Tichys Einblick
Fahndung pro forma?

Chemnitzer Messer-Mord: Fall ungelöst

Ein Jahr nach Chemnitz: der mutmaßliche Haupttäter ist immer noch flüchtig. Trotzdem verzichtet die Justiz auf ein wichtiges Instrument zu seiner Ergreifung – mit einer seltsamen Begründung.

Fahndungsfoto des mutmaßlichen Messerstechers von Chemnitz, Farhad A. (bka.de)

Bild: BKA

Mehr als ein Jahr nach der Tötung des Chemnitzers Daniel Hillig am 26. August 2018 ist der mutmaßlicher Haupttäter immer noch nicht gefasst – Farhad A., der sich in Deutschland als irakischer Flüchtling ausgegeben hatte. Die Tötung von Hillig in Chemnitz hatte Demonstrationen und Ausschreitungen ausgelöst, die zu einer Medienhysterie und schließlich zu einer Regierungskrise geführt hatten.

Die deutschen Behörden vermuten Farhad A. im Irak. Der Mann, der auch wegen zahlreicher anderer Delikte polizeibekannt war, könnte möglicherweise schon gefasst sein – wenn die Chemnitzer Staatsanwaltschaft alle Möglichkeiten ausgereizt hätte.

Allerdings verzichtete die Behörde bis heute darauf, eine Belohnung auf die Ergreifung von Farhad A. auszusetzen. Die Begründung dafür mutet seltsam an.
„Derzeit ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Beschuldigte nicht mehr in Deutschland ist; es liegen jedoch keine gesicherten Erkenntnisse vor, wo er sich tatsächlich aufhält“, teilt die Staatsanwaltschaft Chemnitz auf Anfrage mit. „Die Aussetzung einer Belohnung könnte daher derzeit nur in Deutschland in geeigneter Form bekannt gemacht werden; dies ist nach derzeitigem Ermittlungs- und Erkenntnisstand aber nicht zielführend.“

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Warum sie davon ausgeht, dass eine ausgesetzte Belohnung auf einen mutmaßlichen Täter, nach dem ohnehin international gefahndet wird, nur in Deutschland bekannt gemacht werden könnte, teilte die Ermittlungsbehörde nicht mit. Die Entscheidung, bei der Fahndung nach dem Messerstecher auf das Hilfsmittel der Belohnungsauslobung zu verzichten, wirkt um so merkwürdiger, als gerade bei Auslandsfahndungen Belohnungen als außerordentlich hilfreich gelten.

Gegen Farhad A. liegen neben Zeugenaussagen auch DNA-Spuren vor, die belegen, dass er im August 2018 in Chemnitz zugestochen hatte. Bis heute wurde nur sein mutmaßlicher Mittäter verurteilt, der syrische Asylbewerber Aala S., gegen den es allerdings keine materiellen Beweise gab. Er wurde nur aufgrund einer Zeugenaussage schuldig gesprochen; seine Anwälte kündigten Revision an.

Im Fall Farhad A. hatte sich schon 2018 exemplarisch das Versagen des deutschen Staates in der Asylkrise gezeigt. Im Januar 2016 kam Farhad A. wie zehntausende andere junge Männer nach Deutschland, und beging in schneller Folge Straftaten. Im Februar 2017 stach er in Chemnitz auf einen Döner-Verkäufer ein. Schon 2017 wurde der Asylantrag des angeblichen Irakers abgelehnt, am 12. Juli 2018 lief auch seine Duldung aus. Trotz der umfangreichen Strafakte kam A. weder ins Gefängnis, noch wurde er abgeschoben.

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