwirtschaft und damit des Rechtes auf Eigentum bestritten wird, begibt sich zweifellos auf das Terrain jenseits des Verfassungsbogens. Von den bis heute unbeantworteten Fragen zum Verbleib der SED-Milliarden, Gysi und Bartsch wissen die Antwort, ganz zu schweigen. Also komme von dieser Seite niemand mit dem Begriff Anstand. So einzigartig das Verbrechen des Holocaust unzweifelhaft ist, die Millionen Opfer der kommunistischen Ideologie im 20. Jahrhundert gehören auch zur Weltgeschichte. Übrigens nach Berichten über diese Verbrechen muss man bei ARD und ZDF auch mit der Lupe suchen. Wie immer das Schauspiel von Magdeburg ausgehen mag, die Wunde, die es spiegelt, wird Deutschland weiter bleiben.

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