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Tarnen und Täuschen

David Benjamin oder der Kontrollverlust des Staates: Chronik des laufenden Unsinns 2

Das Versagen der Personalauswahl der Bundeswehr wie bei Franco A., ist ein skandalöser Fall. Mit der Konzentration der Berichterstattung darauf vom höchst schwerwiegenden Beweis des skandalösen Versagens des BAMF abzulenken, ist noch viel skandalöser.

© Joern Pollex/Getty Images

Die TV-Nachrichten in diesen Tagen sind zum Gruseln: Nazi-Umtriebe in der Bundeswehr. Ursula von der Leyen legt nach, um ihren Vorwurf an die Truppe, sie habe ein „Haltungsproblem“ zu bekräftigen. Die Beweise sind sichtlich erdrückend: In einen Pistolenlauf wird ein Hakenkreuz eingeritzt. Es wird uns in allen Nachrichten gezeigt.

Nun habe ich gestern auf einer Toilette des Kunstmuseums Städel ebenfalls ein mit Kuli hingekritzeltes Hakenkreuz gesehen. Auch auf den Verdacht hin, dass ich mich jetzt der Mittäterschaft verantwortlich mache, weil ich es nicht dem Staatsschutz gemeldet habe: Hat das Städl, eines der großen Kunstmuseen des Landes, ein Haltungsproblem? Sind gar seine Besucher heimliche Nazis? Das ist das Niveau der derzeitigen Debatte.

Klar ist mittlerweile: Der betreffende Soldat war ungeeignet für die Offizierslaufbahn. Das zeigte seine Masterarbeit überdeutlich. Klar ist auch, er hatte mit illegal beschatten Waffen zu tun; erstaunlich, dass das nicht der Bundeswehr auffiel, sondern österreichischen Polizisten in Wien. Das ist die eine Seite des Versagens, und die Verantwortung dafür liegt bei Ursula von der Leyen, immerhin seit drei Jahren Ankündigungsministerin für Uniformierte. Allerdings hat sie sich mehr um Transgender-WCs gekümmert als um innere Führung. Da ist mal ein Bundesminister zurückgetreten, weil er die Einkaufschips eines Verwandten empfahl. Was muss einem Bundesminister heute widerfahren, bevor er zurücktritt?

Das eigentlich Skandalöse ist nicht der (bis zum Beweis des Gegenteils) Einzelfall des Versagens bei der Personalwahl der Bundeswehr, sondern einer, der Hunderttausende betrifft, aber nicht diskutiert wird: Wie konnte er sich als syrischer Flüchtling ausgeben und als solcher durchlaufen?

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Der Tupfen auf dem I ist die unübersehbare Chuzpe des offensichtlich nicht ungebildeten Franco A., der sich von den Behörden den Namen David Benjamin zuteilen ließ, denn: David Benjamin Keldani alias Abdul Ahad Dawud war ein zum Islam konvertierter assyrischer Christ und Autor. Das hätten die Leute beim BAMF durch simples Googeln herausfinden können. So wurde Franco A., der sich als syrischer Kriegsflüchtling ausgegeben hat, unkritisch zu David Benjamin. Zuerst hat er seinen Asylantrag in Gießen gestellt. Seine Anhörung fand in Nürnberg statt, der Stadt, in der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seine Zentrale hat. Also im Herzen des Geschehens.

Die Anhörung hat ein Feldwebel der Bundeswehr durchgeführt, bei der auch Franco A. beschäftigt ist. Der Anhörer ist ein Staatsbediensteter des mittleren Dienstes. Dabei ist die Durchführung von Anhörungen beim Bundesamt ursprünglich Mitarbeitern des gehobenen Dienstes vorbehalten. Diese haben ein Studium an einer Hochschule oder Fachhochschule abgeschlossen und sind nach dem Recht der Beschäftigten des Bundes dazu befähigt, Anhörungen beim BAMF durchzuführen.

Im Gegensatz zu den eigentlichen Anforderungen an einen Beschäftigten zur Durchführung einer Anhörung hat der Mitarbeiter bei der Anhörung von Franco A. alias David Benjamin diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Dies ist den Vorgaben geschuldet, die Frank-Jürgen Weise als Präsident dieses Bundesamts eingeführt hat. Er hat die Bedeutung und den Stellenwert der Anhörung herabgesetzt und glaubte, dass diese durch Mitarbeiter durchgeführt werden kann, die nicht über die ausreichende Qualifikation verfügen: Schnelligkeit vor Fachkenntnis.

Weise als Reserveoffizier sollte wissen, dass ein Soldat der Feldwebellaufbahn nicht ausgebildet ist, um sicherheitssensibele Anhörungen im Asylverfahren durchführen zu können. Nun hätte auch ein Studium nicht davor geschützt, David Benjamin Keldani nicht zu kennen, aber Googeln kann jeder.

In diesem Einzelfall haben mehrere Kontrollinstanzen versagt, so war weder der Entscheider, der die Anhörung durchgeführt hat, in der Lage zu erkennen, dass der Antragsteller nicht aus Syrien stammt, noch der Entscheider, der im Entscheidungszentrum den Bescheid gefertigt hat, der subsidiären Schutz nach § 4 Absatz 1 Nr 3 Asylgesetz anerkennt hat. Auch die Qualitätssicherung, die in einem solchen Fall hätte greifen müssen, versagte.

Im Fall des Herrn Benjamin, der sich als christlicher Syrer ausgab, wurde nicht eine kritische Nachfrage gestellt, mit der man hätte herausfinden können, dass er eben nicht aus Syrien stammt. Es gibt aber so viele Details, die gegen die Herkunft aus Syrien sprechen. So gab Herr Benjamin an, Französisch sei seine Muttersprache. Nach den vorliegenden Herkunftsländerinformationen ist dies jedoch keine Sprache, die in Syrien gesprochen wird.

Aufgabe von Beschäftigten des Bundes ist auch der Schutz der Sicherheit des Staates. Es sind einfache Fragen, die die Glaubhaftigkeit der Herkunft aus einem anerkennungsträchtigen Staat sichern können. Sie wurden jedoch nicht gestellt.
Der Fall Franco A. zeigt nur all zu deutlich, dass der Staat die ihm obliegende Pflicht der Identitätsfeststellung und der ordnungsgemäßen Durchführung von Asylverfahren verletzt.

Wenn es einem deutschen Staatsangehörigen, der keine Landessprache Syriens sprach möglich war, sich als Syrer auszugeben, wie vielen weiteren Personen war es noch möglich? Wissen wir überhaupt, wer alles in unserem Land eine positive Entscheidung im Asylverfahren erhalten hat, ohne die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt zu haben?

Ist der Staat noch in der Lage die Aufgaben zu erfüllen, die er dem Bürger schuldet?
Das Versagen der Personalauswahl der Bundeswehr wie bei Franco A., ist ein skandalöser Fall. Mit der Konzentration der Berichterstattung darauf vom höchst schwerwiegenden Beweis des skandalösen Versagens des BAMF abzulenken, ist noch viel skandalöser. Dieser Vorwurf geht an die Bundesregierung, das Parlament und die Meinungsführer-Medien.

Wann wenden sie sich öffentlich der Frage zu: Wieviel Hunderttausende Benjamins sind da unterwegs? Und was wird unternommen, um das nachträglich festzustellen und zu ändern? Oder geht das lautlos so wie bei den Taliban-Kämpfern, die als Asylbewerber anerkannt oder zumindest geduldet werden, in jedem Fall also Unterhalt bis hin zur Rente erwarten dürfen?