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Corona-Update: Politik hat sich in Härte-Show verfangen

Die Zahlen bleiben in dieser Woche auf hohem Niveau. Die Regierungen wollen Stärke zeigen und panikgetriebene Aktionen beherrschen die Schlagzeilen. Mängel der Vorsorge-Politik werden noch sichtbarer.

picture alliance/dpa/dpa-Pool | Matthias Balk

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) will am Dienstag eine Ausgangsbeschränkung für sein Bundesland wie im Frühjahr verhängen. Die Wohnung soll dann nur noch mit einem triftigen Grund verlassen werden dürfen, teilte Söder nach einer Sondersitzung des Kabinetts in München am Sonntag mit. Zu den Gründen zählen Einkaufen, Arbeit, ein Arztbesuch, Bildung oder familiäre Angelegenheiten. Außerdem wird erneut der Katastrophenfall ausgerufen.

Eine Lockerung der Ausgangsbeschränkungen gelte nur zwischen dem 23. und 26. Dezember, nicht aber wie ursprünglich geplant für Silvester. Familienfeiern werden eng begrenzt. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) hat sich für härtere Corona-Beschränkungen ausgesprochen und auch Ausgangssperren nicht ausgeschlossen. „Ich glaube, wir werden auch zur Ausgangssperre kommen müssen“, sagte der CDU-Politiker in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ am Sonntag. „Wir werden manches verbieten müssen – zum Beispiel Alkoholverkauf oder Alkoholnutzung in der Öffentlichkeit.“

Allerdings wandte sich Bouffier gegen die von Söder angekündigten Ausgangssperren für das gesamte Bundesland. Allein in Hessen „haben wir in Offenbach eine sehr hohe Inzidenz, in anderen Gegenden nicht“, erklärte Bouffier.
Impfstoff hin oder her – Kanzleramts-Chef Braun droht: „Masken werden uns noch lange bis ins nächste Jahr begleiten“.

Bei so viel Bedrohung darf einer natürlich nicht fehlen: SPD-Dauersirene Karl Lauterbach. Gemeinsam mit Söder hat er Glühweinstände als Virusbrutstätten erkannt. Die Zahlen der tatsächlichen Infektion sprechen bei aller Unsicherheit nicht für derartige Maßnahmen.

 

 

Die Krankenhäuser melden am Sonntag 4.108 Intensivpatienten, davon werden 2.457 Patienten invasiv beatmet.

Das Gesundheitssystem ist von einer Überlastung noch fern, es werden 4.613 freie Erwachsenen-Intensivbetten gemeldet. Auch Berlin, aufgeregten Medienschaffenden immer eine Horror-Meldung wert, verfügt noch über 178 freie Betten. Nur rund 1/4 der Patienten auf den Intensivstationen sind dort wegen Corona. Das umliegende Brandenburg verfügt noch über 20 Prozent freie Betten auf seinen Intensiv-Stationen, dort sind nur 13 Prozent der Patienten Corona-belastet. Sollte also Berlin wieder von Lastenfahrrädern auf Autos umstellen wollen, so könnten Engpässe mit Hilfe des Umlands versorgt werden.

Allerdings nimmt insgesamt die Zahl der Betten auf Intensivstationen ab; vermutlich weil viele Pfleger krank sind. Jetzt zeigt sich auch, dass es falsch ist, etwa an die Mitarbeiter von Bundestagsabgeordneten Corona-Zuschläge zu verteilen wie auch an andere völlig unbelastete Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes im Home-Office, aber die wirklich betroffenen Gruppen von Beschäftigten mit warmen Worten abzuspeisen. Politik setzt weiter falsche Prioritäten.

Sie scheint einem Reiz-Reaktions-Mechanismus zu folgen, den man als Pawlowschen Reflex bezeichnet: Hunden läuft schon das Wasser im Mund zusammen, wenn es klingelt, auch wenn der Fressnapf noch leer ist. Das ist der Fall, wenn man vorher Fressnapf und Klingelzeichen verbunden hat. Dann reicht schon das Klingeln… Söder hat im Frühjahr von steigenden Umfragezahlen für seinen „harten“ Kurs profitiert und benutzt jetzt jede Möglichkeit, um sich als besonders tatkräftiger Politiker zu profilieren. In Bayern allerdings leidet der innerstädtische Handel noch stärker als im Rest der Bundesrepublik. Söder weißt das zurück und deutet auf „Präsidenten“ der Wirtschaftsverbände, die sich auch angesteckt hätten.

Offensichtlich sollen Bürger zur Aufgabe jeder abweichenden Meinung dressiert werden, wenn auch Glühweinstände verboten sind, an denen mit weitem Abstand ein letzter Rest von Weihnachts-Romantik und sozialen Kontakten stattgefunden hat. Diese auf demonstrative Freudlosigkeit ausgerichtete Politik wird auch von Karl Lauterbach unterstützt, für den offensichtlich die Einstellung jeglicher menschlichen Tätigkeit das Ziel ist; Ausnahmen sollten allerdings Talk-Shows sein, in denen er unvermeidlich sein Klagelied anstimmt.

Olaf Scholz, SPD-Finanzminister wiederum empfiehlt dem Veranstaltungsgewerbe wieder Auftritte, Konzerte und Events ab März und verspricht für dann ausfallende Veranstaltungen Hilfen. Das zeigt: Schon jetzt kann also mit einer zumindest teilweisen Verlängerung des Lockdowns bis zum Frühjahr rechnen – schöne Aussichten für Gesellschaft und Wirtschaft. Denn damit wird die Unsicherheit für Wirtschaft und Handel noch weiter vergrößert.

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