Tichys Einblick
Zurück vor 1989?

Demonstrationsverbot in Berlin: Der Verlust der bürgerlichen Freiheiten

Die in Berlin regierenden Grünen, Sozialdemokraten und Postkommunisten bringen den Infektionsschutz gegen die freien Meinungsäußerung in Stellung. Kein guter Tag für die Demokratie, auch nicht für die Sozialdemokratie.

imago Images

Die Senatsverwaltung für Inneres hat die für das Wochenende geplanten Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen verboten. Man kann zu diesen Demonstrationen stehen, wie man will, doch zum Grundgesetz und zu den vom Grundgesetz verbrieften Freiheiten kann es, wenn man ein Demokrat ist, nur eine Haltung geben: Man muss sie verteidigen. Vor dem Eingriff in die bürgerlichen Freiheiten spielt es keine Rolle mehr, ob man das Anliegen der Demonstration, wenn sie auf den Boden des Grundgesetz steht,  teilt oder nicht, denn es geht hier um etwas Grundsätzliches, um die bürgerlichen Freiheiten. 

In der Presserklärung von Innensenator Andreas Geisel (SPD) wird deutlich, dass es bei dem Verbot eigentlich nicht um den Infektionsschutz geht, wenn der Innensenator zu Protokoll gibt: „Ich bin nicht bereit ein zweites Mal hinzunehmen, dass Berlin als Bühne für Corona-Leugner, Reichsbürger und Rechtsextremisten missbraucht wird. Ich erwarte eine klare Abgrenzung aller Demokratinnen und Demokraten gegenüber denjenigen, die unter dem Deckmantel der Versammlungs- und Meinungsfreiheit unser System verächtlich machen“. Für Geisel demonstrierten am 1. August also „Corona-Leugner, Reichsbürger und Rechtsextremisten“.

Indem die in Berlin regierenden Grünen, Sozialdemokraten und Postkommunisten die Infektionsschutzverordnung gegen das Grundgesetz in Stellung bringen, dokumentieren sie, welchen Wert sie der freien Meinungsäußerung und der Versammlungsfreiheit zumessen. Offenbar keinen. Auch scheint Corona inzwischen als Vorwand zu dienen, um eine Politik am Souverän vorbei zu machen. 

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Eine Partei wie „Die Linke“ als Rechtsnachfolger der SED kann allerdings die Grünen und die Sozialdemokraten an ihrem reichen Erfahrungsschatz beteiligen. Auf der berühmt-berüchtigten Strategiekonferenz im Februar wurde das antidemokratische Potential der Partei, die Sehnsucht nach einer neuen Diktatur nur allzu deutlich, wenn u.a. die Landesvorsitzende der Linken, Katinka Schubert, sagt: „Der Antikommunismus, wo wir dachten, er wäre überwunden, wird im Moment dermaßen lebendig, was wir möglicherweise lange unterschätzt haben…wenige Wochen vor Thüringen wurde in Berlin eine linke Verfassungsrichterin nicht gewählt, die rechte Opposition feiert sich dafür, dass sie das verhindert hat, wir werden nächste Woche wieder eine feministische Juristin zur Wahl stellen – und warum? Weil wir jetzt die sogenannten liberalen Demokraten auch zwingen wollen, die Mauer nach rechts aufzubauen…wenn wir die Rechten isolieren wollen, wenn sie gesellschaftlich geächtet werden sollen, dann müssen wir eine Brandmauer aufbauen.“

In der Sowjetunion starben über 20 Millionen Menschen durch den kommunistischen Terror, vielen wurde vorgeworfen, rechts zu sein und mit den Feinden paktiert zu haben, so rechts wie die alte Garde der Bolschewiki, so rechts wie Bucharin, wie Rykow, wie Krestinski und wie Rakowski. Der „sogenannte liberale Demokrat“ Wolfgang Natonek, Vorsitzender des Leipziger Studentenrats, Mitglied der Liberaldemokratischen Partei, wurde 1948 vom sowjetischen Staatssicherheitsdienst in Leipzig verhaftet und unter einer konstruierten Anklage verurteilt. Erst 1956 öffneten sich die Bautzener Gefängnistore für ihn. Andere starben in der Haft wie der Theologiestudent Werner Ihmels oder wurden in Moskau erschossen wie der einundzwanzigjährige Student Herbert Belter, weil sie ein Flugblatt verteilt und „antidemokratische Literatur“ wie die Zeitschrift „Der Monat“, die Melvin J. Lasky herausgegeben hatte, gelesen hatten, oder wurden deswegen nach Workuta ins Arbeitslager verschleppt.

Viele von jenen, denen es vergönnt war, das Gefängnis zu verlassen oder aus dem Arbeitslager zurückzukehren, sahen sich aufgrund der gesellschaftlichen Isolation und Ächtung, von der Schubert spricht, gezwungen, in den Westen zu gehen. Die „sogenannte liberalen Demokraten“, die Katinka Schubert wieder einmal zwingen will, wurden 1949 schon einmal in die Nationale Front gezwungen, in den „demokratischen Block“, unter die Herrschaft der Kommunisten – und hatten sich nach „rechts“ abzugrenzen, sich als gute „Demokratinnen und Demokraten“ zu erweisen. Schubert verdreht die Tatsachen: In der Bundesrepublik wird allmählich vergessen, dass es nicht um einen antifaschistischen Konsens geht, sondern um einen antitotalitären Konsens, der Links-und Rechtsextremismus gleichermaßen ächtet. Antikommunismus ist kein Verbrechen, sondern wie der Antifaschismus eine Lehre der Geschichte.

Die Vereinigung von KPD und SPD 1946 war kein Heldenstück der Sozialdemokratie, auch wenn vielen aufrechten Sozialdemokraten durch den Verrat von Otto Grotewohl Repressalien widerfuhren. Daran sollte sich Andreas Geisel erinnern, wenn er den Linken zu Willen ist. 

Eine rechtliche Einordnung der Corona-Politik
Verfassungsrechtler Murswiek: Generelle Versammlungsverbote grundgesetzwidrig
Nach dem 17. Juni 1953 fand in Berlin übrigens bis in den Herbst 1989 keine freie Demonstration mehr statt, sondern nur noch organisierte Massendemonstrationen beherrschten am 1. Mai und zum Republikgeburtstag am 7. Oktober die Straßen der Hauptstadt. Möchte Andreas Geisel in diese Zeiten zurück? Auch in der Deutschen Demokratischen Republik nannten sich die Kommunisten „Demokratinnen und Demokraten“, die zu den von der Regierung erwünschten Demonstrationen vor allem ihre Haltung, ihre Ergebenheit den Regierenden gegenüber zu dokumentieren hatten. 

Noch garantiert das Grundgesetz die Versammlungsfreiheit unabhängig von der politischen Beurteilung. 

Die rotrotgrüne Regierung hat in Berlin Gesicht gezeigt – und die SPD ihre Bewerbung als Juniorpartner der Linken veröffentlicht. 

Es ist kein guter Tag für die Demokratie – und schon gar nicht für die Sozialdemokratie.  

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