Tichys Einblick
Was bleibt vom Potsdamer "Geheimtreffen"?

Correctiv legt vor Gericht Erklärungen vor, die auf Hörensagen beruhen

Die erste juristische Entscheidung über die Geschichte vom „Geheimtreffen“ steht bevor. Die Medienplattform beruft sich auf eine anonyme Quelle – und kassiert ganz nebenbei eine zentrale Behauptung ihrer Story ein.

IMAGO

Vor der Pressekammer des Landgerichts Hamburg dürfte sich in Kürze in erster Instanz entscheiden, was juristisch von der Correctiv-Geschichte über ein angebliches „Geheimtreffen“ von Potsdam übrigbleibt, das von der staatlich finanzierten Rechercheplattform, Dutzenden anderen Medien und prominenten Politikern faktisch zur Wiederholung der Wannseekonferenz von 1942 aufgeblasen worden war. Der Staatsrechtler Ulrich Vosgerau, Teilnehmer des Treffens, klagt gegen mehrere Behauptungen, mit denen Correctiv ihm Äußerungen unterstellt, die er bestreitet.

Dabei geht es auch um den Kern der Correctiv-Geschichte: Hatte der rechte Aktivist und Buchautor Martin Sellner bei dem Treffen am 25. November 2023 in Potsdam tatsächlich dazu aufgerufen, massenhaft Migranten mit deutscher Staatsbürgerschaft auszuweisen? Sieben Teilnehmer des Treffens bestreiten das ausdrücklich in eidesstattlichen Versicherungen, die dem Gericht in Hamburg vorliegen.

Lange reagierte Correctiv darauf nicht. Jetzt legt die Medienplattform allerdings acht weitgehend gleichlautende eigene eidesstattliche Versicherungen vor. Die „Welt“ titelt, das sei nun der „Gegenschlag“ des Unternehmens. Die Wirklichkeit sieht etwas anders aus.

Was Correctiv vorträgt, beendet faktisch die „Wannsee 2.0“-Story.

Und: Bei den Correctiv-Erklärungen handelt es sich um Nebelkerzen, die ausschließlich der öffentlichen Auseinandersetzung über die Medien dienen. Juristisch liegt ihr Wert bei null.

Zum einen argumentiert der Correctiv-Anwalt Thorsten Feldmann in seinem Schriftsatz, die Medienplattform habe nie geschrieben, in Potsdam sei davon gesprochen worden, „unmittelbar und sofort deutsche Staatsbürger mit deutschem Pass auszuweisen“. Genau mit dieser Behauptung aber, es sei nicht nur darüber gesprochen, sondern in Potsdam sogar ein „Geheimplan“ zur „Deportation“ ausgeheckt worden, trieben Politiker, NGO-Vertreter und Medien bisher zehntausende Demonstranten auf die Straße, die glaubten, mit Großkundgebungen den angeblich bevorstehenden Faschismus aufzuhalten.

Was enthalten nun die acht eidesstattlichen Erklärungen von Correctiv?

Ausschließlich die Versicherung der jeweiligen Mitarbeiter, die hätten exakt wiedergegeben, was ihnen ihre Quellen über das Treffen erzählt hätten. Die Quellen selbst, erklärte Correctiv-Chef David Schraven, könne und werde man aber nicht offenlegen. Es handelt sich also ausschließlich um Zeugnisse vom Hörensagen – wobei im Dunkeln bleibt, von wem die Informationen nun stammen sollen. Die Correctiv-Mitarbeiter bestätigen damit also noch nicht einmal, das Treffen richtig geschildert zu haben – sondern versichern nur, sie hätten korrekt aufgeschrieben, was ihnen eine oder mehrere anonyme Personen darüber erzählt hätten.

Selbst wenn noch eine Tonaufnahme des Treffens auftauchen sollte, die etwas anderes belegt, könnten die Correctiv-Vertreter nicht wegen uneidlicher Falschaussage haftbar gemacht werden. Diese Gefahr bestünde nur, wenn sich ihre ominöse Quelle offenbaren und ihnen öffentlich widersprechen würde. Unter diesen Umständen wirkt die Erklärung von Schraven absurd und gleichzeitig manipulativ: „Wir stehen entschlossen hinter unseren Enthüllungen. Mit den eidesstattlichen Versicherungen machen wir klar: Wir garantieren die Richtigkeit unserer Recherche mit unserer persönlichen Freiheit und dem Medienhaus CORRECTIV als Sicherheit.“

Denn eine Strafe riskiert keiner der acht, da ihre Versicherungen nichts Überprüfbares enthalten. Deshalb besitzen sie aber auch, worauf sowohl der Kläger Vosgerau als auch sein Anwalt Carsten Brennecke hinweisen, keinen Wert in dem Verfahren, schon gar nicht gegen eidesstattliche Versicherungen, in denen Teilnehmer des Treffens selbst schildern, was sie dort wahrgenommen hatten – und was eben nicht. „Das ist völlig unsubstantiiertes Zeug“, so Vosgerau im Gespräch mit TE zu den Erklärungen von Correctiv, „und nicht im Mindesten dazu geeignet, irgendetwas zu belegen.“

Ulrich Vosgerau weist außerdem darauf hin, dass Correctiv seinen Klagepunkten, in denen es um unterstellte Äußerungen des Staatsrechtlers auf dem Treffen geht, bisher überhaupt nicht entgegentritt.

„Angesichts des ausweichenden Vortrags ‚Correctivs‘ zu den angeblichen ‚Quellen‘“, meint auch Anwalt Brennecke, „haben sich unsere Zweifel an der Seriosität der Recherche und Berichterstattung weiter verfestigt. Es bleibt festzuhalten: Allzu aktivistische Enthüllungsgeschichten, die überspitzt mit zu viel Schaum vor dem Mund geschrieben werden, werden momentan immer häufiger zum Eigentor, wenn unseriöse Überspitzungen, im Falle des Correctiv-Berichts schief inszenierte Wertungen, über das Ziel hinausschießen und dann später in zentralen Teilen als haltlos entlarvt werden.“

Gut ein Monat nach der Veröffentlichung über den „Geheimplan“ hat sich Correctiv in zahlreiche Widersprüche verwickelt.

  • So behauptete das Unternehmen, ihr Mitarbeiter, der sich in das Hotel eingemietet hatte, habe Videoaufnahmen von den Teilnehmern des Treffens vor der eigentlichen Veranstaltung mit seiner Apple-Watch gefertigt. Nur: Eine Apple-Uhr verfügt gar nicht über eine Kamera.
  • Die US-Plattform Semafor zitierte Schraven mit der Aussage, sein Unternehmen habe Bild- und Tonaufnahmen von dem Treffen gefertigt. Tonaufnahmen hatte Schraven immer bestritten. Zu dem Zitat auf Semafor erklärte Schraven, er sei missverstanden worden, was wahrscheinlich an seinem schlechten Englisch liege.
  • Noch in der vergangenen Woche kündigte Schraven groß an, Correctiv verfüge über genügend Material, um die sieben Teilnehmer des Treffens, die eine eidesstattliche Erklärung abgegeben hatten, der Falscherklärung und damit einer Straftat zu „überführen“. Bis jetzt legte Correctiv allerdings nichts Entsprechendes vor.

Unklar bleibt auch, woher Correctiv die Information bezogen hatte, dass das Treffen in Potsdam stattfinden würde. Der Mitarbeiter der Plattform, der sich in das Hotel einmietete, um das Treffen am 25. November auszukundschaften, buchte sein Zimmer jedenfalls zu einem Zeitpunkt, als die Einladungen für die Zusammenkunft noch gar nicht verschickt worden waren.

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