Tichys Einblick
Die Fallzahlen im Vergleich

Corona-Update zum 17. April: Facebook, WhatsApp und Fake-News

Im Saarland ist Ostern jetzt auch vorbei: Die Fallzahlen steigen wieder schneller. In Hessen verhängt eine Stadt Maskenpflicht und in Singapur wird ein neuer Melde-Rekord aufgestellt. Facebook und WhatsApp wollen Kommunikation kontrollieren und limitieren.

© Getty Images

Die Bundesländer melden 134.404 Corona-Fälle die Johns Hopkins Universiät 135.843 Fälle. 3.838 Corona-Infizierte sind laut Länderinformationen verstorben.

Aufgrund dieser Zahlen ergibt sich eine Fallsterblichkeit von circa 2,8%. Das ist ein neues Hoch und bedeutet, dass von 1.000 als erkrankt Gemeldeten 28 sterben. Allerdings sollte man beachten, das es eine hohe Dunkelziffer an Infizierten, aber nicht Erkrankten und damit auch nicht Getesteten, gibt. Es werden in Deutschland in der Regel nur solche Personen getestet, die Symptome zeigen und Kontakt zu einem bekannten Corona-Fall hatten. Damit ergibt sich eine statistische Verzerrung zugunsten schwer Erkrankter – was natürlich dazu führt, dass die Fallsterblichkeit weit nach oben verzerrt wird. Im Kreis Heinsberg kam eine Studie zu einer Fallsterblichkeit von 0,37%. Aufgrund von Zahlen aus Südkorea schätzte das Bundesinnenministerium in einem internen Papier die Fallsterblichkeit in Korea auf 1,2% und in Europa auf 1,8% (aufgrund der anderen Altersstruktur).

Die Rate der Neu-Meldungen bewegt sich weiterhin auf einem niedrigen Niveau. Sie ist zwar von ihrem Tiefstand am 14. April etwas angestiegen, allerdings war dies zu erwarten, denn der 14. war der Dienstag nach Ostern, und über Ostern wurden wahrscheinlich deutlich weniger Tests durchgeführt.

Bayern führt die Statistik der Bundesländer nach Fällen pro hunderttausend Einwohnern nach wie vor an. Im Freistaat sind 271,5 Fälle pro hunderttausend gemeldet. Im Saarland stieg in den vergangenen Tagen die Zahl der gemeldeten Fälle wieder deutlich an, nachdem über Ostern die dortige Kurve stark abgeflacht war – vermutlich, weil Gesundheitsämter an Feiertagen nicht melden. Trotzdem scheint das Virus sich dort nun langsamer auszubreiten. Eine Erklärung dafür wäre, dass Kontaktsperren und Grenzschließungen zu Frankreich Wirkung zeigen. Im Bundesdurchschnitt sind 161,8 Fälle/HT gemeldet. Mecklenburg-Vorpommern bildet mit 39,9 Fällen pro Hunderttausend das Schlusslicht.

Folgephänomene

Die Stadt Hanau in Hessen führt jetzt auch eine Maskenpflicht ein. Dies meldet die Hessenschau. Die Maskenpflicht gilt ab kommendem Montag in Geschäften und öffentlichen Verkehrsmitteln. Entscheidend ist dabei, dass Mund und Nase bedeckt sind, ein umgebundener Schal oder ein Halstuch gelten schon als „Alltagsmaske“. Erst am vergangenen Mittwoch hatte die Bundeskanzlerin in einer Pressekonferenz erklärt, dass alle Bürger ausdrücklich dazu aufgefordert werden in Geschäften und ÖPNV Maske zu tragen, eine Pflicht dazu allerdings zu diesem Zeitpunkt nicht in Erwägung gezogen wird, weil die Bevölkerung nicht über ausreichend Masken verfügt.

Singapur galt neben Taiwan und Japan lange Zeit als Vorzeige-Nation, was das Eindämmen der Corona-Infektionen angeht. Doch nun steigen Corona-Fälle in dem Stadtstaat schnell an. Laut Nachrichtenagentur Bloomberg meldete das Gesundheitsamt Singapurs am Donnerstag 728 neue Fälle – ein neuer Rekord der Neumeldungen. Kein einziger der Fälle war wohl „importiert“, stattdessen haben sich alle Personen im Land angesteckt. Am Mittwoch wurden noch 447 neue Fälle gemeldet. Bei einem Großteil der neuen Fälle handelt es sich um Ausländer mit Arbeitserlaubnis, die in Wohnheimen wohnen – und damit einer hohen Ansteckungsgefahr ausgesetzt sind. Daher testet die Regierung allerdings auch gezielt diesen Personenkreis, um neue Fälle früh erkennen und unter Quarantäne stellen zu können. Nichts desto trotz meldet die Johns Hopkins Universität nur 4.427 Fälle für Singapur (Stand 16. April, 22:30); in dem Land mit gut 5,6 Millionen Einwohnern ist also noch deutlich Luft nach oben.

Hintergründe: Facebook und die Fake-News

Social Media Gigant Facebook arbeitet in Deutschland schon lange mit sogenannten „Fakten-Checkern“ zusammen, die angebliche Falschinformationen aufspüren und kenntlich machen sollen. TE wurde für völlig korrekte Darstellung Opfer solcher fragwürdigen „Überprüfungen“, etwa durch die umstrittene, SPD-nahe und aus fragwürdigen Quellen finanzierte Firma Correctiv.  Dabei wird die Meinung von Correctiv als Tatsache ausgegeben, auch wo sie objektiv falsch ist. Im Rahmen der Corona-Krise werden neuerdings Nutzer, die nach Informationen zu Corona suchen, immer zuerst an die Website der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verwiesen.

Doch nun weitet Facebook seine Faktenchecks aus. Laut einer aktuell veröffentlichten Pressemitteilung will Facebook nun weltweit auf seinem Dienst Falschinformationen zu Corona aufspüren und dann Nutzer, die mit diesen Falschinformationen interagieren, auf „vertrauenswürdige Websites“ verweisen. Außerdem werden als „Falschinformation“ markierte Informationen gezielt an ihrer Weiterverbreitung gehindert. Auch gelöscht werden Inhalte unter Umständen. Instagram, das zur Facebook Gruppe gehört, geht ähnlich vor. All dies soll die Verbreitung von Falschinformationen zum Corona-Virus, wie zum Beispiel die Nachricht „der Konsum von Bleichmitteln heilt das Virus“, verhindern.

Auch das weitere  Tochterunternehmen Facebooks, WhatsApp, geht gegen Falschinformationen zu Corona vor. So wurde schon vor einiger Zeit das Verbreiten von Kettenbriefen auf WhatsApp erschwert. Und auf den ersten Blick scheint das sinnvoll, können sich doch auf sozialen Netzwerken Falschinformationen rasend schnell verbreiten und immensen Schaden anrichten: Nachdem sich im Iran auf Social Media das Gerücht verbreitete, dass hochprozentiger Alkohol vor dem Corona-Virus schützt, starben 600 Personen an einer Alkoholvergiftung; der getrunkene Alkohol war teilweise mit dem höchst gefährlichem Methanol verschnitten.

Doch gleichzeitig ist es ein gefährlicher Weg, einem privaten Unternehmen so viel Macht darüber einzuräumen zu kontrollieren, worüber Menschen sich austauschen. Und es ist viel, sehr viel Macht, die sich Facebook selbst anmaßt. So arbeitet WhatsApp mittlerweile auch mit Faktencheckern zusammen, und das sehr weitgehend: WhatsApp ist eine Applikation, die eigentlich mit verschlüsselter und privater Kommunikation zwischen zwei oder mehr Personen wirbt. Sie ist offensichtlich nicht privat, sondern diese vermeintliche private Kommunikation wird von Außenstehenden kontrolliert.

Das erinnert fatal daran, dass in Diktaturen Briefe von der Zensur geöffnet wurden – jetzt wird private Kommunikation auf elektronischem Weg kontrolliert. Das ist ein eklatanter Bruch des Briefgeheimnisses, das auch für elektronische Kommunikationsformen gelten sollte.  „Schon seit dem letzten Jahr arbeitet WhatsApp daran, unabhängigen Faktenprüfern den direkten Zugang zu WhatsApp zu ermöglichen, damit diese gemeinschaftlich daran arbeiten können, Informationen zu überprüfen und Falschinformationen zu widerlegen.“ Oder wie soll man diese Pressemitteilung sonst verstehen?

Wie das mit der Behauptung zusammenpasst, nur die Teilnehmer eines Chats, eines Gesprächs, könnten auf die Nachrichten zugreifen, ist nicht klar. An anderer Stelle gibt WhatsApp direkt zu, die Verbreitung von Informationen zu unterbinden: „Dennoch haben wir einen signifikanten Anstieg von weitergeleiteten Nachrichten festgestellt, die auch zur Verbreitung von Falschinformationen beitragen können. Damit die Kommunikation auf WhatsApp sicher und privat bleibt, werden wir die Möglichkeit, häufig weitergeleitete Nachrichten noch weiter zu verbreiten, eindämmen.“ Weil die Nutzer Kettenbriefe verbreiten, in denen Falsch-Informationen zu Corona stehen könnten, werden die Funktionen eingeschränkt? Und wenn ein autoritäres Regime sich beschwert, dass über WhatsApp Kettenbriefe zum Protest aufgerufen wird, wird die Funktion dann auch eingeschränkt?

An anderer Stelle werden Nutzer ermutigt, Personen und Gruppen zu melden, die „ständig“ Falschnachrichten verbreiten. Selektives weghören, aus Gruppen auszutreten oder Personen zu blocken ist nicht mehr genug – der Blogwart will informiert sein. In der Vergangenheit wurden schon oft Stimmen laut, die forderten, dass Facebook gezielter gegen Meinungsmanipulation und Propaganda auf seinen Diensten vorgehen soll. Und tatsächlich waren um die letzte amerikanische Präsidentschaftswahl herum gezielte Manipulationen aus Russland auffällig. Doch bisher wollte Facebook nicht gezielt nach Falsch-Informationen suchen, wollte sich nicht als Hüter der letzten Wahrheit darstellen – und das ist gut so.

In einer mündigen Demokratie muss man den Bürgern zutrauen, aus einer Vielzahl an Informationen die Wahrheit herauszufinden oder sich unkontrolliert auszutauschen. Noch will Facebook seine Strategie in der Hinsicht nicht ändern, doch im Zuge der Corona-Krise werden Systeme geschaffen, um gegen tatsächliche oder vermeintliche Falschmeldungen vor zugehen – und nach der Krise wird der Druck groß sein, diese Systeme auch gegen weniger klare Fälle, also generell gegen unliebsame Äußerungen im öffentlichen Meinungsstreit einzusetzen. Und das sollte jedem Sorgen machen.