Tichys Einblick
Parlamentsberatung

Die Bundesregierung beim Demokratie-Export – mit mäßigem Erfolg

Entwicklungshilfe hat sich zum heißen Thema entwickelt, seit klar wurde, welche Milliardenbeträge für unsinnige Projekte ins Ausland fließen. Auch Parlamente in aller Welt können davon profitieren. Doch Länder wie der Irak oder Tunesien sind keine glänzenden Erfolgsstorys.

IMAGO / Achille Abboud

Die Hilfszahlungen, die deutsche Bundesministerien an Staaten in aller Welt zahlen, haben in letzter Zeit für Schlagzeilen gesorgt, weil Sinn und Zweck dieser Übung immer weniger verständlich sind, während die Beträge gleichzeitig immer mehr aus dem Ruder zu laufen scheinen. Radwege in Peru, Gender-Bewusstsein in Afrika oder Sicherheitstrainings für „indigene Aktivisten“ scheinen keine vordringlichen Ziele deutscher Politik zu sein, ebensowenig die Erziehung und Unterstützung von (zukünftigen) Hamas-Terroristen im Gazastreifen oder anderswo (via UNRWA).

Nun ist schon bekannt, dass die Bundesregierung auch Projekte fördert, die der sogenannten „Parlamentsberatung“ dienen. Gemeint sind wiederum Parlamente in aller Welt – von Argentinien bis Madagaskar. Als Zweck werden „Krisenprävention, Demokratieförderung und Entwicklungszusammenarbeit“ angegeben. Seit 2017 gab es laut der Antwort auf eine frühere Mündliche Frage des Abgeordneten Petr Bystron (AfD) Projekte in 15 Ländern, die von der Förderung des Bundes profitiert. Hier die gesamte Liste der Projekte seit 2017 (korrigiert nach der neuen Antwort der Bundesregierung; es ergeben sich andere Zeiträume im Vergleich mit der ersten Antwort):

  • Irak: 2015 – 2022
  • Laos: 2015 – 2018
  • Kambodscha: 2015 – 2017
  • Armenien: 2015 – 2017; 2019 – 2024
  • Georgien: 2015 – 2017; 2021 – 2024
  • Tunesien: 2016 – 2021
  • Myanmar: 2016 – 2020
  • Libanon: 2016 – 2023
  • Madagaskar: 2017 – 2021
  • Argentinien: 2017 – 2018
  • Nigeria: 2017 – 2024
  • Sudan: 2019 – 2020
  • Malaysia: 2019
  • Somalia: 2022 – 2024
  • Ukraine: 2019 – 2024

In seiner Kleinen Anfrage vom Ende letzten Jahres fragte Bystron, der Mitglied im Auswärtigen Ausschuss ist, noch einmal nach dem Sinn, aber auch dem konkreten finanziellen Umfang der Förderung. Zum Sinn war dabei leider nicht viel zu erfahren. Immerhin entstanden im Rahmen der „Parlamentsberatung“ keine Anträge oder Gesetzesinitiativen. Vielmehr sollen durch die Beratung „Kapazitäten und Kompetenzen von Parlamenten nachhaltig“ gestärkt werden. Aus der neuen Antwort des Auswärtigen Amtes geht hervor, dass es auch vor 2017 Projekte gab. Insgesamt wurden so 30 Parlamente in anderen Staaten von der Bundesregierung „beraten“.

Tief involviert: Die politischen Stiftungen der Parteien

Interessant sind nun auch die konkreten Angaben zu Kosten sowie insbesondere auch zu den jeweiligen Projektträgern, denn es stellt sich heraus, dass diese vermutlich eine zentrale Rolle bei den Projekten spielten. Es handelt sich keineswegs um Bundesministerien, vielmehr um verschiedene Stiftungen, darunter prominent die deutschen Parteienstiftungen, die wie bekannt mit Steuergeldern am Laufen gehalten werden. Die Parteienstiftungen haben dabei über die Jahre häufig einflussreiche Auslandsdependancen aufgebaut, die sicher auch bei einer solchen „Parlamentsberatung“ eine Rolle spielten.

So hat die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) der CSU zusammen mit Bundestag und Bundesrat gleich drei Projekte in Myanmar angemeldet, für eine Fördersumme von insgesamt mehr als 880.000 Euro. Der Zweck war immer der gleiche: „Förderung eines bürgernahen Parlaments in Myanmar“. „Bürgerinnen und Bürger“, heißt es sehr höflich und feministisch, „sowie Journalistinnen und Journalisten haben einen verbesserten Zugang zu Informationen aus den Parlamenten in Myanmar.“ Das scheint ein erhabenes Ziel zu sein im Sinne der Demokratie in Myanmar. Doch wie immer stellt sich die Frage, warum der deutsche Staat dafür in gut vier Jahren fast eine Million ausgeben musste? Die HSS hat nur 40 Mitglieder und knapp 300 Mitarbeiter.

Als nächste kam die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) der SPD. Sie erhielt 2017 die Genehmigung für ein vierjähriges Projekt zur „Stärkung des Parlamentarismus in Madagaskar“, wobei man neben Parlamentariern, Senatorinnen und Senatoren auch „Vertreterinnen und Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisationen“ sowie „Wählerinnen und Wähler“ beteiligte. So demokratisch ist die SPD im fernen Afrika (Kostenpunkt: 750.496,80 Euro). Auch die FES ist ein durchaus exklusiver Club mit 130 Mitgliedern und rund 600 Mitarbeitern (Stand 2018).

Die bekannte Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) der CDU wiederum engagiert sich seit November 2017 in ähnlicher Weise in Nigeria und leistet dort noch bis Ende 2024 für eine Summe von 6,1 Millionen Euro offenbar ganz erhebliche Aufbauarbeiten am nigerianischen Parlamentarismus. Mehr als die Hälfte der fast 13.000 KAS-Mitarbeiter haben ihren Sitz im Ausland. Den Subsahara-Afrikanern brachte die KAS hier offenbar sehr gründlich die Regeln des Parlamentarismus bei. In diesem Fall ging es aber noch konkreter um die „Unterstützung der Sicherheitssektorreform in Nigeria“. Es wurden also speziell die „Vertreter der nigerianischen Sicherheitsorgane“ trainiert, informiert und mit Dialog beglückt.

Das grüne Zentrum für Liberale Moderne setzt sich für Parlamentarismus in der Ukraine ein

Für die Grünen sprang das parteinahe Zentrum Liberale Moderne (gemeinnützige GmbH) ein, das 2017 von den Grünen-Mitgliedern Marie-Luise Beck und Ralf Fücks gegründet wurde und ohnehin per institutioneller Förderung aus dem Bundeshaushalt finanziert wird. Daran gibt es auch seit Jahren Kritik von politischen Konkurrenten wie in den Medien. So mutmaßte der Cicero nach einem LibMod-Projekt „Gegneranalyse“, dass hier entweder der jeweils ausgemachte politische Gegner mit Projektmitteln angegriffen werde – eine sehr plausible Annahme – oder man sich sogar hoheitliche Aufgaben anmaße, wenn es um Verfassungsfeinde gehen sollte.

Das LibMod-Zentrum setzt sich für die Stärkung der transatlantischen Beziehungen ein. Hier passt auch das Engagement des Zentrums in der Ukraine gut hinein: Für rund 1,8 Millionen Euro aus Bundesmitteln bemühte es sich um eine Stärkung des ukrainischen Parlaments und die „Förderung des deutsch-europäisch-ukrainischen Austauschs“ (erstmals seit dem 1. September 2019 und noch bis zum Jahresende 2024). Nun steht allerdings auch die Ukraine immer wieder international am Pranger wegen unvollkommener Rechtsstaatlichkeit und chronischer Korruption.

Auch das Büro für Projektdienste der Vereinten Nationen (UNOPS) und die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen im Irak (UNAMI) erhielten schon seit März 2015 die Summe von 1,13 Millionen Euro für die „Unterstützung von Gesetzgebungsprozessen“ im irakischen Parlament, wobei auch ein „nationaler Versöhnungsprozess“ im Mittelpunkt der Bemühungen stand. Wenn in der Folge dann irakische Flüchtlinge endlich in ihr befriedetes Land zurückkehren könnten, wäre das gut angelegtes Geld gewesen. Ab 2021 bezahlte die Bundesregierung zusätzlich das International Institute for Democracy and Electoral Assistance (IDEA), um eine Verfassungsreform für den Irak auszuarbeiten. Ziel des IDEA-Instituts ist laut eigener Website die weltweite Demokratieförderung.

Und die Max-Planck-Stiftung für Internationalen Frieden und Rechtsstaatlichkeit (gGmbH) durfte sich um die Verfassungsreform im Sudan kümmern (2019–2020: 1,04 Millionen Euro) und darf sich weiterhin für die „Staatsbildung“ in Somalia kümmern (2022–2024: 3,25 Millionen Euro). Ist das alles etwa ein Kampf gegen die Autokratie in der Welt? So mag sich das manch einer zurechtdenken. Aber dass es auf diese Art gelingt – indem weitere Millionen in weit entfernte Politiksysteme gepumpt werden –, scheint fragwürdig. Der Fragesteller Petr Bystron (AfD) meint zu den genannten Projekten und Ausgaben: „Parlamentsberatung in der Ukraine durch die Grüne-Lobbytruppe vom Zentrum Liberale Moderne, Beratung in Somalia oder dem Irak – das ist Steuergeldverschwendung in gescheiterten Staaten.“

Die Bundesregierung beugt sich gnädig herab und verteilt den Geist der Demokratie – doch nicht nur

Daneben bekam noch die gemeinnützige GmbH Democracy Reporting International (DRI), gegründet 2006 in Berlin, Bundesgelder in Höhe von 6,75 Millionen Euro für die „Stärkung demokratischer Regierungsführung und der Rechtsstaatlichkeit in Tunesien“ und die Dezentralisierung des Libanon. DRI ist seit 2010 in vielen Staaten der islamischen Welt und Afrikas, daneben auch in Myanmar, der Ukraine und Sri Lanka, engagiert, um die Demokratie dort in Schwung zu bringen. Außerdem überwacht die gGmbH seit 2016 – seit dem Brexit-Referendum und der Wahl Donald Trumps – die „Desinformation in den sozialen Medien“. Man kann die Ausbreitungspolitik der gGmbH freilich auch auf die zunehmende Ausschüttung staatlicher Gelder zurückführen.

Erstaunlich mag zum Schluss anmuten, dass die Arbeit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), einer von mehreren Bundesministerien gegründeten Gesellschaft mit einem Jahresumsatz von mehreren Milliarden Euro, unterstützt wird. Allerdings begnügt sie sich für fünf Projekte in Laos, Kambodscha, Georgien und Armenien mit insgesamt 1,6 Millionen Euro. In diesem Rahmen wurden zum Beispiel „die Kapazitäten der Parlamentsmitarbeitenden (in Vientiane und Abgeordnetenbüros) zur Unterstützung der Laotischen Nationalversammlung bei der Wahrnehmung ihrer Kernfunktionen signifikant verbessert“. Auch wurde überprüft, ob Fachkenntnisse bei laotischen Abgeordneten vorhanden sind. Auch in Kambodscha wurden „Handlungsfähigkeit und Expertise des Parlaments“ verbessert, in Georgien und Armenien „personelle Ressourcen und institutionelle Kapazitäten“ weiter entwickelt.

Es gibt einen Aphorismus nach dem Muster von Ambrose Bierce’ „Wörterbuch des Teufels“, gemünzt auf das post-imperiale Vereinigte Königreich: „Foreign aid: the empire under new management.“ In der Form „Entwicklungshilfe: ein Platz an der Sonne unter neuer Leitung“ passt er auch auf die deutsche parlamentarische und sonstige Entwicklungshilfe. Die Bundesregierung beugt sich gnädig herab zu all den Ländern, die die Demokratie noch nicht so gut und effektiv verstanden haben wie wir hierzulande. Ob die Hilfe am Ende immer erwünscht und gewollt war, bleibt offen. Mit den paar Millionen Euro wird man aber in den Hauptstädten Afrikas und des Asiens sicher zufrieden sein. Sie begünstigen über kurz oder lang einheimische Systeme der Reichtumsverteilung, die wir eh nicht richtig verstehen – so wie man es auch bei der UNRWA sehen konnte und kann.

Rechte der Opposition? Nicht der Fokus der Parlamentsberatung

Erfolg schreibt sich die Bundesregierung in dreizehn der insgesamt 30 Projekte laut Eigen-Evaluation zu. In zwölf Projekten gab es leider nur Teilerfolge. Fünf Projekte laufen noch. Nicht ganz unberechtigt war vielleicht sogar die Frage von Petr Bystron, ob auch der Deutsche Bundestag von ausländischen Mächten „beraten“ wird und wenn ja, von welchen. Aber die Antwort auf diese Frage lag nicht im „Verantwortungsbereich der Bundesregierung“. Es ist also Sache des Bundestags, von wem er sich wie beraten lässt.

Zuletzt wollte Bystron noch wissen, ob man sich im Rahmen der Parlamentsberatung auch um die Rechte der Opposition gekümmert habe, etwa auch, was die Vergabe der Posten eines Vizepräsidenten oder von Ausschussvorsitzenden angeht. Von beiden Rechten bleibt die AfD im Bundestag bekanntlich ausgeschlossen. Das Auswärtige Amt fand diese Frage des AfD-Abgeordneten Bystron enorm wichtig. In der Antwort heißt es: „Die Rechte der Opposition sind ein zentraler Bestandteil von demokratischen parlamentarischen Verfahren und insofern auch integraler Bestandteil von Parlamentsberatung. Sie war jedoch in keinem der aufgeführten Projekte der Hauptfokus der Projektarbeit. Eine gesonderte Aufschlüsselung der Projektarbeit nach diesem Aspekt erfolgt daher nicht.“

Man hört das Lippenbekenntnis wohl: Im Ausland bei ihren Staatsbesuchen geht es der grünen Außenamts-Chefin Annalena Baerbock natürlich immer wieder auch um die Rechte von Oppositionellen und sogar von „zivilgesellschaftlichen“ Gruppen, die gar nicht im Parlament vertreten sind, aber als der eigenen politischen Zielsetzung verwandte Bewegungen gesehen werden. Im Inland mag das anders aussehen. Bystron sieht die aktuelle Bundesregierung noch düsterer: „Bezeichnenderweise spielen nirgendwo die Rechte der Opposition eine entscheidende Rolle. Wie auch, werden sie doch in Deutschland von der Bundesregierung selbst mit Füßen getreten.“ Dann wären die Grünen also längst auf einem autoritären Trip, in dem sie – einmal an die Macht gelangt – die Oppositionsrechte insgesamt, auch im weltweiten Rahmen ausschalten und minimieren wollen.

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