Tichys Einblick
Der Friedrich-Merz-Effekt

Die CDU auf dem Weg in die Sozialdemokratisierung

Mehr Steuern für Reiche, staatlich subventionierte Zeitungen und insgesamt mehr Staatsausgaben. Hört sich nach SPD und Linken an – ist aber die CDU, die unter Friedrich Merz den Weg der Sozialdemokratisierung geht.

IMAGO / Political-Moments

Zwischen 27 (Emnid) und 31 (GMS) Prozent steht die CDU in den Umfragen der letzten drei Wochen. Viel zu wenig angesichts einer Regierung mit einer derart verheerenden Bilanz: Eine Armee, die nicht verteidigungsfähig ist, eine Polizei, die der Klimakleber und Messerangriffe von „Männern“, „Gruppen“ und „Familien“ nicht Herr wird. Ein Wirtschaftsminister, der über ein Heizungsverbot eine de facto-Massen-Enteignung von Häusern durchsetzt. Galoppierende Preise für Strom und Lebensmittel. Um nur einige Highlights zu nennen.

Gegen diese Politik hat die CDU meist nur eine Kritik zu bieten, die sich in drei Kategorien zusammenfassen lässt:
– Die Regierung tue von dem, was sie tue, nicht genug.
– Die Regierung handele nicht schnell genug.
– Und die CDU habe das, was die Regierung mache, schon viel früher vorgeschlagen.

Berliner Koalition:
Kapitulation der Merz-CDU 
Dass die Union der Regierung vorwirft, in die falsche Richtung zu laufen, ist die Ausnahme. Tut sie es, wirkt sie unglaubwürdig: CDU-Chef Friedrich Merz hält Innenministerin Nancy Faeser (SPD) vor, Deutschland befinde sich „in der schwersten Migrationskrise seit Jahren“. Ehrlicher wäre gewesen: „in der schwersten Migrationskrise seit Angela Merkel“. CSU-Chef Markus Söder attackiert den endgültigen Atomausstieg. Da tauchen jede Menge Videos und Interviews aus der Zeit auf, als sich Deutschlands wendigster Wendehals gerade als Atomkraftgegner zu inszenieren versuchte.

Doch es sind nicht nur Altlasten, die den Lauf der CDU hemmen. Vielmehr ist die Partei Konrad Adenauers, Ludwig Erhards und Helmut Kohls orientierungslos. Statt eine bürgerliche, an der Marktwirtschaft orientierte Alternative anzubieten – eine Alternative, die Menschen anspricht, die den Wohlstand erwirtschaften –, entwickelt sich die CDU zur sozialdemokratischeren SPD und zu den grüneren Grünen.

So hat eine von Jens Spahn geführte „Fachkommission Wohlstand“ einen Arbeitsentwurf für ein Steuerkonzept entstellt. Diesen Entwurf hat der christdemokratische Wohlstandsausschuss dem Tagesspiegel zugespielt. Ausgerechnet. Eine Zeitung, die aus guten Gründen gerne von der SPD mit Material gefüttert wird. Im entsprechenden Bericht der Zeitung steht ein bezeichnender Satz: „Die Linke applaudiert.“ Mit dem Konglomerat von Steuererhöhungen für Reiche und Vereinfachungen des Erbschaftsrechts – die zu höheren Erbschaftssteuern führen würden – stößt die Partei Kohls und Adenauers auf das Wohlwollen der Erben Walter Ulbrichts und Erich Honeckers.

Notleidende Anzeigenblätter
CDU-Minister möchten Steuern an private Verleger verteilen
Zwar verantwortet die CDU den Bundeshaushalt nicht. Aber sie weiß: Sollte sie drankommen, braucht sie Geld. Denn ihre eigenen Vorschläge zielen alle in Richtung mehr Staat. Ihre Landesminister Nathanael Liminski und Oliver Schenk fordern die Bundesregierung zum Beispiel auf, der Staat solle Zeitungen subventionieren. Ginge es nach den beiden Christdemokraten, würde der Steuerzahler in der Ära des Klimaschutzes dafür aufkommen, dass gedruckte Anzeigenblätter die Briefkästen verstopfen. Ihre Initiative enthält alle drei Leitmotive der neuen christdemokratischen Attitüde: Die Regierung mache zu wenig, zu langsam und die CDU habe es schon lange vorgeschlagen.

Anderes Beispiel: Friedrich Merz fordert bei Maischberger Subventionen für den Heizungsaustausch. Das Schema dahinter ist bekannt: Mehr, schneller und die CDU fordert es schon länger als die Ampel. Die Idee, dass man den Bürgern einfach keinen Zwang zum Heizungstausch auferlegt, der sie in die Pleite treiben muss, kommt dem einstigen bürgerlichen Hoffnungsträger schon gar nicht mehr. Dass der Staat überhaupt erst ein Problem schafft, ist für den Merkel-Nachfolger okay. Solange der Staat dann das Problem nur selbst wieder wegsubventioniert. Schon bei den Entlastungspaketen argumentierte er ähnlich. In Merz’ Kopf ist längst mehr Robert Habeck als Ludwig Erhard.

Merz wartet auf Schwarz-Grün
Bei Maischberger: Kommt es nach dem AKW-Aus zur Kernschmelze unseres Wohlstands?
Genauso beim Thema Bahn. Für die hat die Bundestagsfraktion ein Papier entwickelt. Das Fahrangebot solle bei der Bahn bleiben, das Netz nicht, schlagen die Abgeordneten vor. Das Schienennetz solle an eine Infrastruktur-GmbH gehen. Die in Händen des Staates bleibt. Statt einem staatsnahen Unternehmen sollen dann zwei staatsnahe Unternehmen den Markt regeln. Mit dem Konzept kommt die Union der Ampel zuvor – die an einem ähnlichen Entwurf arbeitet. Die CDU unter Friedrich Merz will keine Alternative mehr sein, sondern die sozialdemokratischere SPD.

Aber die grüneren Grünen wollen die Christdemokraten auch sein. Etwa beim Tierwohl. Da gehe der Gesetzesentwurf des Landwirtschaftsministers Cem Özdemir (Grüne) nicht weit genug. Die CDU habe für 20 Prozent mehr Platz in Schweineställen gesorgt, die Grünen nur für 12,5 Prozent. In Haltungsstufe zwei. „Die Kunden erfahren beim Kauf von frischem Schweinefleisch beispielsweise nicht, ob das Ferkel im Ausland betäubungslos kastriert worden ist“, bemängeln die fachpolitischen Sprecher in einer Pressemitteilung. Die CDU 2023. Statt für mehr Markt und weniger Bürokratie steht die CDU für eine lückenlose Dokumentation der Biographie des Schweines.

Die CDU sei die Partei der Mitte, lautet das neue Label, mit dem Friedrich Merz seine inhaltliche Schwäche überblenden will. Es ist der uninspirierte Versuch, die bessere SPD und die besseren Grünen sein zu wollen. Ein alternatives Angebot zur Ampelregierung ist das nicht. Das gilt auf der Inhaltsebene genauso wie auf der Personalebene. Würden die aktuellen Umfragen zu einem tatsächlichen Ergebnis, dann wäre die Ampelregierung beendet – und würde durch Schwarz-Grün ersetzt. Geführt von Friedrich Merz. Dann würde sich Olaf Scholz nachträglich als der bessere Christdemokrat herausstellen. Wobei die Latte da derzeit nicht gerade hoch liegt.

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