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Corona-Update zum 25. April: Der Arbeitsmarkt in der schwersten Rezession der Nachkriegsgeschichte

Steigende Temperaturen werden wenig gegen Corona ausrichten können. Die von der Bundesregierung angekündigte Tracing-App wird wohl nicht auf Iphones funktionieren. In des USA könnte Corona sich "versteckt" früh ausgebreitet haben. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sagt eine Rekord-Rezession voraus.

Sean Gallup/Getty Images

Lange waren steigende Temperaturen und der Sommeranfang ein ersehntes Ziel im Kampf gegen Corona, denn das RKI hoffte auf einen saisonalen Effekt auch beim Corona-Virus, wie er bei Grippeviren zu beobachten ist. Doch dafür gibt es noch wenige Hinweise,im Gegenteil, auch in warmen Regionen der Welt kommt es zu Corona-Infektionen. Das sagte zumindest der Vizepräsident des RKI, Lars Schaade auf einer Pressekonferenz am Freitag. Wenn es überhaupt einen saisonalen Effekt gebe, dann sei dieser gering. Der Sommer wäre auch keine Lösung.

Die von der Bundesregierung angekündigte Corona-Tracing App, die vom projekt PEPP-PT entwickelt wird und die Ausbreitung des Virus verlangsamen oder gar eindämmen soll, dürfte wohl – so ein Bericht der Berliner Zeitung – nicht auf Apple Geräten funktionieren und damit nur einen Teil der Bevölkerung erreichen. Grund dafür ist, dass das Betriebssystem von Iphones die zentralisierte Datenspeicherung, die die Bundesregierung favorisiert, nicht unterstützt. Stattdessen ist auf Iphones nur eine Lösung mit dezentraler Speicherung der Kontakte einer Person möglich. Die Bundesregierung möchte allerdings eine zentrale Datenspeicherung, denn diese ermöglichte es, auf die von der App generierten Daten auch für Forschungszwecke zuzugreifen. Doch nicht nur Forschung, sondern allerhand Missbrauch wäre mit diesen Daten machbar. Eine tiefgreifende Besprechung, warum die Frage der zentralen oder dezentralen Speicherung so wichtig ist, hat TE an dieser Stelle vorgenommen. Der Sinn einer Tracing-App, die Besitzer von Iphones nicht nutzen können, ist fragwürdig. Doch es ist ein weiteres schlagendes Beispiel für das unprofessionelle Agieren der Politik in dieser Krise, eine App zu entwickeln, die bis zu 20% der Smartphone-Besitzer nicht nutzen könnten.

In den Vereinigten Staaten hat sich das Corona-Virus schneller ausgebreitet als zuerst angenommen. Tatsächlich könnte sich das Virus allerdings schon weitaus früher – im Februar – in den USA verbreitet haben. Das berichtet jedenfalls die New York Times. Das würde auch erklären, warum die Antivkörper-Tests, die in New York und Kalifornien durchgeführt wurden, weitaus mehr immune Menschen vorfanden als ursprünglich erwartet – auch unter Berücksichtigung der Quote von falschen Positiven, die bei Antikörper-Tests höher ist als beim PCR-Verfahren, das in der Diagnostik Anwendung findet.

Hintergründe: Ein Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ist die Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit. Berechnungen und statistischen Erhebungen, welche das IAB veröffentlicht, gründen daher auf den Daten der Bundesagentur. Am 24. April veröffentlichte das IAB einen Bericht über die aktuelle Situation auf dem Arbeitsmarkt. Der Titel: „Der Arbeitsmarkt in der schwersten Rezension der Nachkriegsgeschichte.“

Die IAB betont, dass Prognosen in der aktuellen Situation mit hohen Unsicherheiten behaftet sind. Das ist verständlich, denn es fehlt ja an Vergleichsfällen. Noch nie wurde in Deutschland die Wertschöpfung in so vielen Bereichen gleichzeitig und größtenteils ersatzlos eingestellt.

Es kommt zu einer Steigerung der wirtschaftlichen Tätigkeit in bestimmten Industrien – Lebensmitteleinzelhandel, Apotheken und Zustelldienste florieren. Doch können sie die Verluste in Gastronomie, Tourismus, Einzelhandel und Unterhaltungsbranchen nicht ausgleichen.

Zwar sehen die Forscher Nachholeffekte besonders beim Einzelhandel voraus: Der Konsum wurde also nur in die Zukunft verschoben, nicht eingestellt; doch auch diese Nachholeffekte reichen nicht an die durch den Lockdown verlorengegangene Wirtschaftsleistung heran.

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Zugleich sehen die Konjunkturforscher einen deutlichen Rückgang der Investitionen von Firmen voraus, gehen aber – sehr optimistisch – davon aus, dass die Investitionen ähnlich stark zurück gehen wie in der Finanzkrise 2009. Das würde bedeuten, dass Investitionen in neue Produktionsausrüstung um 20,7% sinken, Bauinvestitionen um 3,5%. Aufgrund eines Einbruchs in der weltweiten Nachfrage nach deutschen Exportgütern wird der Außenhandelsüberschuss schrumpfen, um 25% so die Forscher, denn sie gehen davon aus, dass die Importe weniger stark sinken werden. Auch hier ist das IAB optimistisch, denn die Welthandelsorganisation geht sogar von einem weltweiten Einbruch des Handelsvolumens um 30% aus. Das bedeutete schwere Rückgänge in der Exportindustrie: im Maschinenbau, im Autobau und den daran hängenden Zulieferern. Doch diese bilden mit hohen Beschäftigungszahlen und guten Löhnen das Rückgrat der deutschen Wirtschaft.

Das IAB sagt einen Rückgang des realen (also inflationsbereinigten) Bruttoinlandsprodukts um 8,4% voraus. Zum Vergleich: 2009 sank das BIP um 5,0 Prozent. Selbst das ist noch optimistisch, denn die Forscher des IAB gehen davon aus, dass die Wirtschaftskrise in Deutschland nicht zu einer systemischen Krise wird. Bei einer systemischen Krise siecht die Wirtschaft über längere Zeit vor sich hin, bis Wirtschafts- und Strukturreformen – schmerzhafte Vorgänge, die Politiker stets zu vermeiden suchen – das Wachstum wieder in Schwung setzen. Doch die immer neuen Einfälle einer Politik, die stets Abgaben, Steuern und Kosten in die Höhe treibt, verheißen nichts Gutes.

Die Forscher betonen zwar, dass der Mangel an Fachkräften in Deutschland dazu führt, dass Firmen auch in Krisenzeiten weniger Angestellte entlassen. Trotzdem gehen sie davon aus, dass in dem kommenden Monaten eine Million Arbeitsplätze wegfallen, besonders im Minijobbereich und unteren Lohnsegment. Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland wird auf über drei Millionen steigen. Bis zum Jahresende werden aber wieder gut fünfhunderttausend eine Stelle finden.

Auch die Zahl der Kurzarbeiter wird zunehmen: Die Zahl der Kurzarbeiter ist im Zeitraum März- April von 3,4% auf 10,8% der Erwerbstätigen gestiegen – das wären gut fünf Millionen Personen. Im Jahresdurchschnitt erwartet das IAB 2,5 Millionen Kurzarbeiter. Das wird enorme Kosten verursachen. Erst vor wenigen Tagen beschloss die Regierung eine Erhöhung des Kurzarbeitergeldes. So beträgt der Kurzarbeitergeld-Satz ab dem 7 Monat nun bis zu 87% des Lohnausfalls. Das ist sicherlich eine Erleichterung für die Arbeitnehmer – doch es wird auch enorme Kosten verursachen. Höhere Kosten bei niedrigerer Wirtschaftsleistung, führen ausnahmslos zu höheren Schulden. Dass europaweit die Staatsschulden wieder schnell wachsen, wird wiederum dazu führen, dass die europäische Zentralbank immer noch mehr Geld druckt, um so indirekt die Staaten des Euroraums zu finanzieren. Das führt zu Inflation, zur Entwertung von Sparguthaben und Rücklagen und kann die Wirtschaft in Deutschland wie in anderen Staaten schnell in eine systemische Krise führen. Dem folgen dann steigende Arbeitslosigkeit, steigende Staatsdefizite und damit immer mehr Inflation: ein Teufelskreis aus dem eine Volkswirtschaft nur mit schmerzhaften und mageren Jahren wieder heraus kommt.