Tichys Einblick
Amtliches Gendern in Baden-Württemberg

CDU schmiedet stumpfes Schwert mit den Grünen

Nachdem Innenminister Strobl mit einem Erlass das amtliche Gendern jenseits des Regelwerks der deutschen Sprache unterbinden wollte, soll dies nun ein Beschluss leisten, der dies gegen den Widerstand seiner grünen Koalitionspartner gar nicht leisten kann.

Baden-württembergischer Innenminister Thomas Strobl (CDU) und Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), Landtag Baden-Württemberg, Stuttgart, 11.10.2023

IMAGO / imagebroker

Wer vor wenigen Tagen noch gehofft hatte, die CDU werde sich in Baden-Württemberg in Fragen des amtlichen Genderns wider Erwarten doch noch entschieden gegen den grünen Koalitionspartner stellen, wurde nun eines Besseren belehrt. Nachdem Innenminister Thomas Strobl den Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens gegen das amtliche Gendern abgelehnt hatte, kündigte er auf Druck der CDU-Fraktion unter Führung von Manuel Hagel einen Erlass an, der den von dem Initiator des Volksbegehrens, Klaus Hekking, vorgelegten Gesetzentwurf inhaltsgleich ersetzen sollte.

Innenminister Thomas Strobl
CDU-Fraktion in Baden-Württemberg uneins über Umgang mit Gendern
Erwartungsgemäß brachte er den Vorstoß zu einem solchen Erlass in der Ministerrunde von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Ministerrat) gegen den Widerstand seiner grünen Ministerkollegen nicht durch. Herausgekommen ist stattdessen ein Beschluss folgenden Inhalts:

„Der Ministerrat stellt klar, daß die Landesverwaltung in ihrem Schriftverkehr angehalten ist, eine adressatengerechte, verständliche und geschlechtergerechte Sprache zu verwenden. Jedes Ressort trägt in seinem Geschäftsbereich dafür Sorge, im formalen Schriftverkehr der Landesverwaltung mit dem Ministerrat, dem Landtag, den Institutionen des Bundes, den Institutionen der Europäischen Union und mit vergleichbaren Adressaten sowie in Verwaltungsakten das Amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung und die Empfehlungen des Rates für deutsche Rechtschreibung einzuhalten. Eine entsprechende Veröffentlichung ist im BW-Portal vorzunehmen.“

Bei einem solchen Beschluss handelt es sich um eine bloße Absichtserklärung ohne jede Rechtswirksamkeit, worauf am Tag darauf im Landtag von Baden-Württemberg vom Fraktionsvorsitzenden der FDP, Hans-Ulrich Rülke, auch zurecht hingewiesen worden ist. Seine Fraktion hatte das Thema Gendern erneut auf die Tagesordnung gesetzt, nachdem sie zu Beginn des letzten Jahres mit einem Vorstoß gegen das amtliche Gendern am Widerstand der Grünen, der CDU und der SPD gescheitert war. Danach startete Hekking sein Volksbegehren, dem vor Monaten nicht nur Rülke, sondern auch der Fraktionsvorsitzende der CDU, Manuel Hagel, im Namen seiner Fraktion seine Unterstützung zugesichert hat. Beide haben das Volksbegehren daher auch selbst unterschrieben.

Volksbegehren gegen Gendern in BaWü
Initiator des Volksbegehrens gegen Gendern klagt gegen Innenministerium
Von dieser Unterstützung ist seitens der CDU inzwischen so gut wie nichts mehr zu sehen, nachdem ihr Innenminister zunächst Hekkings Antrag auf ein Volksbegehren abgewiesen und nun auch seine Ankündigung nicht eingehalten hat, mit einem Erlass gegen das amtliche Gendern dem Anliegen des Volksbegehrens und seiner zahlreichen Unterstützer unterhalb der Gesetzesebene nachzukommen. Dessen Initiator hat deswegen Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid beim baden-württembergischen Verfassungsgerichtshof mit dem Hinweis eingelegt, dass er diesen nur zurückziehen wird, sollte die Landesregierung eine für ihn und seine Unterstützer zufriedenstellende Regelung gegen den politisch gewollten, um sich greifenden Wildwuchs des Genderns mit Sonderzeichen nicht nur an den Schulen und Hochschulen, sondern auch in Ministerien und Behörden des Landes zu unterbinden.

Dass insbesondere die Grünen keineswegs geneigt sind, dies zu tun, zeigte sowohl die Debatte über den Beschluss der Landesregierung wie auch die Stellungnahme von Kretschmann im Anschluss an die Ministerratssitzung vom 30. Januar. Dort erklärte er das Gendern zu einer bloßen Geschmacksfrage, bei der es, wie in der Malerei, allein um die Frage gehe, ob jemand zum Beispiel Picassos Bilder schöner finde als die Bilder von Chagall. Es solle daher jedem Einzelnen überlassen bleiben, ob und wie er gendert. Von irgendeiner Absicht, das gegen das amtliche Regelwerk verstoßende Gendern mit Sonderzeichen im amtlichen Schriftverkehr wirksam zu unterbinden, war nichts zu hören. Gesendet wurde vom baden-württembergischen Ministerpräsidenten stattdessen die Botschaft: Chacun à sa facon (Jeder, wie er will).

In dasselbe Horn stieß einen Tag später im Landtag Oliver Hildenbrand, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen und Sprecher für Innen- und Queerpolitik. Er erklärte den öffentlichen Streit um das Gendern zu einer Phantomdebatte, da es im Land keinerlei Genderzwang gebe, weder im öffentlichen noch im nicht-öffentlichen Bereich. Bei dem von Kretschmann und seinen grünen Ministern mit veranlassten Beschluss handle es sich daher auch nur um die, eigentlich überflüssige, Bestätigung einer Praxis, die schon seit Jahren in der Landesverwaltung selbstverständlich sei. Wie es dann zu einer Vorgabe des Genderns mit Sonderzeichen im Verkehrsministerium von Winfried Hermann kommen konnte, die Rülke in der Debatte zur Sprache brachte, wunderte nicht nur den FDP-Fraktionsvorsitzenden.

Da kein Fachkräftemangel
Bewusstseinsindustrie Gendern
Auch Strobl betonte im Landtag, dass es sich bei dem Beschluss um eine bloße Bekräftigung einer schon lange währenden Praxis handle. Daher solle auch nur noch einmal bekräftigt werden, dass in der schriftlichen Amtssprache dieselben Regeln gelten wie in der Rechtssprache. Gleichzeitig ließ auch er völlig offen, wie mit dem an den Schulen und Hochschulen grassierenden Gendern und mit ministeriellen Vorgaben zum Gendern innerhalb der Landesregierung umgegangen werden soll, die schon heute, möglicherweise aber auch erst in Zukunft, den amtlichen Regeln der deutschen Rechtschreibung widersprechen. Und das aus gutem Grund: über wirksame Mittel, den von ihm erwirkten Ministerrats-Beschluss gegen den Widerstand derjenigen Kollegen umzusetzen, die das amtliche Gendern entgegen den amtlichen Regeln der deutschen Rechtschreibung ausdrücklich befürworten und deswegen noch weiter als ohnehin schon vorantreiben wollen, verfügt Strobl nämlich nicht.

Der vorgelegte Ministerrats-Beschluss erweist sich von daher als ein stumpfes Schwert, mit dem sich die grünen Genderisten in Regierung und Landtag nicht aufhalten lassen werden, ihre linksidentitäre Gender-Agenda mittels des Amtswegs weiter voranzutreiben. Es handelt sich bei ihm daher auch nicht, wie Strobl erklärte, um eine für den Initiator des Volksbegehrens und dessen Unterstützer begehbare Brücke. Hekking erklärte gegenüber TE vielmehr, dass er den Willen, eine Brücke zu ihm und seinen Unterstützern zu bauen, zwar zu schätzen wisse, die angebotene Brückenkonstruktion aber noch nicht für stabil genug hält, um seine Klage beim Verfassungsgerichtshof fallen zu lassen. So liegt der Ball in Fragen des amtlichen Genderns nun zunächst einmal im Feld der baden-württembergischen Verfassungsrichter, die darüber zu entscheiden haben, wohin er anschließend rollt.

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