Tichys Einblick
Die Fallzahlen im Vergleich

Corona-Update zum 14. April: Anwältin Bahner in Psychiatrie

Der Mangel an Neumeldungen im Saarland wirft weiter Rätsel auf. Frankreich verlängert seine Ausgangssperren. In Italien nutzt die Mafia die Krise, um ihre Macht auszubauen. Die Leopoldina formuliert eine Strategie, um die Schulen wieder zu öffnen.

Symbolbild

imago Images

Nach Länderinformationen sind nun 126.692 Personen als Corona-jnfiziert gemeldet. Die Johns Hopkins Universität meldet 128.092 Fälle. (Stand 13. April, 20:30). 2.987 als infiziert Gemeldete sind leider verstorben.

Der merkwürdige Trend im Saarland, dass quasi keine neuen Fälle gemeldet werden, setzt sich fort. Möglicherweise liegt das an den Feiertagen – weil weniger getestet wird oder Neumeldungen in unbesetzten Amtsstuben auflaufen. Das passiert fast jeden Sonntag zu einem gewissen Grad – aber in einer Pandemie-Situation die Neumeldungen oder Tests über Tage hinweg zu verschleppen, wäre unverantwortlich. Möglich ist es natürlich auch, dass es tatsächlich nur zu sehr wenigen neuen Fällen kommt. Aber wenn im Saarland plötzlich nur noch Wenige mit Corona infiziert werden, warum dann nicht auch in anderen Regionen Deutschlands? Ein Abflachen der Kurven ist bei Fortschreiten der Pandemie irgendwann zu erwarten – wenn ein Großteil der Bevölkerung die Krankheit schon hatte und immun ist. Aber bei 2.138 bekannten Corona-Fällen im Saarland ist dies höchst unwahrscheinlich. Das Abflachen der Kurve in dem kleinen Bundesland ist also mit höchster Skepsis zu bewerten.

Laut Statistik sind nun 215,7 Personen pro hunderttausend Einwohner als infiziert gemeldet. Bayern führt die Statistik mit mittlerweile 254,8 Fällen/HT an, Mecklenburg-Vorpommern bildet mit 38,4 Fällen/HT weiterhin das Schlusslicht. Der deutschlandweite Durchschnitt beträgt 152,5 Fälle/HT.

Folgephänomene

Die Heidelberger Rechtsanwältin Beate Bahner, die gegen die Corona-Verordnungen klagte, wurde am Sonntagabend in eine psychiatrische Einrichtung gebracht. „Sie hat einen sehr verwirrten Eindruck gemacht“, begründete ein Polizeisprecher das Vorgehen gegenüber der RNZ.

Zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht den Eilantrag Bahners abgewiesen: das Gericht sollte die Corona-Verordnungen aller Bundesländer außer Vollzug setzen, da sie „geeignet sind, den Bestand der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere die Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und die freiheitlich-demokratische Grundordnung nach Art. 20 GG zu gefährden“. Die von Bahner für Ostersamstag angekündigte Demonstration gegen die Verordnungen hätte daher aus Sicht der Klägerin nicht verboten werden dürfen.

Das Bundesverfassungsgericht stellte jedoch fest, dass der Antrag unzulässig ist.

Am Samstag hatte die Rechtsanwältin auf ihrer Webseite eine „Auferstehungsverordnung“ veröffentlicht und den Shutdown für beendet erklärt. Der letzte Eintrag auf der Webpräsenz stammt von Ostersonntag, 12. April. Ihre Einträge wirkten zuletzt verzweifelt und unsachlich. Wie TE erfuhr, wurde Bahner am Abend wegen auffälligen Verhaltens in Heidelberg aufgegriffen. Eine derartige Maßnahme ist nur wegen „akuter und erheblicher“ Eigen- oder Fremdgefährdung rechtlich zulässig. Nähere Umstände will die Polizei erst am Dienstag bekanntgeben, wie TE auf Anfrage erfuhr, wegen der „Brisanz“ der Angelegenheit. TE wird darüber berichten und das Vorgehen hinterfragen. Von Kritikern wurden sofort Parallelen zu dem Vorhaben der sächsischen SPD-Landesministerin (früher SED) Petra Köpping gezogen, die in den psychiatrischen Kliniken Betten für Quarantäne-Brecher reservieren ließ und erst nach massiver Kritik darauf verzichtet hat.

Frankreich verlängert die Ausgangssperren bis zum 11. Mai. Danach sollen Schulen und Kindertagesstätten wieder schrittweise öffnen, doch Gastronomie und Tourismus weiter geschlossen bleiben. Die Johns Hopkins Universität meldet für Frankreich 137.873 Infizierte und 14.967 Tote (Stand 13. April, 21:00 Uhr), mangels Testkapazitäten dürften diese Zahlen tatsächlich jedoch höher liegen. In Deutschland gelten die Beschränkungen vielerorts noch bis zum 19. April. Ob die Schulen danach wieder öffnen, ist noch ungewiss. Doch dass die Bundesregierung sich immer noch weigert, eine Strategie zu präsentieren, wie der Schulbetrieb wieder aufgenommen werden soll, lässt vermuten, dass die Einschränkungen noch weiter verlängert werden.

Nach einem Bericht der FAZ nutzen Mafia-Familien in Italien die Krise, um ihren Einfluss auf die Gesellschaft weiter auszubauen. Da die Mafia oft in Wirtschaftsbereichen tätig ist, die von der Krise weniger stark betroffen sind – Warentransport, Nahrungsmittel und Müllabfuhr – sind die Clans solvent. Nun versorgen sie Menschen mit Nahrungsmitteln und bieten Kleinunternehmen Darlehen an. Damit nutzen sie die Trägheit der italienischen Bürokratie aus, die dazu führt, dass Milliardenhilfen im System festhängen.

Hintergründe: Wie die Schulen wieder öffnen könnten

Die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina, kurz auch nur Leopoldina genannt, ist eine der wichtigsten Gelehrtengesellschaften Deutschlands. Gestern präsentierte sie eine Stellungnahme mit dem Titel „Coronavirus-Pandemie – die Krise nachhaltig überwinden“. Darin wurden verschiedene Vorschläge formuliert, wie ein Ausstieg aus den bisherigen Einschränkungen aussehen kann. Es ist ein umfassendes Papier, das von Tracking-Apps über Grundrechtseinschränkungen bis zu „Europäischer Solidargemeinschaft” viele Themen behandelt. Ein besonderes Augenmerk legen die Wissenschaftler allerdings auf die Bildung, denn:

„Das Lernen zu Hause ist für viele Kinder, Schülerinnen und Schüler weniger effektiv als das Lernen in Schulen. Mit dem „Shutdown“ werden drei wesentliche Funktionen der Schule außer Kraft gesetzt:

a) die auf das Lernen bezogenen Strukturierung des Alltags

b) der das Lernen unterstützende und die gesellschaftliche Teilhabe einübende soziale Austausch mit Gleichaltrigen und Lehrkräften,

c) die professionelle Rückmeldung auf Lernfortschritte.

Die Krise führt somit insgesamt zu einem Rückgang der Betreuungs-, Lehr- und Lernleistungen. Zu befürchten ist auch, dass die Krise die in Deutschland ohnehin stark ausgeprägte soziale Ungleichheit in Bezug auf Zugänge zu Betreuung und Unterricht sowie in Bezug auf Lernleistungen und Bildungserfolge verstärkt.“

Die Schulen sollen möglichst bald wieder geöffnet werden, allerdings nach Klassenstufen: Die jüngsten Jahrgänge zuerst und am schnellsten, während ältere Jahrgänge langsamer wieder mit dem Schulbesuch anfangen sollen. Kindertagesstätten und Horte sollen jedoch weiterhin nur im Notbetrieb laufen, denn dort können Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln nicht eingehalten werden. In der Frühphase der Wiederaufnahme des Schulbetriebs sollen Einschränkungen im Betrieb weiter bestehen:

„Zu empfehlen ist eine Konzentration auf Schwerpunktfächer (Deutsch und Mathematik in der Grundschule), die in aufgeteilten kleineren Gruppen einer Klasse zeitversetzt unterrichtet werden. Lerngruppen müssen dabei konstant bleiben, um das Ansteckungsrisiko zu vermindern. Eine Gruppengröße von maximal 15 Schülerinnen und Schüler wäre möglich, wenn entsprechend große Klassenräume zur Verfügung stehen. Die so geschehene Öffnung muss für die Eltern verlässlich sein. Eine gestaffelte Pausenregelung für die einzelnen Gruppen ist notwendig. Der Schulhof darf nicht zum Austauschort für Viren werden.“

Wie im Angesicht des mancherorts akuten Lehrermangels und maroder Schulinfrastruktur derartige Kleinstgruppen bewerkstelligt werden sollen, ist nicht klar – werden Kunstlehrer zum Mathematikunterricht herangezogen?

Weiterhin heißt es:

„An den Universitäten und Hochschulen sollte das Sommersemester weitgehend als online/home-learning-Semester zu Ende geführt werden. Fließende Übergänge und Mischungen von Fern- und Präsenzunterricht bieten sich an. Voraussetzung sind abgestimmte Lerneinheiten, die digital vermittelt werden.

Generell gilt es, die Prüfungsmöglichkeiten auf allen Bildungsetappen aufrechtzuerhalten.“

Die Gelehrten der Leopoldina gefallen sich darin, vage Szenarien auszuarbeiten, wie andere aus der Krise herausfinden könnten – geben aber wie so viele staatliche wie halb-staatliche Institutionen nur ungefähre Versprechungen und Forderungen von sich. Morgen bespricht TE den merkwürdigen Widerspruch der Wirtschaftsstrategie des Papiers – bei der sich an einer Stelle der Staat aus der Wirtschaft schnellstmöglich wieder zurückziehen soll, aber doch gleichzeitig dieselbe nach seiner Vorstellung formen will.


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